Landtag

Egal ob Neubau, Umbau oder Wohnungskauf: Vor allem Wohnraum für alte, behinderte oder studierende Menschen wird gefördert. (Foto: dpa)

24.06.2016

"Im Frühjahr ist der Fördertopf immer noch voll"

Wohnen und bauen: Was unternimmt die Staatsregierung gegen den Wohnungsmangel, und welche Förderungen erhalten Hausbesitzer, Investoren und Kommunen?

Die Fuggerei in Augsburg ist die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt. 1521 stiftete Jakob Fugger „der Reiche“ die Reihenhäuser für rund 4000 mittellose Menschen. Vier Personen teilten sich damals 60 Quadratmeter – in diesen Grundrissen leben bedürftige katholische Bürger bis heute. Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten sich in den spendenfinanzierten Augsburger Baracken vier gestrandete Menschen 54 Quadratmeter Wohnfläche. Heute leben vier anerkannte Asylbewerber in einer vom Freistaat bereitgestellten Wohnung auf einer Fläche von 44 Quadratmetern.

„Die Geschichte schreitet also nicht immer positiv nach vorne“, resümiert die asylpolitische Sprecherin der Grünen Christine Kamm beim Vernetzungstreffen Integrationspolitik zum Thema „Bauen und Wohnen“ im Landtag. Die Abgeordnete hält die Entwicklung für „grenzwertig“. „Wir bräuchten jedes Jahr 70 000 neue Wohnungen“, erklärt der wohnungspolitische Sprecher der Grünen Jürgen Mistol. „Letztes Jahr wurden allerdings nur 50 000 fertiggestellt.“ Die Mittel für den Wohnungsbau blieben dennoch auf dem gleichen Niveau. Bauminister Joachim Herrmanns (CSU) „Wohnungspakt Bayern“ (siehe Infokasten) soll zwar bis 2019 rund 28 000 neue staatlich finanzierte oder geförderte Mietwohnungen bringen. „Wir stellen uns aber mehr vor“, kritisiert Mistol. Grund: Zur gleichen Zeit läuft bei 25 000 Wohnungen die Sozialbindung aus.

„Beim Wohnungsbau passiert leider viel zu wenig“ räumt Gottfried Weiß von der Obersten Baubehörde im Bauministerium ein. Allein in München warteten seit Jahren 12 500 Haushalte auf eine geförderte Wohnung. Doch nur 89 der 2056 Gemeinden haben kommunale Wohnungsgesellschaften. Gemeinden mit dem Ziel, Leerstände zu revitalisieren, müssen sich laut Weiß an die Städtebauförderung, Privatinvestoren mit dem Ziel, günstigen Wohnraum zu schaffen, an die Wohnraumförderung wenden. Gefördert würden neben dem Neu- und Umbau von Mietwohnungen der Bau und Erwerb von Wohneigentum sowie Wohnraum für alte, behinderte oder studierende Menschen.

Unterm Strich entstehen bis 2019 nur 3000 neue Wohnungen

Das bayerische Wohnungsbau- und Modernisierungsprogramm mit Zinsvergünstigungen und tilgungsfreien Darlehen ist nach Ansicht von Weiß ein weiteres „Zuckerl“ für Investoren. 2014 hätten dadurch über 2200 Mietwohnungen neu gebaut und 1600 Wohnungen modernisiert werden können. Beim Neubau sind laut Weiß die DIN-Normen zwingend einzuhalten. „Im Bestand urteilen wir aber nach Augenmaß – nicht nach DIN.“ Einziger Wermutstropfen in letzter Zeit: Bei schnell gebauten Neubauten sei die Energieeffizienz in den Hintergrund getreten.

Für die Förderung von Mietwohnraum sind die Bezirksregierungen beziehungsweise in München, Nürnberg und Augsburg die Städte zuständig. Für die Förderung von Eigenwohnraum wiederum sind die Kreisverwaltungsbehörden verantwortlich. Wer studentischen Wohnraum gefördert haben will, muss sich an die Oberste Baubehörde wenden. Weiß rät, Förderungsanträge im Frühjahr zu stellen: „Da ist immer noch viel Geld da.“ Wenn es in Einzelfällen zu Ablehnungen komme, sollten sich die Bauherren direkt an ihn wenden.

Das kommunale Wohnungsbauförderprogramm sieht sogar noch höhere Zuschüsse vor – davon profitieren allerdings nur Gemeinden. „Wenn der Freistaat Unternehmen auf diese Weise fördert, wird das beihilferechtlich relevant“, erklärt Weiß. Das wäre dann nach EU-Recht illegale Begünstigung, weil sie den Wettbewerb verfälscht. „Dürfen denn Kommunen Wohnungsbauunternehmen beauftragen, die dadurch ebenfalls von den Zuschüssen profitieren?“, will Grünen-Frau Kamm wissen. „Gemeinden dürfen nicht sagen ‚Bau was’“, antwortet Weiß. „Aber wenn zufällig was rumsteht, darf ich es als Kommune natürlich kaufen.“ (David Lohmann)

INFO Wohnungspakt Bayern
Der „Wohnungspakt Bayern“ ist ein Maßnahmenpaket der Staatsregierung für mehr preisgünstigen Wohnraum.

1. Säule „Staatliches Sofortprogramm“: Hier baut der Staat auf staatlichen Grundstücken Wohnungen mit reduziertem Wohn- und Baustandard sowie mit befristeter Standzeit für 70 Millionen Euro.

2. Säule „Kommunales Förderprogramm“: Das Vier-Jahresprogramm sieht jährlich 150 Millionen Euro für insgesamt 6000 Wohnungen für Flüchtlinge und andere einkommensschwache Personen vor.

3. Säule „Ausbau der staatlichen Wohnraumförderung“: Mit einem Vier-Jahresprogramm sollen heuer 2500 Mietwohnungsneubauten gefördert werden, die allen Sozialwohnungsberechtigen zur Verfügung stehen. Hinzu kommen rund 1200 Wohnheimplätze für Studenten. Die Zahl der neugebauten Sozialmietwohnungen soll in den Folgejahren kontinuierlich um jährlich 500 Wohnungen gesteigert werden. 2016 stehen dafür vom Bund 401,6 Millionen Euro zur Verfügung, die vom Freistaat jährlich um weitere 56 Millionen Euro auf 547,1 Millionen Euro in 2019 erhöht werden sollen.

Zusätzliche Investitionsanreize: Bayern setzt sich auf Bundesebene gegen eine weitere Verschärfung der Energieeinsparverordnung beim Wohnungsbau und für die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Mietwohnungsneubauten ein. Außerdem erarbeitet die Staatsregierung eine Bundesratsinitiative, mit der das Baugesetzbuch und weitere Rechtsvorschriften geändert werden sollen. (LOH)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.