Landtag

Wie schon 1997 vor dem Amt für Verfassungsschutz demonstrierten auch jetzt wieder Scientologen – dieses Mal vor dem Haus der Kunst. (Foto: dpa)

16.03.2017

"Jede kleine Firma würde schneller handeln"

Minister Spaenle erklärt, warum ein bekennender Scientologe im Haus der Kunst erst nach 22 Jahren entlassen wurde

Nein, antwortete Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) auf die Frage der Opposition im Kunstausschuss, ob er schon länger von dem bekennenden Scientologen in höchster Personalverantwortung im Münchner Haus der Kunst wusste. Er habe zum ersten Mal erst Ende 2015 davon erfahren. Ja, unterstrich Spaenle, er habe anschließend sofort entsprechende Schritte eingeleitet und einen Bericht über die Person angefordert. Und nein, die Entlassung Anfang März nach 22 Jahren sei nicht zu spät gewesen. „Allein die Mitgliedschaft bei Scientology ohne aktives Handeln ist nicht ausreichend für eine Kündigung“, erklärt Spaenle, der auch im Aufsichtsrat des Hauses der Kunst sitzt.

Dem Minister sei das Risiko zu groß gewesen, dass es nach einer verlorenen gerichtlichen Auseinandersetzung heiße, Scientology habe gegen das Haus der Kunst beziehungsweise das Kunstministerium obsiegt. Ob weitere Mitarbeiter Mitglieder der Sekte sind, beantwortete Spaenle in der öffentlichen Sitzung nur vage: Einzelne Mitarbeiter seien in einer „sensiblen, schwierigen Situation“. „Wenn man rechtliche Schritte einleitet, braucht man aber die Belegbarkeit der Informationen.“ Auf der Klausur des Aufsichtsrats Ende April soll über die Neustrukturierung des Personalwesens gesprochen werden.

Die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias beruhigt das nicht. Sie zitierte aus dem bayerischen Verfassungsschutzbericht, der Scientology „ein auf bedingungslose Unterordnung des Einzelnen beruhendes totalitäres Herrschaftssystem unter scientologischer Führung“ nennt. Sie habe zwar Verständnis für eine rechtliche Prüfung im Vorfeld. „Seit 1996 wussten aber die hohen Spitzen des Ministeriums, die Direktoren und alle Mitarbeiter über den Fall Bescheid“, schimpfte die Abgeordnete. An Spaenles Stelle hätte sie Rückgrat gezeigt und den Mitarbeiter bei voller Bezahlung freigestellt. „Es geht schließlich nicht nur um diesen Herrn, sondern um alle 100 Mitarbeiter.“

Warum waren Verwaltung und Leitung des Hauses des Kunst nicht im Ausschuss?

Ausschusschef Michael Piazolo (Freie Wähler) verwunderte es, dass Verwaltung und Leitung des Hauses des Kunst bei der Ausschusssitzung nicht anwesend waren. „Das mutet schon seltsam an“, sagte er. Immerhin sei der Landtag der Haushaltsgesetzgeber. Piazolo kritisierte auch, dass das Thema eineinhalb Jahre vor sich „hinköchelte“, bis Konsequenzen gezogen wurden. „Da würde jede kleine Firma schneller handeln.“

Sepp Dürr (Grüne) beklagte, dass Spaenle viele Fragen im öffentlichen Teil der Sitzung nicht beantworten wollte. Zum Beispiel stand die Frage im Raum, ob der Scientologe als externer Personaldienstleister scheinselbstständig war. „Es geht hier nicht um einen Einzelfall, sondern um Strukturen und wie Verantwortliche damit umgegangen sind“, betonte er. Wenn ein Mitarbeiter auffällig werde, müssten die zuständigen Personen doch tätig werden. „Warum sorgen Sie nicht dafür, dass die Verantwortlichen sich stellen und Rechenschaft ablegen?“, fragte Dürr in Richtung Spaenle. „So viel Power müssen Sie doch haben.“

Ausschussvize Oliver Jörg (CSU) wunderte sich, welche Bewertungen der Geschäftsleitung zugrunde lagen, um keinen Konflikt zwischen einem Mitarbeiter und einer Mitgliedschaft in einer Sekte zu sehen. „Das verwundert mich zumindest“, sagte der Abgeordnete. Abschließend stimmte der Ausschuss bei Enthaltung der SPD-Fraktion einem Berichtsantrag der CSU zu. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, dem Landtag über Vorsorgemaßnahmen zu berichten, wie man verhindern könne, dass Extremisten oder Sektenanhänger mit öffentlichen Aufträgen bedacht werden. (David Lohmann)

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