Landtag

Jährlich kommen 170 000 Besucher in das NS-Dokuzentrum: Dass ein Ausbau nötig ist, bezweifelt deshalb niemand. Foto: (IfZ, Wunschkind)

15.07.2016

Kostenexplosion verursacht Bauchschmerzen

Haushaltsausschuss: Das NS-Dokumentationszentrum auf dem Obersalzberg wird erweitert – für stolze 21 Millionen Euro

Trotz einer Kostenexplosion von 14 auf über 21 Millionen Euro hat der Haushaltsausschuss mehrheitlich der Erweiterung des NS-Dokumentationszentrums auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden zugestimmt. Die Ausstellungsfläche in dem neben Berlin zweiten Regierungssitz Adolf Hitlers soll damit von gut 300 auf 1050 Quadratmeter erweitert werden. Streitpunkt ist die Einbeziehung eines seinerzeit als Bunker genutzten Stollens in den für die Öffentlichkeit zugänglichen Bereich. Wegen der unklaren Bausubstanz wird in dessen Erschließung ein weiteres Millionen-Risiko vermutet. Nach Angaben des Finanzministeriums schlägt die Gestaltung der geplanten Ausstellung mit weiteren 8,4 Millionen Euro zu Buche.

Empörung über „Arroganz“ der Staatsverwaltung

Während die grundsätzliche Notwendigkeit der Erweiterung des Ausstellungsbereichs wegen des auf inzwischen jährlich 170 000 Besucher gestiegenen Andrangs von allen Seiten nicht bezweifelt wurde, stieß die Steigerung der Baukosten fraktionsübergreifend auf heftige Kritik. „Es ist meine eindeutige Forderung, dass diese Baukosten nun einzuhalten sind“, betonte Martin Bachhuber (CSU). Seine Zustimmung erfolge „nur mit großen Bauchschmerzen“. Einen neuerlichen Nachtrag werde er nicht mehr akzeptieren. Ähnlich sahen das die Grünen, während SPD und Freie Wähler einen Kostendeckel deutlich unter 20 Millionen Euro forderten.

Bachhuber empörte sich zudem über den herablassenden Ton in den Stellungnahmen der Staatsverwaltung gegenüber dem Landtag. „So etwas will ich nicht mehr erleben“, polterte er. Sein Fraktionskollege Karl Freller sprach gar von „Arroganz“ und „Missachtung des Parlaments“, der Ausschussvorsitzende Peter Winter (CSU) rügte das Vorgehen der Ministerien in diesem Fall als „nicht akzeptabel“. Sein Stellvertreter Harald Güller (SPD) beklagte, dass jeder Einsparvorschlag der Abgeordneten von der Verwaltung „heruntergebügelt“ worden sei. „Ich habe das Gefühl, dass beim Obersalzberg das Geld überhaupt keine Rolle spielt“, sagte Güller. Seine Fraktion stimmte deshalb auch gegen die Bauvorlage.

Die SPD hatte angeregt, die Maßnahme nur in Form einer „abgespeckten Erweiterung“ und einem fixen Kostendeckel zu genehmigen. So sollte auf den aufwändigen Rundgang durch den Bunker verzichtet werden. „Ich sehe keinen zusätzlichen Erkenntniswert im großartigen Ausbau des Bunkers“, sagte Herbert Kränzlein (SPD). Aus seiner Sicht sei es völlig ausreichend, den Besuchern durch ein Fenster Einblick in die Anlage zu gewähren. Dagegen erklärte ein Vertreter der Obersten Baubehörde, eine Reduzierung des vorgeschlagenen Raumprogramms ginge „an die Grenze der pädagogischen Vermittlung“.

Das hinterfragte Alexander Muthmann (Freie Wähler). „Es geht nicht, dass der Landtag als Geldgeber erklärt, die Erweiterung ist uns zu teuer, und die Verwaltung entgegnet, das ist uns egal“, schimpfte er. Ein solches Verhalten rühre am Selbstverständnis der Parlamentarier. Noch weiter ging Ernst Weidenbusch (CSU). Er bemängelte, dass die Verwaltung den vom Institut für Zeitgeschichte (IfZ) als wissenschaftlicher Betreuer der Ausstellung angemeldeten Raumbedarf einfach übernommen habe. Dabei gebe es im IfZ noch nicht einmal ein Ausstellungskonzept. Bei derart unkritischer Vorgehensweise und gleichzeitiger Missachtung parlamentarischer Vorgaben müsse die Frage erlaubt sein, ob die Oberste Baubehörde nicht von der Verantwortung für das Projekt entbunden werden müsse, stellte Weidenbusch in den Raum.

Einen kritischen Blick auf mögliche Folgekosten richtete Claudia Stamm (Grüne). Noch könne niemand gesichert Auskunft darüber geben, wie es um die Bausubstanz in der Bunkeranlage bestellt sei, da diese noch nicht frei zugänglich sei. In den Unterlagen der Verwaltung sei lediglich von „nicht absehbaren Umständen“ die Rede. Susann Biedefeld (SPD) verwies zudem auf die steigenden Betriebskosten für das Erweiterungskonzept. Diese sollen – wegen der vergrößerten Ausstellungsfläche – von 135 000 auf über 500 000 Euro pro Jahr steigen. Auch dies müsse in der Gesamtschau berücksichtigt werden. „Wenn wir jetzt Ja zu der Vorlage sagen, sagen wir auch Ja zu den völlig unvorhersehbaren Folgekosten“, ergänzte Kränzlein.

Bei aller Notwendigkeit der Ausstellungserweiterung auf dem Obersalzberg stellten mehrere Redner die Frage der Verhältnismäßigkeit. Es stimme ihn nachdenklich, wenn für einen NS-„Täterort“ derart viel Geld ausgegeben werde, während die Träger der KZ-Gedenkstätten als „Opferorte“ oft um kleine Beträge für Sanierungsmaßnahmen betteln müssten, meinte Kränzlein. Der Vorsitzende der Gedenkstättenstiftung, Karl Freller (CSU), erinnerte daran, dass er schon seit Jahren um Zuschüsse für die dringend erforderliche Sanierung des Parkplatz- und des Toilettenbereichs an der KZ-Gedenkstätte Dachau kämpfe. Dafür seien nur rund fünf Millionen Euro nötig. Er stehe zur Ausgestaltung des Obersalzbergs als ordentlichem Dokumentationszentrum, damit dort keine Wallfahrtsstätte für Neonazis entstehe, doch müssten die Gedenkstätten für die NS-Opfer prioritär behandelt werden, betonte Freller. (Jürgen Umlauft)

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