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Erreichbar unter der Nummer 116 117: Die Firma Gedikom in Bayreuth organisiert den ärztlichen Bereitschaftsdienst im Freistaat. (Foto: dpa)

18.03.2016

Medizinstudenten als Bodyguards

Gesundheitsausschuss: Bereitschaftsdienst: Mehr Personal, schnellere Erreichbarkeit und ein besserer Schutz für Ärztinnen

In Niederbayern soll sich zeigen, wie der ärztliche Bereitschaftsdienst der Zukunft aussieht. Nach dessen Reform vor drei Jahren hat die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) in der Pilotregion Straubing-Dingolfing die Bereitschaftspraxen letztes Jahr so angelegt, dass keine zwei Standorte mehr als 25 Kilometer auseinander liegen. In wenig besiedelten Gegenden wurden dazu kleine Krankenhäuser flankierend mit einbezogen. „Damit braucht kein Patient länger als 30 Minuten zur nächsten Bereitschaftspraxis“, schwärmte der stellvertretende Vorsitzende des KVB-Vorstands Pedro Schmelz bei seinem Bericht im Gesundheitsausschuss.

Zu den Kernaufgaben der KVB gehört die Sicherstellung der ambulanten Patientenversorgung außerhalb der üblichen Sprechzeiten. Sie kümmert sich also um Patienten, die nicht auf den Rettungsdienst angewiesen sind, aber auch nicht bis zur nächsten Sprechstunde ihres Arztes warten können. Letztes Jahr vermittelte sie über ihre Zentrale 1,2 Millionen Patienten – davon 500 000 Praxisbehandlungen und 400 000 Hausbesuche. Außerdem gab es 300 000 Beratungsgespräche – „zum Beispiel, wo die nächste Apotheke ist“, erklärt Schmelz. Außerdem seien seit Anfang des Jahres alle Facharztermine innerhalb der gesetzlichen Vier-Wochen-Frist vermittelt worden.

Bayernweit sollen im Zuge der Reform zu den aktuell 61 Bereitschaftspraxen weitere 50 bis Ende 2017 hinzukommen – davon 55 an Krankenhäusern. Dadurch sollen einerseits die Spitale durch die Übernahme von Bagatellfällen entlastet werden. Andererseits soll so die Dienstbelastung für Bereitschaftsärzte ab 22 Uhr reduziert werden. Manche hätten bisher bis zu 1000 Bereitschaftsstunden pro Jahr geleistet, erläutert Schmelz. „Gerade die hohe Dienstbelastung war für den Nachwuchs eine Hemmung, sich im ländlichen Raum niederzulassen.“ Und genau das soll geändert werden. Denn durch den demografischen Wandel sind 35 Prozent der Fachärzte und 40 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre.

110 Bereitschaftspraxen in Bayern bis Ende 2017

Um die Arbeitsbelastung weiter zu reduzieren, wurde der Bereitschaftsdienst pro Dienstkreis von neun auf 15 Ärzte aufgestockt. Um ausreichend Personal zu bekommen, können seit letztem Jahr zudem Nicht-Vertragsärzte am Bereitschaftsdienst teilnehmen. Nachdem die Bayerische Landesärztekammer 51 000 Ärzte angeschrieben hat, haben sich tausende zurückgemeldet, versichert Schmelz. 300 dieser so genannten Poolärzte sind bereits bei der KVB angestellt. Dabei wird streng zwischen Sitz- und Fahrdienst unterschieden: „So muss kein Patient warten, weil der Arzt auf Hausbesuch ist.“ Damit auch Ärzte ohne Erfahrung im Bereitschaftsdienst wissen, wo’s lang geht, werden sie beim Hospitationsmodell von erfahrenen Ärzten begleitet.

Da es immer wieder vorkommt, dass Ärzte im Bereitschaftsdienst angegangen oder sogar angegriffen werden, wird darüber hinaus ein begleitender Fahrdienst eingerichtet. Dieser soll speziell bei Ärztinnen und in der Nacht zum Einsatz kommen. „Zukünftig wird es kein Auto ohne begleitenden Fahrdienst mehr geben“, beteuert Schmelz. Das Personal dafür soll aus dem medizinischen Bereich kommen – die KVB denkt dabei vor allem an Medizinstudenten. Diese hätten das nötige Fachwissen und würden sich dadurch eventuell nach dem Studium gezielt für einen Einsatz im ländlichen Raum entscheiden.

Die Ausschussvorsitzende Kathrin Sonnenholzner (SPD) forderte in der Aussprache, die Bereitschaftsdienstkapazitäten auch mit Hilfe der Telemedizin weiter auszubauen: „Es macht keinen Spaß, am Wochenende zweieinhalb Stunden im Wartezimmer zu sitzen.“ Durch die langen Wartezeiten wichen auch viele Patienten auf die Notaufnahmen in Krankenhäuser aus. Außerdem muss laut Sonnenholzner der Fokus zusätzlich auf den Kindernotärztlichen Dienst gelegt werden: „Das ist ein entscheidender Faktor für junge Familien, aufs Land zu ziehen“, ist sie überzeugt. Lob kommt von der Abgeordneten für die „kreative Idee“, die Studenten als Sicherheitsdienst mit einzubeziehen. Dies gelinge allerdings wahrscheinlich nur im Umfeld von Universitäten und nicht auf dem flachen Land.

„Ich muss zugeben, ich bin positiv überrascht“, resümierte Jürgen Baumgärtner (CSU) den Bericht. Karl Vetter (Freie Wähler) lobte den KVB ebenfalls. Er forderte aber in den nächsten Wochen eine Erklärung, warum es zwar in der Pilotregion Dingolfing zu einem Rückgang, in Straubing aber trotz des Bereitschaftsdiensts zu einem Anstieg der Fallzahlen in der Notaufnahme der Krankenhäuser kam. Uli Leiner (Grüne) kritisierte, dass die augenscheinliche Verbesserung nur durch eine Vergrößerung der Dienstbereiche erreicht wurde. Damit bekämen Ärzte die Rechnung dafür, dass die Belastung immer größer werde, schimpfte er. „Den Ärztemangel wird das nicht beheben.“ (David Lohmann)

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