Landtag

Jeder Politiker wurde von einem Schüler flankiert: Ludwig Wörner (SPD, von links), Fabian Schüssler, Claudia Stamm (Grüne), Hanna Starz, Wolfgang Kreeißl-Dörfler (SPD), Katharina Sauer, Markus Blume (CSU), Sebastian Sondheimer, Tobias Thalhammer (FDP) und Enrico Brandmeier. (Fotos BSZ)

05.03.2010

Hitzige Debatten über die Erderwärmung

Abgeordnete des europäischen Parlaments und des bayerischen Landtags diskutieren mit Schülern

Etwa 120 bayerische Schüler haben sich mit Politikern über die Themen „CO2-Grenzen“ und „Biokraftstoffe“ ausgetauscht. Dabei zeigte sich, dass die Jugendlichen sich nicht von so genannten Schaufensterreden von Politikern täuschen lassen. Entsprechend kritisch traten sie den Volksvertretern gegenüber. Klar wurde aber auch, dass in Sachen Umweltpolitik keiner schnelle Lösungen parat hat. Als prophetisch haben sich die Worte, die Landtagsvizepräsident Franz Maget (SPD) für seine Begrüßungsrede wählte, erwiesen: „Angesichts bisweilen langatmiger Debatten im Plenum kann es nicht schaden, wenn junge Menschen frischen Wind und neue Ideen frei von parteipolitischem Kalkül ins Haus bringen“, sagte er. Genau das stellten die Lernenden von vier Gymnasien und einer FOS/BOS während der gut sechsstündigen Veranstaltung unter Beweis: Sie zeigten sich in einer Anhörung überaus kritisch gegenüber den Politikern aus allen Fraktionen. Aber auch untereinander fehlte es nicht an kontroversen Meinungen. Wie in der parlamentarischen Wirklichkeit eben – deren Arbeitsweise auch nachempfunden wurde. Wie ein Antrag von der Ideenfindung bis zur Abstimmung im Plenum entwickelt wird, konnten die Schüler aktiv miterleben. Dabei wurde ihnen die zunehmende Bedeutung europäischer Politik vor Augen geführt. Das wiederum war ganz im Sinne der Veranstalter: „Wir möchten Ihnen zeigen, dass zukunftsweisende Entscheidungen in immer stärkerem Maße eine europäische oder globale Dimension haben“, sagte der Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments, Frank Piplat, in seiner Rede. Dies wurde den jungen Frauen und Männern bereits vor dem Maximilianeum-Besuch durch Experten der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, des GEO-Zentrums an der Kontinentalen Tiefenbohrung (KTB), des Umweltinstituts München und des bifa Umweltinstituts in Augsburg in Fachgesprächen nahegebracht. Im Landtag wurden fünf Arbeitsgruppen – analog zu den Arbeitskreisen der Parlamentarier – gebildet und Positionen sowie Fragen für die Anhörung mit den Politikern erarbeitet. Die Schüler bestimmten Gruppensprecher und formulierten Entscheidungsfragen für das „Plenum“. Dieses bestand aus allen 120 Schülern. Die erste Frage, die Fabian Schüssler, einer von fünf Gruppensprechern, stellte, überraschte die Europa- und Landespolitiker ziemlich: „Welche Autos fahren Sie und wie viel verbrauchen die?“ Es stellte sich heraus, dass die fahrbaren Untersitze der Landtagsabgeordneten Markus Blume (CSU), Ludwig Wörner (SPD), Claudia Stamm (Grüne), Tobias Thalhammer (FDP) und des Europa-Abgeordneten Wolfgang Kreißl-Dörfler (SPD) zwischen 5,5 und 9 Litern Brennstoff für 100 Kilometer benötigen. Alle Volksvertreter haben ungefragt, darauf hingewiesen, was sie sonst noch Gutes für die Umwelt tun würden: Stamm beispielsweise erzählte, sie achte bei Lebensmittel- und Kleidungskauf auf biologische respektive umweltverträgliche Ware. Thalhammer bezeichnete sich selbst „als stolzen Besitzer einer Photovoltaikanlage“. Blume, der ein 9-Liter-Automobil fährt, machte den größeren Raumbedarf einer Familie mit kleinen Kindern geltend. Überhaupt bemühten sich