Landtag

27.05.2011

Rote Karte für den Zukunftsrat

Anhörung zum ländlichen Raum

Die strukturschwachen ländlichen Räume in Bayern sollen offensiv weiterentwickelt werden. Das ist das Ergebnis einer Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss. Damit hat sich die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer deutlich gegen die Thesen des Zukunftsrates der Staatsregierung gewandt.
Der Zukunftsrat hatte eine Fokussierung der staatlichen Förderung auf die Leistungszentren im Freistaat empfohlen. Der Ratsvorsitzende Herbert Henzler erklärte, er verstehe die Arbeit seines Gremiums als „Anstoß zum Nachdenken“. Weltweite Megatrends wie Internationalisierung und Urbanisierung gingen auch an Bayern nichts spurlos vorüber. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse sich der Freistaat den neuen Herausforderungen stellen.
Einen Kontrapunkt dazu setzte der Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, der Münchner Professor Holger Magel. Er betonte, die strukturschwachen ländlichen Räume dürften nicht nur als ökonomische Größe gesehen werden, sie seien auch ein kultureller, sozialer und historisch gewachsener Lebensraum. Um diesen auch für die Zukunft zu sichern, müsse bei der Förderung am Vorrang- und Vorhalteprinzip festgehalten werden. Allerdings müssten die Regionen sich auch selbst anstrengen, ihre Probleme anzugehen und auch bereit sein, Strukturen zurückzubauen. Nötig sei vor allem Hilfe zur Selbsthilfe.
Breit unterstützt wurde Henzler in seiner Analyse, dass der Infrastrukturausbau in zahlreichen Regionen Bayerns im internationalen Vergleich „meilenweit zurück“ sei. Dies gelte vor allem für leistungsfähige Telekommunikationsnetze und die Verkehrsanbindung mit der Bahn. Gerade die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände stellten hier weitreichende Forderungen. Städtetagsgeschäftsführer Reiner Knäusl trat zudem für den Ausbau von Bildungs- und Forschungseinrichtungen ein, während der Präsident des Landkreistages, Jakob Kreidl, seinen Schwerpunkt auf die Finanzausstattung der Kommunen legte. Er kritisierte den innerbayerischen Finanzausgleich, der die Großstädte durch die so genannte Einwohnerveredelung über die Maßen bevorzuge. Damit seien viele Kommunen im ländlichen Raum kaum mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen und attraktiv für Unternehmen und Bewohner zu bleiben.
Seitens der Wissenschaft wurde die Politik aufgefordert, möglichst rasch Gegenkonzepte zur fortschreitenden Abwanderung auf den Weg zu bringen. „Die strukturschwachen peripheren Räume sind oft nicht mehr in der Lage, sich aus eigener Kraft neu zu entwickeln“, erklärte der Bayreuther Regionalplanungsprofessor Jörg Maier. Nötig seien schnell umsetzbare Modellprojekte mit Beispielfunktion und eine stärkere Förderung für Unternehmensgründungen. Wichtig sei zudem eine ausreichende Förderung des Regionalmanagements. Professor Lothar Koppers vom Institut für angewandte Geoinformatik und Raumanalysen forderte eine Demographieverträglichkeitsprüfung bei allen Investitionen, um bei rückläufiger Bevölkerung überdimensionierte Fehlplanungen zu verhindern. Außerdem empfahl er eine Gebietsreform für Bayern. Dabei könnten die Landkreise größer werden und mehr Kompetenzen erhalten, die Bezirksregierungen könnten dafür abgeschafft werden. Als besonderes Problem benannte Koppers die verstärkte Abwanderung junger, gut ausgebildeter Frauen aus dem ländlichen Raum. Dies verschärfe den Geburtenrückgang weiter. Für sie müssten entsprechend qualifizierte Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden.
Nach Einschätzung von Heiner Sindel, dem Vorsitzenden der Regionalbewegung Bayern, schaffe das Ausbluten der ländlichen Räume Platz für rechtsradikale Strömungen. Dies sei eine internationale Erfahrung. Georg Fickenscher, Geschäftsführer der tri-net GmbH in Hof, beklagte den massiven Imageverlust des ländlichen Raums. Dieser müsse durch entsprechende Kampagnen gestoppt werden. Außerdem müsse die Förderung der ländlichen Räume aufrechterhalten bleiben. „Es darf nicht sein, dass Bayern an seinen Rändern sozial instabil wird“, sagte Fickenscher. Die Reparatur sozialer Verwerfungen koste später mehr, als jetzt in attraktive Strukturen zu investieren.
Der Ausschussvorsitzende Erwin Huber (CSU) kündigte an, die zahlreichen Anregungen der Experten und Verbandsvertreter in die weitere Arbeit des Parlaments für die Entwicklung des ländlichen Raums einzubeziehen. Annette Karl (SPD) erklärte, sie erwarte sich als Folge der Anhörung ein klares Bekenntnis zur eigenständigen Entwicklung des ländlichen Raums. Ziel müsse ein „wirkliches Aktionsprogramm“ zur Weiterentwicklung des ländlichen Raums sein. (Jürgen Umlauft)

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