Landtag

In der Jugendbefragung des Landkreises Würzburg wurde auch nach Geldsorgen, Cybermobbing, Gesundheit und Liebeskummer gefragt. (Foto: loh)

16.02.2018

Intime Fragen im Klassenzimmer

Manche Jugendbefragungen an Schulen sind rechtlich fragwürdig, kritisieren die Grünen – und bekommen Unterstützung vom Datenschutzbeauftragten

An Schulen in Bayern werden regelmäßig sogenannte Jugendbefragungen durchgeführt. Dadurch soll herausgefunden werden, wie Jugendliche leben. Die Ergebnisse sollen dann zu konkreten Maßnahmen in der kommunalen Jugendarbeit führen. Erstaunt war die Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina allerdings, als bei der Jugendbefragung 2017 im Landkreis Würzburg nach Geldsorgen, Cybermobbing, Gesundheit, Liebeskummer und sehr detaillierten personenbezogenen Daten gefragt wurde. „Die Zielgerichtetheit der Fragen im Hinblick auf zukünftige Jugendpolitik halte ich teilweise für sehr fraglich“, sagt Celina der Staatszeitung.

Bei Befragungen an Schulen gelten ganz besondere Jugendschutzvorschriften, insbesondere in Bezug auf den Datenschutz. Wichtig ist vor allem, dass die Freiwilligkeit und Anonymität gewährleistet ist. „Faktisch stand aber im Landkreis Würzburg weder die Freiwilligkeit auf dem Bogen, noch war die Anonymität gewährleistet“, klagt Celina. Die Abgeordnete wollte daher von der Staatsregierung wissen, ob die einzelnen Fragebögen mit den Rechtsgrundlagen und Zielen der Jugendbefragungen vereinbar ist.

Das Sozialministerium schreibt in seiner Antwort, dem Landratsamt Würzburg sei die Genehmigung einer Jugendumfrage an öffentlichen Schulen nicht erteilt worden. Sie erfülle nicht „die inhaltlichen Grundvoraussetzungen für die Genehmigung“, hieß es damals. Allerdings gestattete das zuständige Kultusministerium, die Fragebögen über die Schulen zu verteilen, zu Hause ausfüllen zu lassen und über die Schulen wieder einzusammeln. „Sowohl die Jugendlichen als auch die beteiligten Schulen und Elternbeiräte wurden vorab [...] über die Freiwilligkeit der Teilnahme informiert.“

Auch die zum Teil sehr direkten Fragen findet das Ressort von Sozialministerin Emilia Müller (CSU) nicht verwerflich. Die Regierung von Unterfranken habe dazu eine rechtsaufsichtliche Prüfung durchgeführt und weder ein Fehlverhalten noch eine Rechtswidrigkeit festgestellt. „Dieser Ansicht schließt sich die Staatsregierung an.“ Die Anonymität sei ebenso gewährleistet, da die gewonnenen Daten nicht vom Landratsamt, sondern von der Universität Würzburg ausgewertet würden. Danach würden die Daten gelöscht, sodass keine Möglichkeit besteht, „aus einzelnen Fragebögen Rückschlüsse zu ziehen“, ist das Ministerium überzeugt. Für weitere Fragen solle sich die Abgeordnete Celina an die Kommunen wenden, die für die örtliche Kinder- und Jugendhilfe zuständig sind.

Celina nennt die Antworten der Staatsregierung „dürr und dünn“. „Ich habe die Beantwortung der Anfrage inzwischen formell beanstandet, weil es sich meines Erachtens um rechtsaufsichtliche Tätigkeiten der Staatsregierung handelt – nicht um kommunale Zuständigkeiten.“ Sie befürchtet, dass der Fall in Würzburg nicht der einzige ist, bei dem die Befragung durchgehend schief ging. Rückendeckung erhält sie vom bayerischen Datenschutzbeauftragten.

In der Antwort auf einen Beschwerdebrief von betroffenen Eltern, der der BSZ vorliegt, schreibt die Behörde, die Herstellung eines Personenbezugs sei „sehr wahrscheinlich möglich“. Auch hätte in der Umfrage ein Datenschutzhinweis enthalten sein müssen. Die Datenschutzbehörde kündigte daher an, dem bayerischen Landesjugendamt als überörtlichem Träger „die datenschutzrechtlichen Bedenken“ mitzuteilen und „Empfehlungen zur datenschutzkonformen Umsetzung“ künftiger Jugendbefragungen zu geben.

Die Grünen im Landtag haben zusätzlich einen Antrag verfasst (siehe Info). Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, dem Sozialausschuss detailliert über die Durchführung von Jugendbefragungen in Bayern zu berichten. Ob der Berichtsantrag die erforderliche Mehrheit bekommt, entscheidet sich im März. (David Lohmann)

INFO: Jugendbefragungen in Bayern
Grundlage: Um passende Betreuungsangebote bereitzustellen, sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß Paragraph 80 des achten Sozialgesetzbuchs (SGB) die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen junger Menschen und ihrer Eltern ermitteln.

Fragen: Um die Bedürfnisse besser einordnen zu können, werden auch persönliche Daten erhoben. Dazu gehören zum Beispiel Geschlecht, Wohnort, Geburtsjahr, familiäre Situation, Zahl der Geschwister, Muttersprache und Muttersprache der Eltern.

Durchführung: Die Umfragen werden in der Regel mit Genehmigung der Staatsregierung und der zuständigen Schulaufsichtsbehörde durchgeführt. An Schulen müssen auch die Rechte schulischer Gremien beachtet werden. Außerdem müssen bei der Erhebung von umfangreichen persönlichen Daten von Minderjährigen die Eltern ausreichend einbezogen werden – auch wenn die Umfrage freiwillig ist.

Antrag der Grünen: Die Landtagsfraktion fordert einen Bericht der Staatsregierung, um die Einhaltung der oben genannten rechtlichen Vorhaben zu überprüfen. Dabei geht es insbesondere um folgene Fragen: Wo wurden seit 2008 Jugendbefragungen durchgeführt? Wie viele Jugendliche haben daran teilgenommen? Welche Schlussfolgerungen ergaben sich daraus für die Jugendpolitik? Wie wird die Einhaltung des Datenschutzes gewährleistet? Inwieweit wurde auf eine ausreichende Anonymisierung geachtet? Wie werden die Schüler über die Freiwilligkeit der Teilnahme belehrt? Welche Alternativen zur schriftlichen Befragung gibt es? (loh)

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