Landtag

Die Zahl der Studenten der Ingenieurwissenschaften stagniert. (Foto: ddp)

13.08.2010

Ingenieur ist nicht gleich Ingenieur

Zentralverband der Ingenieure im öffentlichen Dienst in Bayern übt Kritik –SPD, FW, Grüne und FDP zeigen Verständnis

Nicht alle Beamtengruppen sind mit dem neuen Dienstrecht, das zum 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, zufrieden. „Aus unserer Sicht ist die Reform nicht gelungen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralverbands der Ingenieure im öffentlichen Dienst in Bayern (ZVI) Christian Drexl der Staatszeitung. Hauptgrund für die Kritik ist, dass das neue Recht laut Drexl zu einer Absenkung der Einstiegsgehälter in der Stufe 2 „im Regelfall um 9 Prozent“ führe. Demnach bekämen Ingenieure ein Grundgehalt von 2335,23 Euro statt wie bislang 2565,99 Euro. Das mache den öffentlichen Dienst unattraktiv und könne somit mittelfristig zu einem Ingenieurmangel in der Verwaltung führen.
Betroffen seien Absolventen von Fachhochschulen und Bachelorstudiengängen. „Sie werden trotz erfolgreich abgeschlossener akademischer Ausbildung beim Eintritt in den öffentlichen Dienst zu Anwärtern ernannt und damit mit Studienanfängern an Beamtenfachhochschulen gleichgestellt“, moniert Drexl.
Ohnehin müssten FH- und Bachelor-Ingenieure des öffentlichen Dienstes gegenüber ihren Kollegen in der freien Wirtschaft zurückstecken: Der bayerische Staat biete ein durchschnittliches erstes Jahresgehalt von 30 500 Euro. In nichtstaatlichen Unternehmen würden um die 40 000 Euro gezahlt. „Der sichere Beamtenjob darf nicht der einzige Anreiz sein, in die öffentliche Verwaltung einzutreten“, springt Stefan Schuster (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für den öffentlichen Dienst, den Ingenieuren bei. Seine Fraktion und die Grünen lehnten die Dienstrechtsreform ab.
Besagte Absenkung tangiert allerdings nicht die gesamte Zunft: Ingenieure mit Uni-Abschluss werden in der öffentlichen Verwaltung höher eingestuft. Für FH- und Bachelor-Absolventen fordert Drexl: „Wir erwarten, dass Ministerpräsident Horst Seehofer die letztlich vom Staatsministerium der Finanzen zu verantwortenden Fehler bereinigt und dass die FDP ihre vor der Wahl angekündigte Aussage, dass Diplom-Ingenieuren (FH) der direkte Zugang zum höheren Dienst eröffnet wird, einhält.“
Auf dem freien Markt gibt es längst eine Ingenieurlücke: Im Mai 2010 fehlten deutschlandweit rund 35 000 Ingenieure. In Bayern wurden ein Jahr zuvor 9000 Ingenieure gesucht. Zwischen 2010 und 2020 werden rund 470 000 Ingenieure in der Bundesrepublik ihren Ruhestand antreten. Allein im Bereich der Bauingenieure werden bayernweit 5000 gebraucht. Derzeit studieren allerdings nur 3200.
Momentan gibt es im öffentlichen Dienst Bayerns keinen Ingenieurmangel. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass in einzelnen Bereichen bereits erste Schwierigkeiten auftreten, geeignete Bewerber zu finden“, sagt Ingrid Heckner, Vorsitzende des Ausschusses für den öffentlichen Dienst. Dieses Thema sei jedoch bislang in den aktuellen Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2011/2012 noch von keinem Fachministerium angemeldet worden. Mit der Stärkung des Leistungsprinzips würden die Karrieremöglichkeiten der Ingenieure im öffentlichen Dienst verbessert. Die neue durchgehende Leistungslaufbahn eröffne speziell für FH-Ingenieure „zusätzliche Perspektiven“: „Während es früher für Ingenieure mit FH-Abschluss kaum möglich war, in den höheren Dienst aufzusteigen, konnte durch das neue Dienstrecht gerade für diese Gruppe eine entscheidende Verbesserung erreicht werden“, sagt Heckner. Wie sich die von ihr angesprochene modulare Qualifizierung auswirken wird, ist laut Schuster offen. Er plädiert für deutliche finanzielle Anreize bei den Einstiegsämtern.
Im Maschinenbau und der Elektrotechnik wird laut Peter Meyer (Freie Wähler), Sprecher für den öffentlichen Dienst das Bewerberangebot bereits jetzt dünner. „Ich sehe aber insbesondere für FH-Ingenieure eine gute Möglichkeit des Aufstiegs“, sagt Meyer. Anders als auf dem freien Markt unterscheide der Staat nach einigen Jahren Berufserfahrung bei der Bezahlung nicht zwischen FH- und Uni-Ingenieuren. Vorausgesetzt modulare Fortbildung und leistungsbezogene Besoldung kämen zum Tragen.
Für Adi Sprinkart, Sprecher für den öffentlichen Dienst der Grünen, gehören die Diplom-Ingenieure (FH) und Bachelors of Engineering „eindeutig zu den Verlierern der Dienstrechtsreform“. Diese führe bei mehr als 95 Prozent von ihnen zu einer Absenkung der Einstiegsgehälter. Deshalb muss die Eingangsbesoldung seiner Meinung nach deutlich angehoben werden. Sprinkart: „Damit die Einkommen einigermaßen mit denen in der freien Wirtschaft Schritt halten können.“ Sonst werde sich der allgemeine Ingenieurmangel „auch sehr schnell auf den öffentlichen Dienst durchschlagen“.


Thomas Hacker sieht
Verbesserungsbedarf


Das sieht Thomas Hacker, Fraktionschef der FDP, genauso: „Es ist zu befürchten, dass sich der Fachkräftemangel bei den Ingenieuren vor allem auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung auswirken wird, da diese als Arbeitgeber im Vergleich zur freien Wirtschaft an Attraktivität verloren hat.“ Zwar setze das neue Dienstrecht die richtigen Akzente, um einer Ingenieurlücke zu begegnen. Hacker bedauert aber, dass „die gebotene Erhöhung des Eingangsamtes für extern ausgebildete Ingenieure“ nicht in Angriff genommen wurde.
Indes scheint das letzte Wort nicht gesprochen zu sein. Laut Hacker hat die FDP eine Evaluation zum neuen Dienstrecht in Auftrag gegeben. „Aller Voraussicht nach“ werde diese zum Ergebnis kommen, bei den Ingenieuren nachzubessern. Hacker: „Die Liberalen werden sich dafür stark machen, dass in absehbarer Zeit das Eingangsamt für externe Ingenieure auf A11 angehoben wird.“ Dies entspricht mindestens 2833,30 Euro monatlichem Grundgehalt.(Alexandra Kournioti)

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