Plenum: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung, Mindestabstandsregelungen für Windräder einzuführen, empört die Opposition
Die Staatsregierung hat ihren seit Langem angekündigten Gesetzentwurf zur Einführung neuer Mindestabstandsregeln für Windkraftanlagen in den Landtag eingebracht. Er sieht vor, dass Windräder künftig nur noch genehmigt werden können, wenn sie im Abstand vom mindestens 10-fachen ihrer Höhe (10H) zur nächsten Wohnbebauung errichtet werden. Ausnahmen davon sind nur möglich, wenn alle von dem Projekt betroffenen Kommunen geringeren Abständen zustimmen. Die Genehmigung von Windrädern würde damit ins Ermessen der Kommunen rücken, außerdem wären darüber Bürgerentscheide möglich.
Innenminister Joachim Herrmann erklärte, dass die derzeit gültige Abstandsregel von maximal 800 Metern im Baugesetzbuch des Bundes aus dem Jahr 1986 stamme, als Windräder noch nicht über 200 Meter hoch waren. Die Auswirkungen auf die Anwohner hätten sich also massiv verändert. „Wir wollen die Energiewende nicht brutal über die Köpfe der Menschen hinweg durchsetzen“, bekundete Herrmann. Die bayerische Regelung, die die Genehmigung von Windrädern in die Bauleitplanung der Gemeinden überführe, bedeute eine „klare Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ und der Bürgerbeteiligung. Die Energiewende sah Herrmann damit nicht gefährdet. „Dort, wo Windräder die Zustimmung der Bürger finden, ist ihr Bau auch unter 10H möglich“, betonte er. Die Staatsregierung führe „keinen Ritt gegen die Windkraft, wir nehmen nur Rücksicht auf die Wohnbevölkerung“.
SPD-Generalssekretärin Natascha Kohnen bezweifelte dies. „Mit der 10H-Regelung wird das Totenglöcklein für die Windkraft geläutet“, sagte sie. Ministerpräsident Horst Seehofer habe diese Formel „aus einem Bauchgefühl heraus“ und ohne fachliche Begründung ins Spiel gebracht. „10H ist eine reine Willkür des Ministerpräsidenten“, so Kohnen. Als Folge daraus werde Windkraft nur noch auf 0,86 Prozent der bayerischen Landesfläche möglich sein, fast die Hälfte davon seien auch noch Landschaftsschutzgebiete. Wie damit und mit dem Verzicht auf neue Stromtrassen bis 2021 jene fast 50 Prozent Atomstrom in Bayern ersetzt werden sollen, bleibe ein Geheimnis, meinte Kohnen.
Als „stümperhaft“ bezeichnete Martin Stümpfig (Grüne) das Vorgehen der Staatsregierung. Deren Gesetzentwurf sei „fachlich ein Fiasko und rechtlich kaum haltbar“, urteilte er. Wenn nun auch Nachbargemeinden eines Windkraftprojekts ein Veto-Recht bekämen, sei Windkraftnutzung in Bayern künftig praktisch unmöglich.
Eva Gottstein (Freie Wähler) nannte die Energiepolitik Seehofers „nicht glaubwürdig“. Die 10H-Regel sei zum Schutz der Wohnbevölkerung nicht nötig, sie stelle Vorleistungen von Kommunen und Bürgern in Windkraftprojekte in Millionenhöhe in Frage und bremse die nachgewiesen günstigste erneuerbare Energie aus. Nicht zuletzt aus diesen Gründen hätten sich zahlreiche Wirtschafts-, Kommunal- und Umweltverbände gegen die 10H-Regel ausgesprochen.
Die Finten der Opposition
Die Debatte zum Gesetzentwurf über die Einführung der 10H-Regel für neue Windkraftanlagen war begleitet von mehreren parlamentarischen Finten der Opposition. Zunächst verlangten die Grünen die Absetzung des Punktes von der Tagesordnung, da die nötige Länderöffnungsklausel im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Bundes noch nicht rechtskräftig sei. „Sie machen mit ihrem Gesetzentwurf viel Wind, stehen damit aber im luftleeren Raum“, wandte sich Grünen-Geschäftsführer Thomas Gehring an die Staatsregierung. Nach einer Anhörung des Bundestags und der Ablehnung der Klausel im Bundesrat sei offen, ob es Bayern überhaupt erlaubt werde, eigene Mindestabstände festzulegen.
Florian Streibl (Freie Wähler) sprach vor diesem Hintergrund von einem „Akt der Staatsanarchie“. Dagegen verteidigte Josef Zellmeier (CSU) das Vorgehen. Man beginne bereits jetzt mit der Beratung des Gesetzes, um es nach Vorliegen der bundesrechtlichen Genehmigung rasch verabschieden zu können, erläuterte er. Dass diese gemäß des Koalitonsvertrags von Union und SPD kommen werde, daran habe er keine Zweifel, so Zellmeier.
Die anschließende Debatte in der Sache musste dann unterbrochen werden, weil die Grünen mit kleinen Papp-Windrädern auf ihren Pulten für die Windkraft demonstrierten. Derartige Aktionen sind nach der Geschäftsordnung des Landtags nicht erlaubt. „Ich fahre nicht mit der Tagesordnung fort, bis diese Ordnungsstörung beendet ist“, forderte Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) die Grünen auf. Dies führte zu lautstarken Protesten. Erst nach einigen Minuten räumten die Grünen ihre Pulte wieder ab.
Am Ende der Aussprache entging die CSU nur knapp einer peinlichen Abstimmungsniederlage. Zur weiteren Beratung sollte der 10H-Gesetzentwurf in den Wirtschaftsausschuss verwiesen werden – eigentlich ein Formalie. Doch die Opposition votierte geschlossen dagegen und überstimmte damit die nur spärlich anwesende CSU-Fraktion. Obwohl Bocklet die Mehrheit eindeutig bei der Opposition sah, zweifelte die CSU das Ergebnis an und forderte einen Hammelsprung. Zu diesem strömten die CSU-Abgeordneten aus allen Teilen des Landtags in den Plenarsaal und stellten so ihre Regierungsmehrheit doch noch sicher. (Jürgen Umlauft)
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