Altersarmut ist selbst im reichen Bayern ein Problem. Zum Stichtag 31. Dezember 2014 waren im Freistaat rund 67 000 Menschen ab 65 Jahren Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Das bedeutet, von 100 älteren Menschen gelten 2,6 als arm. Niedrig ist die Quote mit 1,9 in Oberfranken, hoch mit 3,2 vor allem in Mittelfranken. In der Region München liegt sie bei 3,5, in Nürnberg sogar bei 3,6. Bei den Städten stechen mit jeweils 4,9 insbesondere Regensburg und Würzburg hervor. Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler) wollte daher in seiner Anfrage wissen, wie die Staatsregierung die Entwicklung der Altersarmut in den nächsten Jahren prognostiziert und welche Maßnahmen dagegen unternommen werden.
Das Sozialministerium zeigt sich in seiner Antwort ratlos: „Der Staatsregierung stehen aktuell keine Prognosen zur Entwicklung der Altersarmut in Bayern [...] zur Verfügung.“ Das überrascht insofern nicht, weil die Kosten für die Grundsicherung in Höhe von 646 Millionen Euro im Jahr 2014 vollständig vom Bund getragen werden. Damit zukünftig weniger ältere Menschen auf Unterstützung angewiesen sind, setzt das Ressort von Emilia Müller (CSU) auf drei Säulen: Altersversorgung, Arbeitsmarkt und Integration.
Bei Ersterem verweist das Ministerium auf die Einführung der Mütterrente und die geplante Flexirente, die älteren Menschen einen Hinzuverdienst zur Rente erleichtern soll. Zudem wolle die große Koalition noch bis zur nächsten Wahl die private und betriebliche Altersvorsorge verbessern. Auf dem Arbeitsmarkt setzt die Staatsregierung auf Prävention: So hätten zum Ende des Berufsberatungsjahres 2014/2015 rein rechnerisch für 100 Ausbildungssuchende 1229 unbesetzte Stellen zur Verfügung gestanden. Außerdem gebe es viele weitere Initiativen zur Arbeitsmarktintegration
(siehe Infokasten).
Die Altersarmut ist vor allem weiblich - alte Rollenbilder müssen weg
Um Menschen mit Migrationshintergrund vor Altersarmut zu bewahren, setzt Müller auf einen schnellen Zugang in den Arbeitsmarkt. Für Sprachkurse, Kindertagesstätten, Schulen, Ausbildung, Arbeit und das Wohnungsprogramm stelle ihr Ministerium daher allein im Jahr 2016 über 548 Millionen Euro bereit.
Im Gegensatz zum Freien Wähler Fahn glaubt das Sozialministerium nicht, dass Leiharbeit oder Zeitarbeit Altersarmut begünstigen. „Leiharbeit eröffnet vor allem Arbeitslosen, Geringqualifizierten und Berufsanfängern eine Chance auf Zugang zum Arbeitsmarkt.“ Knapp zwei Drittel der Leiharbeitnehmer kämen aus der Beschäftigungslosigkeit und seien durch das Mindestentgelt umfassend geschützt. Zeitarbeit ist laut Müller nur unter strengen Voraussetzungen möglich und vor allem für Berufseinsteiger eine wichtige Brücke ins Arbeitsleben: „Die Übernahmequote von befristeter in unbefristete Beschäftigung liegt in Bayern bei 36 Prozent.“
Da Frauen gemäß des Sozialberichts wegen Scheidung, Kindererziehung und niedrigem Verdienst besonders von Altersarmut gefährdet sind, ist die „Auflösung von Rollenbildern“ ein wichtiges Ziel der bayerischen Gleichstellungspolitik. Um dies zu erreichen, trage der Freistaat derzeit rund 53 Prozent der Grundkosten der Kinderbetreuung. „Um Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienphase zu erleichtern, unterstützt die Staatsregierung ferner Orientierungs-, Coachings- und Qualifizierungsmaßnahmen“, ergänzt ein Ministeriumssprecher. Nicht zuletzt würden seit diesem Jahr die Pflege Angehöriger in der Rente besser anerkannt und Unternehmen für eine frauen- sowie familiengerechte Arbeitswelt sensibilisiert.
Für Fahn sind die Antworten der Staatsregierung „unbefriedigend“, weil sie keine konkreten Maßnahmen enthielten, um der drohenden Entwicklung entgegenzuwirken. Stattdessen konzentriere sich die Staatsregierung nur auf das Betreuungsgeld und dessen Umsetzung in Bayern.
(David Lohmann)
INFO: Arbeitsmarktinitiativen gegen Altersarmut
Allianz für starke Berufsbildung in Bayern: Ziel ist es, jedem ausbildungswilligen jungen Menschen einen Arbeitsplatz oder eine Alternative bereitzustellen – vor allem leistungsschwächeren Jugendlichen.
Fit for Work: Zentrale Maßnahme ist die Förderung betrieblicher Ausbildungsstellen, für die aus dem Europäischen Sozialfonds für den Zeitraum von 2014 bis 2020 27 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Fördereckpunkte richten sich insbesondere an benachteiligte Jugendliche.
Offensive Zukunft Bayern Teil II: Seit 1997 finanziert die Staatsregierung einen Arbeitsmarktfonds. Aus diesem werden Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, Ältere, Migranten und Jugendliche bei der Qualifizierung und Arbeitsförderung beraten und betreut.
Perspektiven für Familien und Tandem: Das Strukturförderprogramm mit den Modellprojekten in Nürnberg und Fürth verfolgt eine Doppelstrategie: Zum einen sollen Arbeitsmarktmaßnahmen mit eltern- und kindbezogenen Maßnahmen der Jugendhilfe verbunden werden, um das „Weitervererben von Hartz-IV-Karrieren“ zu durchbrechen. Zum anderen sollen spezielle Maßnahmen dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche aus eigener Kraft nicht auf Hartz IV angewiesen sind. Das Projekt läuft allerdings im Juni aus.
Integration durch Ausbildung und Arbeit: Die Vereinbarung sieht vor, bis Ende des Jahres 20 000 Flüchtlingen ein Praktikum, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anzubieten. Bis Ende 2019 sollen so 60 000 Asylbewerber in den Arbeitsmarkt integriert werden. (LOH)
Kommentare (1)