Landtag

Blumen und Kerzen drei Tage nach dem Amoklauf am OEZ in München. (Foto: dpa)

27.04.2017

Hakenkreuz und Amoklauf

Die Ermittler haben die Motive des Münchner Amokläufers akribisch seziert. Doch auch diese "psychologische Autopsie" kann neun Monate nach der Bluttat mit neun Todesopfern nicht gänzlich klären: War es eine rechtsextrem oder eine persönlich motivierte Tat?

Jemand schmiert Hakenkreuze, zeigt den Hitlergruß, steigert sich in Hasstiraden - und erschießt schließlich neun Menschen, die meisten mit Migrationshintergrund. Sind das nun rechtsextrem motivierte Morde - oder Morde eines Rechtsextremen? Oder Bluttaten eines psychisch Kranken, der Rache für jahrelanges Mobbing suchte - und zufällig eine rechte Gesinnung hatte? Neun Monate nach dem Amoklauf in München debattierten am Mittwoch die Abgeordneten im Innenausschuss des Bayerischen Landtags darüber.

Die Meinungen gehen dabei weit auseinander, sogar innerhalb der Parteien. David S. sei ein geistig verwirrter Einzeltäter gewesen, seine Opfer habe er "rein zufällig" ausgewählt, meint etwa Peter Paul Gantzer (SPD). Sein Fraktionskollege Peter Ritter hält dagegen: "Wenn eine rechtsextreme Gesinnung bei dem Täter festzumachen ist, muss das ja irgendwie mit reinspielen."

Manfred Ländner von der CSU wiederum warnt, vor dem "alten Reflex, Taten mit der Gesäßbacken-Theorie links und rechts einzuordnen". Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, die das "Mobbing-Motiv" schon früher kritisierte, zitiert das Bundeskriminalamt: Eine Straftat sei politisch motiviert, wenn sie durch die Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse oder Hautfarbe eines Opfers begründet sei.

Die Anghörigen wollen Klarheit, warum ihre Nächsten sterben mussten

Die Angehörigen der Opfer wollen Klarheit, warum ihre Nächsten sterben mussten. Doch das Motiv des 18-Jährigen, der sich am Ende selbst richtete, ist bis heute nicht ganz klar. "Das Problem ist, dass wir von einer Art psychologischer Autopsie reden", sagt der Wiesbadener Rechtspsychologe Rudolf Egg. David S. kann nicht mehr gefragt werden - und sein früheres Verhalten sehe im Licht der Tat anders aus, als es zuvor womöglich beurteilt wurde. "Ich würde davor warnen, das schnell und eindeutig als Gesinnungstat zu werten", sagt Egg. "Die Grenzlinien sind nicht ganz eindeutig: Wo fängt psychische Krankheit an, wo politische Gesinnung?"

Der psychisch kranke Schüler war jahrelang gemobbt worden. Sein Hass richtete sich gegen Gleichaltrige mit südosteuropäischer Herkunft. Er isolierte sich, spielte exzessiv Ego-Shooter-Spiele, rutschte in eine irrationale Welt aus Hassfantasien ab. Eine davon: Seine Feinde seien mit einem Virus infiziert und er müsse sie töten. Zuhause verbrachte er die Zeit meist allein in seinem Zimmer, aß nicht einmal gemeinsam mit der Familie, wie der Inspekteur der Bayerischen Polizei, Thomas Hampel, im Innenausschuss berichtete.

Am 22. Juli 2016 fuhr er mit dem Fahrrad ins Olympia-Einkaufszentrum (OEZ), um das Blutbad anzurichten, auf das er sich viele Monate lang akribisch vorbereitet hatte. Bilanz: Neun Tote, acht von ihnen zwischen 14 und 20 Jahren alt. Die meisten mit Migrationshintergrund.

Wer innerlich zerrissen sei, finde leichter in radikalen Ideen eine Heimat, erklärte Egg. "Personen, die sich ausgegrenzt fühlen und einen Hass entwickeln auf die Welt, klammern sich oft an Fantasien, die ihnen Halt geben, das können politische sein oder religiöse." Der Hass bekomme so eine Richtung - und Rechtfertigung. Er habe einen "Hass auf Gleichaltrige gehabt, denen es besser geht", sagte Egg. Und wählte seine Opfer nach diesem Feindbild aus. Rechtsextrem - oder rein persönlich motiviert? Vielleicht gilt beides. (Lisa Forster, Sabine Dobel, dpa)

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