Landtag

Wird jemand aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, muss das der Polizeidienststelle gemeldet werden. (Foto: dpa)

20.04.2018

"Rückschritt in finstere Zeiten der Psychiatrie"

Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz: Opposition kritisiert, dass Menschen in psychischen Notlagen wie Straftäter behandelt werden

Die Novelle des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes der Staatsregierung stößt auf viel Kritik – nicht nur in der Fachwelt, sondern auch im Landtag. Dass es in ganz Bayern einen Krisendienst geben soll, finden alle gut. Doch die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hält die Opposition für überzogen. Tatsächlich umfasst der Hilfeteil gerade einmal vier Artikel, der Unterbringungsteil aber 35. Mit heftiger Kritik hat die Opposition auf den Entwurf der Staatsregierung für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz reagiert. Dieser sieht neben zusätzlichen Hilfen für Menschen in psychischen Notlagen auch erhebliche restriktive Maßnahmen bezüglich der zwangsweisen Unterbringung psychisch Kranker vor, die weit über die im Rahmen eines Runden Tischs gemachten Vorschläge von Experten hinausgehen. „Dieser Gesetzentwurf ist kein Fortschritt, sondern ein extremer Rückschritt in finstere Zeiten der Psychiatrie“, erklärte die SPD-Gesundheitspolitikerin Kathrin Sonnenholzner. Dagegen betonte Bernhard Seidenath (CSU), der Entwurf setze mit seinen Hilfen für psychisch Kranke einen „Meilenstein in der bayerischen Gesundheitspolitik“. Dennoch kündigte Seidenath für die weitere parlamentarische Beratung Änderungsvorschläge an.

Nach den Worten von Gesundheitsministerin Melanie Huml will das Gesetz die Versorgung von Menschen in akuten psychischen Notlagen verbessern, die Selbsthilfe der Betroffenen stärken und klare Regeln für die Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen schaffen. Als „Kernstück“ bezeichnete sie den Ausbau des Krisendienstes, der für Betroffene künftig landesweit rund um die Uhr erreichbar sein soll. Bislang gab es dieses Angebot nur in Oberbayern und im Raum Nürnberg. Sozialministerin Kerstin Schreyer betonte, die Regelungen für die Unterbringung beträfen nur „einen kleinen Prozentsatz“ der psychisch kranken Menschen. Die Zahl der zwangsweise Untergebrachten soll sich dadurch nicht erhöhen. „Es geht uns um Therapie sowie den Schutz der Betroffenen und der Allgemeinheit“, fasste Schreyer zusammen.

CSU äußert Kompromissbereitschaft bei der Unterbringungsdatei

Sonnenholzner sprach vom „jähen Entsetzen“ über den Gesetzentwurf in der Fachwelt. Von den ausgewogenen Kompromissen des Runden Tischs finde sich im Gesetzentwurf fast nichts mehr. Der Hilfeteil umfasse gerade einmal vier Artikel, der Unterbringungsteil aber 35. Damit sei das Gesetz „ausschließlich auf die Gefahrenabwehr ausgerichtet“. Es passe nicht zu einem Hilfegesetz, dass Menschen in psychischen Notlagen durch die wortgleiche Übernahme von Regelungen aus der Sicherungsverwahrung im Maßregelvollzug faktisch mit psychisch kranken Straftätern gleichgestellt würden. Zudem führe die geplante Unterbringungsdatei, die neben persönlichen Daten auch Diagnosen fünf Jahre lang speichere, zu einer Stigmatisierung.

Der Freie Wähler Karl Vetter erklärte, seinem Anspruch als Hilfegesetz werde die Vorlage nur im Punkt der Schaffung des Krisendienstes gerecht. Ansonsten werde die Gefahrenabwehr in den Mittelpunkt gerückt. Es sei „erschreckend“, dass Menschen in psychischen Krisen mit Straftätern „in einen Topf geworfen“ würden. Der geplante Zugriff von Sicherheits-, Strafvollstreckungs- und Verwaltungsbehörden über die Unterbringungsdatei auf sensible Patientendaten sei „völlig überzogen“. „Dieses Gesetz darf nicht in Kraft treten“, forderte Vetter.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sprach von einem „Hilfeverweigerungsgesetz“ und „CSU-Überwachungswahn“. Statt Betroffene zu unterstützen, rücke die CSU diese in die Nähe von Straftätern. Die Analogien zum Maßregelvollzug müssten gestrichen und das Unterbringungsregister anonymisiert werden. Nach Ansicht des CSU-Abgeordneten Seidenath schafft das Gesetz einen „sachgerechten Ausgleich“ zwischen den Belangen psychisch Kranker und der Wahrung der öffentlichen Sicherheit. „Es geht um Gefahrenabwehr und die Heilung psychisch kranker Menschen“, sagte Seidenath. Wichtige Ziele seien die Hilfe und die weitgehende Vermeidung von Zwangsmaßnahmen. Bezüglich der Unterbringungsdatei äußerte Seidenath Kompromissbereitschaft. (Jürgen Umlauft)

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