Landtag

Das rechtsextreme Bündnis Deutscher Patrioten fiel 2016 nicht nur wegen Gewalt gegen Gegendemonstranten auf einer AfD-Veranstaltung auf. (Foto: dpa)

13.04.2017

Mehr Gewalt, wenig Aufklärung

Die rechte Szene in Bayern wurde 2016 noch vielfältiger und aggressiver – „nicht nochmal den gleichen Fehler machen“, warnen die Grünen die CSU

Lob kommt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze beim Lagebericht zum Rechtsextremismus in Bayern nur einmal über die Lippen: Als wegen rechtsextremer Hasskommentare auf Facebook die Wohnungen von zwei Beschuldigten aus Bayern und 58 Mittätern in ganz Deutschland durchsucht wurden, habe die Polizei „super Arbeit“ geleistet. „Wenn online gehetzt wird, kann das im real life schnell in die Tat umgesetzt werden“, erklärt sie. Tatsächlich haben Beleidigungen, Volksverhetzungen und Drohungen im Netz im vergangenen Jahr um mehr als 30 Prozent zugenommen. In der Off-line-Welt fällt Schulzes Bilanz über die Polizeiarbeit in Bayern weniger positiv aus. Vor allem die Aufklärungsquote sei „erschreckend niedrig“.

Insgesamt sind die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte auch 2016 wieder um 22 Prozent auf 94 gestiegen. Die Statistik listet dabei neben Sachbeschdigung, Volksverhetzung und Brandstiftung auch zwei Mordversuche auf. Erstmals fragte Schulze in ihrem jährlichen Anfragenbündel auch ab, wie viele Geflüchtete außerhalb ihrer Asylunterkunft angegriffen wurden. Die Polizei registrierte 2016 laut Innenministerium 29 Fälle – in elf kam es zu einer gefährlichen Körperverletzung. Die zweite große Opfergruppe sind die Flüchtlingshelfer: In 22 Fällen wurden ehrenamtliche Helfer oder Hilfsorganisationen angegriffen. Die Aufklärungsquote liegt nur bei rund 30 Prozent. „Das ist weniger als halb so viel wie die allgemeine Aufklärungsquote in Bayern“, kritisiert Schulze.

Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten. Waren es 2010 noch 1513 Delikte, waren es 2016 schon 2379 – eine Zunahme um fast 60 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich auch die Straftaten im Bereich der rechten Hasskriminalität, also aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht oder Religion, um zwölf Prozent auf 989 erhöht. Die rechtsextreme Szene wird dabei immer aggressiver. Gewalttaten sind seit 2010 von 58 auf 91 im Jahr 2015 und auf 113 im Jahr 2016 gestiegen. Die Zahl der Opfer rechter Gewalttaten hat sogar um 120 Prozent zugenommen. „2016 mussten wir 139 Opfer betrauern“, konkretisiert Schulze.

Die Zahl der Opfer rechter Gewalttaten ist um 120 Prozent gestiegen

Beunruhigend ist für die Grünen auch, dass nach wie vor 62 mit Haftbefehl gesuchte Neonazis untergetaucht sind. Die Zahl sei zwar leicht zurückgegangen. „Darunter befinden sich aber immer noch ein seit 2011 gesuchter mutmaßlicher Mörder und andere schwerste Gewalttäter“, berichtet Schulze. Wie viele Waffen in den Händen von bekannten Neonazis sind, konnte das Ressort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Schulze nicht sagen. Nur, dass 13 Rechtsextremen die Waffenerlaubnis entzogen wurde. Ende 2015 hatten allerdings laut bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) 115 eine Waffenbesitzkarte und drei sogar einen großen Waffenschein. „Ich frage mich, was mit den übrigen ist“, wundert sich die innenpolitische Sprecherin der Fraktion.

Neben NPD, Die Rechte und Der Dritte Weg war 2016 vor allem die Identitäre Bewegung Deutschlands (IBD) im Internet und auf lokaler Ebene aktiv. Seit einem Jahr fällt auch das Bündnis Deutscher Patrioten (BDP) auf. „Die regelmäßige Teilnahme rechtsextremer Gruppierungen wie der IBD und der BDP an den Pegida-Aufmärschen und AfD-Veranstaltungen verdeutlicht deren ideologische Nähe zueinander“, ist Schulze überzeugt. Dennoch steht die BDP als Gruppierung nicht unter Beobachtung des BayLfV. Damit mache die Staatsregierung den gleichen Fehler wie bei den „Reichsbürgern“, die sie ebenfalls lange nicht ernst genommen habe, glaubt die Abgeordnete. Sie fordert daher Konsequenzen auf sicherheitspolitischer, aber auch auf gesellschaftlicher Ebene (siehe Info). „Demokratie“, mahnt sie, „ist nicht erst dann gefährdet, wenn Gewalttaten begangen werden, sondern schon davor.“ (David Lohmann)

INFO: Grüne Forderungen im Kampf gegen rechts
Sicherheitspolitische Maßnahmen:
- Bekämpfung des Rechtsextremismus zur obersten Priorität machen, um Nachahmer abzuschrecken.
- Polizeipersonal umschichten, damit der Ermittlungs- und Fahndungsdruck steigt.
- Bedrohte Einrichtungen wie Flüchtlingsunterkünfte besser schützen und Sicherheitspersonal überprüfen.
- Rechtsextremisten keine Waffenerlaubnis erteilen und bereits erteilte einziehen.
- Virtuelle Polizeiwachen, damit Opfer von Hasskommentaren schneller Anzeige erstatten können.
- Das „Bündnis Deutscher Patrioten“ durch den bayerischen Verfassungsschutz beobachten lassen.
- Rechte Gruppierungen wie Der Dritte Weg verbieten und Bürgerwehren verhindern.

Gesellschaftliche Maßnahmen:
- Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle Demokratie und einer Beratungsstelle für Opfer.
- Einbeziehung zivilgesellschaftlicher und kommunaler Akteure in das Handlungskonzept gegen rechts.
- Ausbau der zivilgesellschaftlichen Aussteigerberatung.
- Schaffung eines Landesprogramms zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Träger.
- Keine schulische Bildungsarbeit durch den Verfassungsschutz, sondern von bildungspolitischen Trägern.
- Community Coaching: Stärkung der Kommunen im Einsatz gegen Rechtsextremismus.
- Umfassende Bestandsaufnahme bisheriger Projekte und Studien über das Denken der Bevölkerung. (loh)

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