sämtliche Politiker um die Sympathie der Schüler. Dafür nutzten sie jugendaffine Ausdrucksweisen wie „geil“, „verpennt“ oder „Kohle“.Viel genutzt hat es ihnen indes nicht, wie Moderator Henryk Jarcyk vom Bayerischen Rundfunk feststellte. Der Politik-Journalist hat mit seiner witzig-lebendigen Art viel dazu beigetragen, dass die Anhörung Schwung hatte. Vor allem brachte er Politiker und Schüler miteinander ins Gespräch, indem er beiden Seiten spontane Fragen stellte: Als er zwei Mädchen miteinander tuscheln sah, fragte er sie, ob sie sich über die behandelten Themen unterhalten würden: „Nicht direkt“, entgegneten sie ehrlich. Ob sie denn kein Interesse an Umweltpolitik hätten, hakte Jarcyk nach. „Doch, sehr sogar, aber ich habe den Eindruck, dass die Politiker aller Fraktionen nur um den heißen Brei herumreden“, sagte eine von ihnen und erntete dafür den langanhaltenden Applaus ihrer Mitschüler. „Sie kommen nicht an, meine Damen und Herren“, schlussfolgerte Jarcyk aus Einwänden anderer Schüler, die Politiker würden nicht direkt auf Fragen antworten. „Befürworten Sie eine Erhöhung der Beimischung von Biokraftstoffen auf 10 Prozent?“, „Warum gibt es keine von den Automobilkonzernen unabhängige Forschung?“ Als abschweifend und ausweichend empfanden die Schüler einige der Antworten auf diese Fragen. Deshalb hakten sie teilweise erfolgreich nach. Beispielsweise stellte sich bei der diffizilen Biokraftstoffe-Frage nach längerer Diskussion heraus, dass kein Politiker verantworten möchte, dass Menschen hungern, weil Lebensmittel als Energiequelle genutzt werden. „Lieber habe ich was auf dem Teller zu essen als im Tank“, brachte es Wörner auf den Punkt. Aber es gab auch Verständnis dafür, dass die Politiker die Positionen ihrer Fraktionen in ihren Reden unterzubringen versuchten. Denn allen war klar, dass ein Politiker in seiner Rede nicht nur für sich selbst spricht. „Ist irgendwie auch logisch, sonst hätten die ja nach außen hin so ein Chaos wie wir eben in unserer Arbeitsgruppe“, flüsterte eine Schülerin ihrer Nachbarin zu. Richtig turbulente Stimmung kam gegen Ende der Veranstaltung auf: bei der Frage nach der Notwendigkeit eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Diese richtete Gruppensprecherin Hanna Starz an Thalhammer, dessen Partei, die FDP, bekanntlich vehement gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen ist. „Ich finde, in unserem Land gibt es bereits genügend Verbote. Da brauchen wir nicht auch noch ein Tempolimit“, versuchte es Thalhammer zunächst mit dem Freiheitsgedanken. Manche Leute wollten halt lieber schneller fahren. Ob er mit Begriffen wie Umweltschutz und Sicherheit gar nichts anfangen könne, konterte eine Schülerin aus dem Publikum. Tatsächlich gelang es ihr, den mit 30 Jahren jüngsten Abgeordneten des bayerischen Parlaments aus der Reserve zu locken: „Es ist doch gefährlich, wenn sich einer nachts in Tirol auf der Autobahn ans 80-Stundenkilometer-Limit hält und einschläft“, sagte er. Empörtes Raunen verbreitete sich im Saal. „Was sehen Sie denn als größere Gefahr, die CO2-Belastung durch hohe Geschwindigkeit für die ganze Welt. Oder dass die FDP nachts auf der Autobahn einschläft?“, wollte eine Schülerin wissen. Damit war das Feuer auf Thalhammer eröffnet. Da zeigte sich, was passiert, wenn ein Politiker seine eigene Meinung allzu flapsig äußert. Vielleicht konnte Thalhammer ob der verbalen Attacken ein bisschen nachvollziehen, was sein Parteichef Guido Westerwelle wegen seiner Hartz-IV-Äußerungen erlebt hat. (Alexandra Kournioti)

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