Landtag

Im Fall von Videoüberwachung in Läden sind Hinweisschilder gesetzlich vorgeschrieben, doch nicht alle Geschäftsleute halten sich daran. (Foto: DPA)

06.09.2013

Der Spion, der mich filmte

Videoüberwachung: Das Landesamt für Datenschutzaufsicht und die Landtagsfraktionen kritisieren die zunehmende Videoüberwachung – nur die CSU ist dafür

Man sieht sie in Geschäften, Banken, Arztpraxen, Fitnessstudios und Unternehmen: Videokameras. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat jetzt die Videoüberwachung in 150 so genannten nicht-öffentlichen Bereichen der Münchner Innenstadt überprüft. Ergebnis: „Es gibt viel Unkenntnis und Schlamperei“, resümiert Präsident Thomas Kranig. So fanden die Prüfer in einem Laden über 70 Kameras. So wurde der Arbeitsplatz eines Mitarbeiters überwacht. In anderen Fällen wurden die Löschfristen der Videoaufnahmen nicht eingehalten. Häufig wird auch nicht auf die Überwachung hingewiesen. Aktuell fehlt zudem ein bundeseinheitlicher Vollzugshinweis, wie mit den Videoattrappen umzugehen ist, die sich in jeder vierten Einrichtung befanden.

„Durch den erheblichen Umfang funktionsloser Attacken soll das Verhalten der Menschen gesteuert werden“, erklärt Kranig den Grund für die insgesamt 17 000 Überwachungskameras im Freistaat. 700 Beschwerden bearbeitet das BayLDA jährlich – die Hälfte davon ist berechtigt. Doch in der Münchner Innenstadt habe es schlussendlich keine „erheblichen Verstöße“ gegeben – auch nicht hinsichtlich der Mitarbeiterüberwachung. Kranig räumt allerdings ein, dass die Kontrollen angemeldet waren. „Natürlich kann man dann vorher die Kameras drehen“, so der Präsident. Insofern sei es nicht auszuschließen, dass Videokameras aus den Geschäften heraus in die Fußgängerzone oder in den Umkleidebereich filmten. „Wir hatten 17 Mitarbeiter für diese Aktion und das hat alle unsere Personalressourcen gefordert“, erläutert Kranig. Statt immer mehr Videokameras verlangt er mehr Pförtner, Überwachungspersonal oder Sicherheitsschlösser.

Unterstützung erhält Kranig von den Grünen im Landtag. Christine Kamm befürchtet ein „explosionsartiges Wachsen“ von Videoüberwachung bei Privatunternehmen. „So etwas ist menschenunwürdig und ungesetzlich“, schimpft das Mitglied der Datenschutzkommission. Sie fordert daher eine personelle Aufstockung des BayLDA und will, dass sich die Polizei stärker diesem Thema widmet.

Die SPD-Landtagsfraktion kann der Videoüberwachung im Privatbereich auch nicht viel abgewinnen. „Leider müssen wir feststellen, dass es immer wieder zu Verstößen gegen geltende Gesetze kommt“, erklärt der SPD-Datenschutzexperte Florian Ritter. Zudem verringere die Videoüberwachung im öffentlichen Bereich laut Studien nicht die Kriminalitätsrate. Wenn Orte überwacht werden, müssten die Aufnahmen außerdem zeitgleich gesichtet werden.

Das sehen die Liberalen genauso: „Anders als Polizisten können Videokameras nicht eingreifen und Opfern einer Straftat rasch helfen“, so ein Fraktionssprecher. Eine flächendeckende Videoüberwachung sei daher kein Allheilmittel und vollkommen unverhältnismäßig, da sie fast ausschließlich unverdächtige Bürger betreffe.

Die Freien Wähler lehnen eine Videoüberwachung im öffentlichen und nicht-öffentlichen Raum nicht grundsätzlich ab. Michael Piazolo und der rechtspolitische Fraktionssprecher Florian Streibl mahnen aber zur Vorsicht bei der Ausweitung: „Die Videoüberwachung stellt einen Eingriff in unsere individuelle Handlungsfreiheit dar und beeinträchtigt die politische Kultur und das Gemeinwohl.“ Damit der Freistaat nicht zum Überwachungsstaat werde, müssten alle Videokameras regelmäßig auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.

Die CSU hingegen erklärt den Ausbau der Videoüberwachung im öffentlichen Bereich und in Tankstellen, Banken oder Krankenhäusern zum Erfolgsmodell. „Videoüberwachung hat eine präventive Wirkung“, betont der innenpolitische Fraktionssprecher Florian Herrmann. Das höhere Sicherheitsgefühl der Bürger unterstreiche diese Sicht. (David Lohmann)
INFO Bundesdatenschutzgesetz
Laut Bundesdatenschutzgesetz Paragraf 6b „Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch- elektronischen Einrichtungen“ ist die Videoüberwachung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dazu gehören die Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen und die Wahrnehmung des Hausrechts oder berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke. Ansonsten überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Zudem müssen die Beobachtungen kenntlich gemacht und die Daten im Anschluss unverzüglich gelöscht werden. Alle gesammelten Informationen dürfen außerdem nur für den verfolgten Zweck genutzt werden.Wenn Daten einer bestimmten Person zugeordnet werden können, ist diese über die Nutzung zu informieren.

Konkret bedeutet dies, eine Überwachung ist nur bei Sicherung des Eigentums oder bei Schutz vor Diebstahl, Vandalismus und Übergriffen möglich. Permanente Überwachung von Mitarbeitern ist lediglich erlaubt, wenn vorher ein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht. Ebenfalls verboten ist, einen Kunden bei seinem Gang durchs Kaufhaus im Fokus der Kamera zu halten. Die Daten dürfen nicht ins Ausland weitergeleitet und müssen in Bayern in der Regel nach drei Tagen gelöscht werden. Tonaufzeichnungen sind grundsätzlich strafbar. Ein Problem sind derzeit die Videoaufzeichnungen in Taxis oder Flugdrohnen. Für deren Kontrolle ist bisher weder das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht noch der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri, zuständig. (LOH)

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