Landtag

Demenzerkrankungen verursachen in Bayern Kosten in Höhe von rund 6,8 Milliarden Euro – Tendenz stark steigend. (Foto: BSZ)

22.08.2014

"Die moderne Geißel der Menschheit"

Pflegenotstand: Jeder Zweite im Freistaat über 90 Jahre leidet an Demenz – die CSU sucht jetzt nach Maßnahmen, um mehr Pflegepersonal zu gewinnen

Alle vier Sekunden erkrankt weltweit ein Mensch an Demenz. Allein in Deutschland sind rund 1,2 Millionen Bürger betroffen – 212 000 davon im Freistaat. „Die Anzahl wird sich in Bayern bis zum Jahr 2050 mutmaßlich auf circa 420 000 verdoppeln“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, Bernhard Seidenath (CSU), vor Pressevertretern im Landtag. Bis zu einem Alter von 90 Jahren seien bereits 50, darüber hinaus sogar 70 Prozent an der „modernen Geißel der Menschheit“ erkrankt. Sie würden zwar noch in zwei Dritteln der Fällen im familiären Umfeld versorgt. „Doch den häuslichen Pflegedienst wird es bald nicht mehr geben“, ergänzt Seidenath. Der Abgeordnete macht dafür den demographischen Wandel mit einer alternden Gesellschaft und einer niedrigen Geburtenrate verantwortlich. „Wir werden daher in 20 bis 30 Jahren ein riesiges Problem haben.“

Um die Situation für pflegende Angehörige zu erleichtern, sollen ab 2015 zwei von der Großen Koalition beschlossene Pflegestärkungsgesetze helfen. Sie sehen Leistungsverbesserungen von zusammen fünf Milliarden Euro, eine Erhöhung der Pflegepauschale auf vier Prozent und einen Pflegevorsorgefonds vor. Außerdem soll bis 2017 die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken wegfallen. Des Weiteren will die Bundesregierung die Gebühren für die Altenpflegeausbildung streichen. Um das alles zu finanzieren, werden die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Die CSU-Landtagsfraktion pocht darüber hinaus auf eine Verbesserung bei der Schnelleinstuftung im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt und für mehr Selbstständigkeit auf eine zusätzliche Rehabilitationspflege von acht Wochen. Die Chancen auf eine Umsetzung stehen laut Seidenath gut: „Durch die Berliner Erklärung (siehe Info) ziehen jetzt alle CDU/CSU-Landtagsfraktionen an einem Strang.“

Auf Landesebene fordert Seidenath mehr Pflegepersonal. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, will die CSU bis 2016 die Ausbildung generalisieren. „Dadurch können Pfleger ohne viel Aufwand innerhalb ihres Berufs wechseln“, erklärt der Abgeordnete. Zudem sollen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Dazu soll die Dokumentationspflicht entbürokratisiert und Fachkräfte während der Berufsschule nicht durch zusätzliche Arbeit „verheizt“ werden. Zwar könne die Staatsregierung nicht die Arbeitstarife erhöhen, aber dafür investiere die CSU 1,5 Millionen Euro zusätzlich in die Demenzforschung wie das Erlanger Demenzregister – „notfalls aus der Fraktionsreserve“, verspricht Seidenath. Damit die Angestellten mehr Gehalt bekommen, sollen zukünftig Experten-Hearings stattfinden. „Obwohl Fachkräfte gesucht werden, nimmt die Bezahlung nicht zu“, klagt der CSU-Mann. „Hier haben die Marktmechanismen versagt.“ Doch nicht alles regelt die freie Wirtschaft.

Um die Reputation des Berufs zu steigern, hat das Arbeitsministerium die Kampagne „Herzwerker“ gestartet. Damit sollen vor allem junge Menschen und Migranten für die Pflege gewonnen werden. Ein weiterer Baustein für mehr Attraktivität sieht der stellvertretende Vorsitzende des CSU-Arbeitskreises Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, in der Einführung einer Pflegekammer. Dabei sei es unwichtig, ob dies wirklich eine Kammer, ein Senat oder eine Berufs- und Weiterbildungsordnung sei. „Es braucht einfach eine Interessenvertretung – egal wie diese aussieht.“ Aktuell seien die Fronten aber nicht nur in der Frage, ob es eine Zwangsmitgliedschaft geben soll, sehr verhärtet. Dennoch glaubt Holetschek, dass der runde Tisch mit Experten, Verbänden und Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) bis spätestens Ende des Jahres zu einer Einigung kommt. (David Lohmann)

INFO: Berliner Erklärung der CDU/CSU-Landtagsfraktionen Die gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen fordern in der Berliner Erklärung vom 1. Juli 2014, die Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern.

Pflege neu definieren: Menschen mit kognitiven Erkrankungen und psychischen Störungen sollen mit in das Leistungssystem aufgenommen werden.

Ausdifferenzierung der Pflegestufen, individuellere Versorgung: Das bisherige System der drei Pflegestufen soll auf fünf Pflegegrade erweitert werden.

Leistungsvolumen erhöhen, Demografiereserve einrichten: Ein Pflegevorsorgefonds, die so genannte Demografiereserve, soll die unumgängliche Steigerung der Beitragssätze zumindest teilweise abbremsen.

Pflege-Praxis: Bündelung und Vernetzung bestehender Angebote: Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Patienten sollen ausgebaut werden.

Pflege braucht Zeit: Pflegedokumentation verschlanken: Die Pflegedokumentation soll vereinfacht und in Heimen mehr auf die Ergebnisse geachtet werden.

Pflegeberufegesetz: Anreize für das Erlernen von Pflegeberufen schaffen:
Die Grundausbildung soll generalisiert und finanziell besser unterstützt werden.

Schulgeld in der Altenpflegeausbildung abschaffen:
Ziel ist eine kostenfreie Ausbildung für jeden Auszubildenden im Pflegebereich.

Einrichtung von Pflegekammern: Befragung der Pflegenden unterstützen: Jedes interessierte Bundesland soll eine repräsentative Umfrage über die Einführung einer Pflegekammer durchführen. (LOH)

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