Landtag

Das BR-Funkhaus in München. (Foto: dpa)

09.12.2016

Ein bisschen mehr Vielfalt

Reform der Medienaufsicht in Bayern: In den Gremien von BR und BLM bleiben die Vertreter aus der Politik prägend

Zu viele Politiker, zu wenige gesellschaftlich relevante Gruppen: Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2014 zum ZDF-Staatsvertrag war vernichtend. Und hat damit auch den Freistaat gezwungen, überfällige Reformen der bayerischen Medienaufsicht in Angriff zu nehmen. Am Donnerstag hat die CSU mit ihrer Mehrheit im Landtag endlich eine entsprechende Änderung des Rundfunk- wie Mediengesetzes beschlossen. Die Zahl der Sitze im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks und im Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) wird jeweils von 47 auf 50 erhöht. Neu sind ein Vertreter von Migranten, von Menschen mit Behinderung sowie aus dem Tourismusbereich.

Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass der Anteil der Politiker höchstens ein Drittel ausmachen darf, ist damit erfüllt. Besonders mutig aber ist die Lösung, die Gremien einfach um so viele Sitze aufzufüllen, damit das Verhältnis zwischen Politikern und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen rechnerisch grade so stimmt, nicht. „Die bisherige Regelung hat bereits ein treffendes Abbild der Gesellschaft dargestellt“, erklärte Alex Dorow (CSU) die Entscheidung in der Plenardebatte – zum großen Unmut der Opposition. Denn auch das war eine Vorgabe des Gerichts: Es braucht mehr Vielfalt in der Medienaufsicht.

Tatsächlich aber hat sich die Zusammensetzung von Rundfunk- und Medienrat in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert. Einen Sitz haben jeweils die katholische und evangelische Kirche sowie deren Frauenorganisationen und die israelitische Kultusgemeinde. Gewerkschaften, Handels- und Handwerkskammern, Bauernverband, Bund Naturschutz und Kultur- und Bildungsvereinigungen sind ebenfalls vertreten. Nicht berücksichtigt aber sind zum Beispiel Verbände von Muslimen, heute die drittgrößte Religionsgemeinschaft, Wohlfahrts- oder Homosexuellenverbände. Dafür haben die Landtagsfraktionen mit gleich 12 Vertretern eine starke Stimme. Dazu kommen ein Sitz für die Staatskanzlei und drei Sitze für kommunale Spitzenverbände. Immerhin: Neu im CSU-Gesetz ist eine Inkompatibilitätsregelung samt einer Karenzzeit von 18 Monaten: Politiker dürfen erst eineinhalb Jahre nach Ausscheiden aus dem Amt von Verbänden entsandt werden. Aktuell sitzt etwa der CSU-Abgeordnete Thomas Goppel für die Musikorganisationen im Kontrollgremium des BR. Am 1. Mai beginnt die neue Ratsperiode.

Nicht vertreten: Muslime, Homosexuelle und Filmschaffende

Die Landtagsopposition wollte nach dem BVerfG-Urteil in einer Kommission gemeinsam mit CSU und Experten Lösungsvorschläge erarbeiten. Doch die CSU lehnte ab. Die Folge: SPD, Freie Wähler und Grüne erarbeiteten jeweils eigene Gesetzentwürfe, die erwartungsgemäß von der CSU abgelehnt wurden. Allen Oppositions-Initiativen gemeinsam: Die Vielfaltsicherung in der Medienaufsicht interpretierten sie um einiges weiter als die CSU: die SPD vor allem, indem sie die Zahl der Sitze auf 55 erhöhen wollte. Freie Wähler und Grüne dagegen forderten, die Zahl der Politiker zu reduzieren – zugunsten von Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen. „Es braucht endlich frischen Wind“, so Michael Piazolo (FW).

Der Rundfunkrat hat weitreichende Befugnisse: Er legt die Programmrichtlinien fest, genehmigt den Wirtschaftsplan, wählt den Intendanten und beruft hochrangige Führungskräfte. Um so wichtiger sei es deshalb, dass die Aufsicht der Gesellschaft zurückgegeben werde, so Natascha Kohnen (SPD), die betonte: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist systemrelevant für unsere Demokratie.“ Ulrike Gote (Grüne) erklärte: „Andere Bundesländer sind viel weiter.“ Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) etwa hat in einigen Rundfunkanstalten bereits einen Sitz, unter anderem in Bremen.

„Eine Berücksichtigung auch im bayerischen Rundfunk- und Medienrat wäre ein wichtiges Signal gewesen für Vielfalt und Akzeptanz“, erklärte Hannah Lea vom LSVD Bayern. „Gerade in Zeiten des Populismus.“ Gote hatte sie und weitere Vertreter von Verbänden, die vergeblich einen Sitz in den Räten gefordert hatten, zu einem runden Tisch geladen. Die Enttäuschung dort war entsprechend groß. Erwin Schmid, Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit, warb für einen Sitz für säkulare Gruppen. „Waren 1987 noch 91,1 Prozent der Bayern katholisch oder evangelisch, sind es aktuell nur noch rund 68 Prozent“, betonte er. „Dem sollte der Gesetzgeber doch Rechnung tragen.“ Ebenfalls unzufrieden: Drehbuchautoren, Regisseure und Dokumentarfilmer. „Das ist doch merkwürdig, dass ausgerechnet diejenigen, die das Programm herstellen, nicht vertreten sind“, so Jochen Greve vom Verband der Drehbuchautoren. Das vernichtende Urteil von Wolfgang Landgraeber von der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm: „Die Rundfunkräte haben von unserer Arbeit keine Ahnung.“
(Angelika Kahl)

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