Landtag

Wer darf hier rein? Journalisten bei der Besichtigung des Gerichtssaales, in dem der NSU-Prozess stattfinden soll. (Foto: Getty)

26.04.2013

Querelen vor dem Schreckensprozess

NSU-Prozess: Mit dem Akkreditierungsverfahren per Los droht neuer Ärger - ist eine Videoübertragung die Lösung?

Bunte, Nationalzeitung und Ostseezeitung in der ersten Reihe, SZ, Bayerische Staats-
zeitung und Bild bleiben draußen? So könnte es kommen: Weil das Münchner Oberlandesgericht für die Presseakkreditierung zum NSU-Prozess ein Losverfahren wählt, entscheidet jetzt der Zufall, welche Medien im Gerichtssaal sitzen. Derweil plädiert der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses NSU im Landtag für eine Videoübertragung.
Manches versteht man einfach nicht. Zum Beispiel: Warum hat sich das Münchner Oberlandesgericht erneut verschanzt, nachdem Karlsruhe ein neues Presse-Akkreditierungsverfahren für den NSU-Prozess verlangte? Warum hat der Vorsitzende Richter auch diesmal nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Gespräch mit Journalistenvertretern ein allseits akzeptiertes Akkreditierungsverfahren zu finden?
Statt einer einvernehmlichen Lösung präsentierte das Oberlandesgericht vergangene Woche nun eine Pool-Lösung, die formal zwar nicht zu beanstanden ist, aber gleichwohl für Verdruss sorgt – aus diversen Gründen: Weil Medien, die im ersten Durchlauf bereits bereits akkreditiert waren, nun ihre Plätze verlieren und sich neu bewerben müssen. Weil Online-Medien in den drei für die Akkreditierung vorgesehenen Pools gar nicht vorkommen – ebensowenig wie freie Journalisten. Weil Journalisten, die den Gerichtssaal während der Verhandlung mal verlassen, ihren festen Sitzplatz verlieren. Am 29. April wird das Gericht die – wie bisher – 50 festen Presseplätze unter Aufsicht eines Notars verlosen.
Derweil mehren sich die Stimmen, die dafür plädieren, den am 6. Mai beginnenden Prozess per Video in einen Nebenraum des Gerichts zu übertragen. Prominentester Befürworter: der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz. Er schrieb in der Süddeutschen Zeitung, die Videoübertragung in einen zweiten Raum sei in diesem Fall „unumgängliche richterliche Pflicht“. Winfried Hassemer, ebenfalls ehemaliger Bundesverfassungsrichter, pflichtete ihm bei: Eine Videoübertragung, erklärte Hassemer diese Woche in einem Interview, „wäre der Weg, von dem ich denke, man könnte ihn gehen“. Man würde mit einer solchen Übertragung „den Gerichtsaal gewissermaßen vergrößern“.

Franz Schindler, Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses, plädiert für die Videoübertragung


Auch Franz Schindler (SPD), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag, bezeichnete die Videoübertragung jetzt im Gespräch mit der Bayerischen Staatszeitung als „gangbaren Weg“. „Das wäre eine Maßnahme zur Beruhigung und ist rechtlich kein so großes Problem“, glaubt Schindler. Das wird sich bald zeigen: NSU-Opferanwälte wollen eine Videoübertragung erzwingen und haben dazu einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Namhafte Juristen haben sich in der Vergangenheit skeptisch geäußert. Sie verweisen etwa darauf, dass ein Richter den Gerichtsaal im Blick haben müsse. So warnt der Präsident des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, vor einer Videoübertragung: „Ich würde nicht behaupten, dass das in jeder Weise unbedenklich wäre.“
Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) will für künftige Fälle Rechtsklarheit schaffen und im Gerichtsverfassungsgesetz die Möglichkeit schaffen, Videoübertragungen für eine „begrenzte Öffentlichkeit“ –also etwa für Gerichtsreporter – zu erlauben. „Das Zeitalter, in dem wir leben, wird nicht umsonst ’Informationszeitalter’ genannt,“ schreibt Merk in einem Beitrag für die Staatszeitung („Die Frage der Woche“). Merk will ihre Idee im Juni bei der Justizministerkonferenz einbringen.

Zeugenbefragung per Video: Das geht jetzt schon


Der umgekehrte Weg – also die Möglichkeit, Öffentlichkeit in den Gerichtssaal zu transportieren – ist bereits jetzt legal: Zeugenvernehmungen können in Strafprozessen auch via Videoübertragung erfolgen.
Der Streit um Akkreditierungs-Modalitäten, Videoübertragung und Verhalten des zuständigen Richters beziehungsweise der Pressestelle haben in den vergangenen Wochen die zentrale Frage des Prozesses in den Hintergrund gedrängt: Lässt sich beweisen, dass die Angeklagte und mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe Mittäterin war bei insgesamt zehn fremdenfeindlich motivierten Morden? Im Fall einer Mittäterschaft könnte Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt werden, wegen Beihilfe zum Mord nur zu einer Freiheitsstrafe von drei bis 15 Jahren. Die Beweisführung wird schwierig: Zschäpe will vor Gericht schweigen, die beiden für die Mordserie verantwortlichen Neonazis sind tot. (Waltraud Taschner)

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