Landtag

Früh übt sich, wer ein Kulturgänger werden will. (Foto: Bilderbox)

25.05.2012

Nicht alle Wege führen nach Rom

Talk im Max: "Provinzkultur" im Schatten der Metropolen? – SPD-Landtagsfraktion diskutiert über Bedingungen in Stadt und Land

Die alten Römer kannten nur ein Kriterium, um zwischen Metropolen und Regionen zu unterscheiden: Alles jenseits der Kapitole Rom betrachteten sie als Provinz. Diese schlichte Unterscheidung übertragen auf bayerische Verhältnisse veranlasste Dieter Rossmeissl, Kulturreferent der Stadt Erlangen, zu folgender Überlegung: „Wir befinden uns in Erlangen 160 Kilometer entfernt von München. Wenn es danach geht, hocken wir in der Provinz. Wir könnten aber auch so argumentieren, dass wir Kultur in der Metropolregion Nürnberg machen.“
Es war nicht der einzige ironisch-differenzierte Beitrag Rossmeissls, der Pepp in die Podiumsdiskussion „Talk im Max“ brachte. Gemeinsam mit Gisela Geiger, Leiterin des Stadtmuseums Penzberg, Julian Nida-Rümelin, ehemaliger Kulturstaatsminister, und Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters und Leiter der Oberammergauer Passionsspiele, war er zu folgendem Thema eingeladen: „,Provinzkultur’ im Schatten der Metropolen“. Moderiert hat das Gespräch Isabell Zacharias, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, die sich als schlagfertiges Naturtalent erwies.

"Leuchttürme werfen Schlagschatten"

Den Titel der Veranstaltung hätte man auch so verstehen können: Werden musische Leistungen aus den bayerischen Regionen tendenziell unterschätzt? Gehen sie neben dem großteils massiv beworbenen Angebot einflussreicher Kultureinrichtungen in den Metropolen zwangsläufig unter? Was hat beides mit dem negativen Nimbus zu tun, die Kultur aus kleinen Orten und kleinen Einrichtungen häufig reflexhaft nachgesagt wird? Wie ist die Vokabel Provinzkultur überhaupt gemeint? Als Herkunftsbezeichnung oder als Bewertungskategorie?
Um all das ging es aber nicht, das war auch nicht möglich: Mit drei Vertretern aus Oberbayern – Geiger, Nida-Rümelin und Stückl – neben dem Mittelfranken Rossmeissl ließ sich kein repräsentatives Bild der kulturellen Landschaft Bayerns skizzieren. Letztere ist nicht nur geografisch zu verstehen: Beispielsweise waren keine Vertreter der Laien- und Jugendkultur auf dem Podium vertreten, die so genannte Hochkultur dagegen stark. Naturgemäß beschäftigte sich das Quartett intensiv mit ihr. Beziehungsweise damit, wie schwierig es sei, diese zu vermitteln – egal, ob in der Metropole oder in der Provinz.
Als Beispiel nannte Rossmeissl das Porzellanmuseum im oberfränkischen Selb. „Das erfährt überregional große Resonanz – regional aber nicht.“ Das Münchner Opernhaus sei ein weiteres Exempel: „Wenn sie eine Oper für die Bevölkerung wäre, dann müsste man nicht reflexhaft mit New York und sonst wem konkurrieren“, sagte der Erlanger Kulturreferent.

"Natur ham ma, Kultur, was mach ma?"

Seine Argumentation untermauerte Geiger mit ihren Erfahrungen. Sie leitet ein Haus, das mit den Gemälden des Expressionisten Heinrich Campendonk zwar eine populäre Stilrichtung präsentiert und das mit seiner räumlichen Nähe zu den Kulturstätten in Murnau und Kochel in den massenkompatiblen Kontext Blauer Reiter eingebettet ist. Dennoch: „Die Penzberger kommen erst, wenn die Münchner schon da waren und sagen, dass da etwas zu sehen ist“, berichtete sie. Das von ihr geleitete Museum liegt 50 Kilometer von der bayerischen Landeshauptstadt entfernt.
Um Campendonks Kunst bei der einheimischen Bevölkerung bekannter zu machen, setzt Geiger auf Schulprojekte. Ein Ansatz, für den auch Nida-Rümelin warb: frei zugängiges Kulturangebot an den Schulen, die wiederum ganztägig ausgebaut werden müssten. „Allerdings habe ich den Eindruck, dass man im bayerischen Kultusministerium die Ganztags- mit der Gesamtschule verwechselt, nur weil beides mit G anfängt“, spottete er.
Der aus Oberammergau stammende Stückl vertrat wiederum die Ansicht, dass Hochkultur nicht flächendeckend – übersetzt: nicht in der Region – geboten werden könne. Als hinderlich beschrieb er unter anderem die in kleineren Orten häufig von der Tourismusbranche geforderte Fusion aus Natur und Kultur: „Da denkt sich der Mensch am Land: ,Natur ham ma. Kultur, was mach ma?’“
Dankenswerterweise wies Rossmeissl auf einen Aspekt hin, den Stadt und Land gemeinsam haben. In beiden gebe es Leuchtturmprojekte: „Die haben die Eigenschaft, Schlagschatten zu werfen. Und in dem steht die Laienkultur – sowohl in der Metropole als auch in der Region.“ (Alexandra Kournioti)

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