Landtag

"Unser täglich Brot gib uns heute“: Dafür sorgen die Bäcker, die im Gegenzug meist dürftig entlohnt werden." (Foto: DAPD)

14.09.2012

"Der Mensch beginnt nicht erst mit dem Abitur"

FDP-Fachgespräch: Wirtschaftsminister Martin Zeil diskutiert mit rund 100 Auszubildenden im Landtag

Glücklicherweise war die Veranstaltung selber gelungener als ihr Titel: „Eine gute Ausbildung ist die beste Versicherung gegen den drohenden Fachkräftemangel“. Mit dieser Losung kann man Unternehmer, die von erwähntem Mangel betroffen sind, möglicherweise mobilisieren. Nicht aber Auszubildende. Zu den rund 100 Fachkräften in spe, die mit Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) im Landtag diskutiert haben, hätte folgendes Lob besser gepasst: „Sie sind die Antwort auf den Fachkräftemangel!“


"Die Rente mit 67 ist eine verkappte Kürzung"


Dass dem so ist, gaben der stellvertretende Ministerpräsident und der wirtschaftspolitische Sprecher der Liberalen Karsten Klein den jungen Menschen immerhin während des Austauschs zu verstehen. Das war gut, ebenso wie die Art der Veranstaltung: Statt notorisch ermüdender Grundsatzreferate gab es eine recht flotte Frage-und-Antwort-Runde. Dass dabei tatsächlich mehrere Aspekte zur Sprache kamen, lag vor allem daran, dass sich die Auszubildenden aus 39 unterfränkischen Betrieben präzise ausdrückten. Davon kann sich manch professioneller Fragesteller eine Scheibe abschneiden. Zeil und Klein reagierten meist ebenfalls konkret. Auch positiv: Zwar berichteten die Frauen und Männer von ihren beruflichen Sorgen. Als Kummerkasten missbrauchten sie die Politiker aber nicht.
Vielmehr wollten sie wissen, wie sie selbst Probleme angehen sollen: „Was kann ich als Auszubildender gegen die drohende Altersarmut tun?“, erkundigte sich ein Diskutant beispielsweise. Zeils Antwort war vorhersehbar: „So früh wie möglich selbst für das Alter vorsorgen“, riet er. Damit dies Arbeitnehmern finanziell möglich sei, plädiere seine Partei für steuerliche Entlastungen. Die derzeit diskutierte Zusatzrente verortete der Minister dagegen in den Bereich der „Scheinheiligkeit“. Sie entspreche einem völlig falschen Verständnis vom Rentensystem: „Man nimmt Ihnen Beiträge weg und gibt sie an andere weiter, die gar nichts oder viel weniger eingezahlt haben als Sie“, polemisierte Zeil. An dieser Stelle konnte der Eindruck entstehen, er spreche vor Parteianhängern in einem Bierzelt und nicht vor Berufsanfängern im Plenarsaal des Landtags.
Eine solide Ausbildung ist laut Zeil das beste Mittel gegen Leiharbeit. Ihr müssten verhältnismäßig wenige Fachkräfte nachgehen. Gut, diese Art der Beschäftigung habe in Bayern zugenommen, aber „nicht besorgniserregend“.
Mit weiteren Fragen zum Themenkomplex Rente widerlegten die Auszubildenden zwei gängige Vorurteile: Die junge Generation interessiere sich nicht für Politik und Heranwachsende machten sich zu wenig Gedanken um die Zukunft. Die Frage eines Teilnehmers betraf nämlich eines der drängenden Themen schlechthin: „Ist die Rente mit 67 sinnvoll?“. Nein, lautete Zeils prompte Antwort. „Das ist nix anderes als eine verkappte Rentenkürzung.“ Wer 40 Jahre gearbeitet habe, solle unabhängig von seinem Alter in Rente gehen können. Davon abgesehen sei wohl klar: „Dass jemand mit 66 Jahren nicht mehr in einem Baukran rumturnen muss.“ Überhaupt gelte für Berufe, in denen Menschen körperlich hart gefordert sind: Diese Arbeitnehmer sollten selbstredend früher in Rente gehen dürfen, dozierte Zeil.
Im Übrigen sei in Sachen Rente eines essentiell: mehr Flexibilität. Diese Vokabel benutzte er, wie es sich für einen Liberalen ziemt, häufig. Mehr Freiraum gebührt laut Zeil etwa diesen Zeitgenossen: „Es gibt Menschen, die wollen für einige Jahre sehr viel arbeiten und zahlen entsprechend viel ein. Danach möchten sie für einige Jahre entsprechend weniger arbeiten, was ihr gutes Recht ist.“ Solche Lebensläufe bilde das gültige Rentensystem zu wenig ab.
Ein angehender Bäcker erinnerte daran, dass es etliche Arbeitnehmer wie ihn gibt, die ihr ganzes Leben viel arbeiten müssen. Dennoch zahlen sie verhältnismäßig wenig in die Rentenkasse ein, weil ihr Lohn niedrig ist. „Ihr Beruf wird schwer gesucht“, antwortete der Minister dem jungen Mann. Es sei Aufgabe der Tarifparteien, dies mit entsprechender Entlohnung zu würdigen.
Was Zeils Aussagen zu Vergütung und Eigenvorsorge betrifft: Dafür erntete er reichlich skeptische Blicke und manches Kopfschütteln. Dafür hatte er einen starken Moment, als es um den Wert von Abschlüssen ging. Zwei Diskutantinnen wollten wissen, ob Meisterabschluss und duale Ausbildung in Zukunft an Wert verlieren würden. Schließlich strebten immer mehr ihrer Altersgenossen ein Hochschulstudium an. Zeils Antwort: „Der Mensch beginnt nicht erst mit dem Abitur. Das ist ein weitverbreiteter Irrtum.“ Oft erkläre der Meister dem Ingenieur, „wie es praktisch geht. Das war immer schon so und das wird immer so bleiben.“
Weniger überzeugend argumentierte Zeil beim Thema Mittelschule. Es gebe durchaus Unternehmen, die Mittelschüler gerne nehmen würden, „auch wenn die nicht gleich alles können“. Ein Azubi warf ein, dass aber auch im Handwerk die Berufsbilder zunähmen, für die mindestens ein Realschulabschluss erforderlich sei. „Wir müssen an der Mittelschule dranbleiben und einiges verbessern“, räumte Zeil daraufhin ein.
Im Anschluss kam mal wieder die rhetorische Allzweckwaffe „Flexibilität“ zum Einsatz. Einiges werde bald durch einen Gesetzentwurf bewegt, den seine Fraktion noch in diesem Herbst einbringen wolle. Zeil: „Darin fordern wir die flexible Schule.“(Alexandra Kournioti)

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