Landtag

Rentner sollen stärker ans Internet herangeführt werden. (Foto: DAPD)

31.08.2012

Raus aus dem virtuellen Rollstuhl

Aktionsplan: SPD-Landtagsfraktion legt ein Papier zum aktiven Altern vor

Es ist ein bestimmtes Motiv, das Peter Paul Gantzer (SPD) verabscheut: ein älteres Paar von hinten mit der Fotokamera aufgenommen, wie es dem Sonnenuntergang zugewandt auf einer Bank sitzt. „So ein Bild signalisiert doch: ,Fertig machen zum Sterben’“, monierte Gantzer, seniorenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, bei einer Pressekonferenz im bayerischen Landtag. Tatsächlich tauchen Szenerien wie die von Gantzer beschriebene zuhauf auf, wenn man in Bildagenturen unter Stichwörtern wie „Senioren“, „Rente“ und „Lebensabend“ sucht.
Für den agilen 73-Jährigen zählen solche Darstellungen zu den negativen Altersbildern, die in der Gesellschaft über betagte Menschen vorherrschen. „Alter wird mit Behinderung in Verbindung gebracht. Ältere Menschen werden virtuell in den Rollstuhl gesetzt“, nannte Gantzer Beispiele dafür, wie ältere Menschen von ihrer Umwelt häufig wahrgenommen würden.

"Europäisches Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen"


Diese vorherrschende Meinung gelte es schleunigst zu revidieren, fordern Gantzer und die Mitglieder der SPD-Arbeitsgruppe, die den Aktionsplan „Für ein aktives Altern“ erarbeitet hat (siehe Infokasten). Beleuchtet werden insbesondere folgende Aspekte: „Altersbilder“, „Arbeit“, „Aktiv im Alter leben“ sowie „Pflege und Pflegefallvermeidung“. Der 17 Seiten umfassende Text ist nicht ohne Anlass erschienen: Der Europäische Rat hat 2012 zum „Europäischen Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen“ ausgerufen.
Tatsächlich werden ältere Menschen in ihren Fähigkeiten oft unterschätzt, nicht selten sogar als Ballast empfunden. Laut Gantzer gibt es dafür eine Hauptursache: Die meisten Menschen definieren sich nicht zuletzt über ihre Arbeit. „Nicht umsonst hat, wer seinen Arbeitsplatz verliert, eine Sinnkrise“, sagte der SPD-Politiker. Rentner wiederum, die nicht mehr arbeiten, würden von vielen nur als Leistungsempfänger wahrgenommen. In dieser Hinsicht müsse in der Öffentlichkeit eine Bewusstseinsveränderung stattfinden, die in der Erkenntnis münden soll: „Jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf Ruhestand mit einer angemessenen Versorgung.“ Davon abgesehen müssten die Altergrenzen für Rentner flexibilisiert werden: „Ob jemand mit 65 oder mit 67 Jahren in Rente geht, ist mir nicht wichtig. Im Gegenteil, das sind Gespensterdiskussionen“, sagte Gantzer. Körperlich schwer arbeitende Menschen wie Dachdecker sollten das Recht haben, früher ihr Altersruhegeld zu beantragen. „Gleichzeitig sollen andere Arbeitnehmer länger in ihrem Beruf bleiben, wenn sie das wünschen“, findet der SPD-Mann.
Aktives Altern beinhalte aber auch, die virtuelle Mobilität der Älteren zu erhöhen: „Wir müssen sie stärker ans Internet heranführen“, schlägt der seniorenpolitische Sprecher der SPD vor. Ein weiteres Muss aus seiner Sicht: mehr barrierefreie Wohnungen. 500 000 solcher Wohneinheiten gebe es momentan deutschlandweit. „Wir brauchen aber zehn Millionen“, rechnete Gantzer vor.
Barrierefreier Wohnraum ist nämlich wichtig für einen weiteren Bereich, den er und seine AG-Kollegen ausbauen wollen: die häusliche Pflege. „Die meisten Menschen möchten nicht nur so lange wie möglich zuhause leben, sondern auch dort sterben“, sagte Gantzer. In ein Heim wollten immer weniger. Deshalb gelte die Devise „ambulant vor stationär“.
Um möglichst lange aktiv und somit zuhause zu bleiben, müsse jeder bereits in jüngeren Jahren mit gesunder Ernährung und Sport auf seine eigene Fitness achten, forderte Gantzer auf. Er erinnerte auch daran, dass bereits ein Drittel der deutschen Bevölkerung über 60 Jahre alt ist. Verschmitzt fügte er hinzu: „Von uns gehen mehr wählen als von den jungen Erstwählern. Wir sind also eine politische Macht.“ (Alexandra Kournioti)

Info: Über die Zukunft des Alters

Frank Schirrmacher und Peter Paul Gantzer haben einiges gemeinsam, wenn es um ihr Engagement rund um das aktive Altern geht: Der FAZ-Mitherausgeber brachte 2004 sein Buch Das Methusalem-Komplott heraus. Darin stehen so denkwürdige Sätze wie: „Wir müssen verlernen, was unsere Kultur und unsere Biologie uns über das Alter eingaben.(...) Es ist vorbei mit der unbestrittenen Herrschaft der Jugend über das Alter.“
Der seniorenpolitische Sprecher – Gantzer bevorzugt die Vokabel „ältere Menschen“ anstelle von Senioren – der SPD-Landtagsfraktion hat 2008 das Buch mit dem selbsterklärenden Titel Alt ist was? Eine Verteidigung des Alters veröffentlicht. Darin beklagt er beispielsweise, dass ältere Menschen als Sündenbock für explodierende Pflegekosten und sich leerende Rentenkassen herhalten müssten. Laut Gantzer sind die Krisen der Sozialkassen jedoch systemimmanent. Deshalb müssten sie reformiert werden.
Jüngst hat der passionierte Fallschirmspringer den Aktionsplan „Für ein aktives Altern“ im Landtag vorgestellt. Man darf es wohl als Wahlversprechen lesen. Erarbeitet wurde das Papier von Gantzer, seinen Landtagskollegen Christa Steiger und Thomas Beyer (beide SPD) sowie den Referenten Lukas Graf und Walter Rehberg. Außerdem hatte Gantzer Neues zu seiner Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof – er fordert die Altersgrenzen für Kommunalpolitiker aufzuheben – zu vermelden: „Im September soll die mündliche Verhandlung stattfinden, im November soll es eine Entscheidung geben.“ (aki)

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