Landtag

Lernen durch Engagement: Bottroper Schüler übernahmen im Fach Politik die Planung und Betreuung einer Skateanlage. (Foto: Aktive Bürgerschaft e.V./Ralf Emmerich)

06.06.2014

Bürgerschaftliches Engagement und Abitur: Das geht!

Fachgespräch der Freien Wähler: Immer weniger Schüler im Freistaat engagieren sich ehrenamtlich, dabei könnte die Methode des „Service Learning“ den Trend umkehren

Schülern bleibt immer weniger Zeit für das Ehrenamt. „Seit Einführung des achtjährigen Gymnasiums ist das entsprechende Engagement von 51 auf 31 Prozent zurückgegangen“, erklärt Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler) beim Fachgespräch „Service Learning an Schulen“ im Maximilianeum. Er fordert daher flächendeckend im Freistaat mehr Unterstützung für bürgerschaftliches Engagement, wie es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen bei der Initiative „sozialgenial“ (siehe Infokasten) der Fall ist. Sie sei eine Art Koordinierungsstelle für das „Service Learning“. Der Begriff lässt sich im Deutschen mit „Lernen durch Engagement“ übersetzen und ist nordamerikanischen Schülern bereits seit den Achtzigerjahren bekannt.

Durch Service Learning sollen junge Menschen im Rahmen des Lehrplans Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen und dadurch neue fachliche, methodische und soziale Kompetenzen entwickeln. Mögliche Projekte können beispielsweise in der Gemeinde Handykurse für Senioren, in der Schule die Organisation von Spielpausen für jüngere Schüler oder in der Klasse die Ernennung von so genannten Blumenchefs sein. „Dadurch lernen Jugendliche zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten“, erzählt Anne Sliwka von der Universität Heidelberg. Doch die Bildungswissenschaftlerin nennt noch weitere Vorteile.

Laut US-Studien führt Service Learning zu weniger Mobbing, zum Abbau von Vorurteilen und zur Reduzierung von Vandalismus. Im Gegenzug wird die Identifikation mit der Schule gefestigt, die Kooperationsbereitschaft gestärkt und das Gefühl, gebraucht zu werden, erhöht. „Interessanterweise profitieren von dem Programm am meisten die Schüler, die nicht freiwillig mitgemacht hätten“, ergänzt Sliwka. Schulen könnten folglich mit wenig Ressourcen große Hebel in Bewegung setzen.

Dieses Potenzial erkannte Ulrich Koch vom Bamberger Franz-Ludwig-Gymnasium bereits 2003. Der Lehrer ist einer der Vorreiter des Service Learning im Freistaat und führte in den letzten elf Jahren mit allen Jahrgangsstufen soziale Projekte durch. Dazu gehörte zum Beispiel die Entwicklung eines Zupfinstruments, welches auch von Behinderten gespielt werden kann. In einem anderen Jahr bemalten Kunstschüler gemeinsam mit Behinderten Wände im öffentlichen Raum. Wieder ein anderer Jahrgang beschäftigte sich im Rahmen seiner Abitur-Facharbeiten mit dem Thema „Inklusion am Arbeitsplatz“ – damals gab es allerdings noch das neunjährige Gymnasium. Für das Engagement erhielt das Gymnasium zahlreiche Auszeichnung. „Die größte Würdigung haben wir aber außerhalb Bayerns erfahren“, klagt Koch.

„Wir wundern uns auch, dass die anderen Parteien im Landtag dieses Thema noch nicht entdeckt haben“, beteuert Fahn. Aktuell wisse das Kultusministerium noch nicht einmal, wie viele Service Learning-Projekte in Bayern existieren. Dennoch ist sich das Ministerium von Ludwig Spaenle (CSU) sicher, dass „die bestehenden Rahmenbedingungen den autonomen Hochschulen bereits den geeigneten Spielraum bieten, um konkrete Aspekte des Service Learning abzubilden“.

So müssen sich die Schulen weiterhin selbst helfen. Dafür stellt das Kaiser-Heinrich-Gymnasium in Bamberg beispielsweise vier Schulbegleiter zur Verfügung, die andere Schulen buchen können. „Jeder Schulleiter kann klein anfangen“, ist Musiklehrer Johannes Klehr überzeugt. Seine Schule startet jetzt das Projekt „Wenn alle Brünnlein fließen“, bei dem jedes Fach seinen Beitrag dazu leistet, drei barocke Brunnen des Klosters Michelsberg zu restaurieren. „Das beruht aber alles auf dem freiwilligen Engagement der Kollegen“, unterstreicht Klehr. „Weil es noch keine offiziellen Strukturen gibt, erhalten sie dafür nicht einmal einen Stundenausgleich.“ (David Lohmann)
INFO: Initiative „sozialgenial – Schüler engagieren sich“ Das Projekt „sozialgenial – Schüler engagieren sich“ wurde 2009 ins Leben gerufen, um die Bildungschancen und die Bereitschaft junger Menschen für soziales Engagement zu fördern. Das Konzept verbindet Unterricht mit Bürgerengagement und wurde in Nordrhein-Westfalen bereits an fast 15 Prozent der Schulen ab Klasse 5 in die Praxis umgesetzt – das entspricht rund 30 000 Schülern an allen Schulformen.
Bis Ende 2013 sind so über 1000 Projekte entstanden: Fast jedes zweite behandelt die Themen „Werte und Bildung“. Dazu gehört zum Beispiel die Spielzeugherstellung für sozial benachteiligte Kinder. 36 Prozent der Aktionen zielen auf „Integration und Teilhabe“. So übernahmen Schüler im Fach Politik gemeinsam mit dem städtischen Planungsausschuss die Patenschaft für eine Skatebordanlage. Neun Prozent haben sich des Schwerpunkts „Demokratie und Frieden“ angenommen, bei dem Ausstellungen zu Rechtsradikalismus oder Theaterprojekte zu Cybermobbing organisiert wurden. Die restlichen Projekte widmeten sich mit Aktionstagen wie „Bäume in der Stadt“ dem Umwelt- und Ressourcenschutz.
Initiator von sozialgenial ist die Düsseldorfer WGZ Bank, die das Bildungskonzept mit bislang 1,5 Millionen Euro förderte. Schirmherrin ist die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), die die Initiative mit ihrem Ministerium ebenfalls unterstützt. Projektträger ist der Verein Aktive Bürgerschaft, dem Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien angehören. (LOH) Die Präsentation von Anne Sliwka von der Universität Heidelberg finden Sie unter bit.ly/Service2014, die des Franz-Ludwig-Gymnasiums und Kaiser-Heinrich-Gymnasiums Bamberg unter bit.ly/Learning2014.

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