Es gibt wenige Themen in der Kommunalpolitik, die Bürger so wütend auf ihre ihrer Gemeindeverwaltung machen wie die Straßenausbaubeiträge für Anwohner. Auf Initiative der SPD hat sich jetzt der Innenausschuss des Landtags mit dem Thema befasst. Bei der Anhörung kam es zu teilweise heftigen Reaktionen. Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Gebühren bleiben weiter verhärtet.
Die Abgeordneten Klaus Adelt, Harry Scheuenstuhl und Paul Wenger teilen nicht nur das SPD-Parteibuch, sondern auch das berufliche Vorleben. Alle drei waren bis zu ihrem Einzug in den bayerischen Landtag hauptamtliche Bürgermeister: Adelt und Scheuenstuhl von den kleinen fränkischen Kommunen Selbitz (Landkreis Hof) beziehungsweise Wilhermsdorf (Landkreis Fürth), Wenger von der Großstadt Augsburg. Sie wissen also, dass man sich als Rathauschef mit Straßenausbaubeiträgen – die bei Anteilen von bis zu 80 Prozent in Einzelfällen mehrere zehntausend Euro betragen können – bei den Bürgern nicht beliebt macht.
Und das Thema gewinnt an Relevanz, denn von den rund 100 000 Kilometern umfassenden bayerischen Gemeindestraßen sind weite Strecken marode und müssen demnächst dringend saniert werden: mit jährlichen Kosten von bis zu 500 Millionen Euro, so eine Expertin des bayerischen Innenministeriums bei der Anhörung. „Da hatten wir genau den richtigen Riecher mit dem Thema“, lobt sich Klaus Adelt selbst.
Im bis auf den letzten Platz besetzten Senatssaal war man genau der gleichen Ansicht – was die Bürger allerdings wiederholt mit Buh-Rufen beziehungsweise Applaus bekundeten: je nachdem, ob die vorgetragene Meinung ihrer Sicht der Dinge entsprach oder nicht. Der Ausschussvorsitzende Florian Herrmann (CSU) versuchte zwar, das Auditorium wiederholt zur Ruhe zu ermahnen, hatte damit aber nicht wirklich Erfolg. Zu emotional war die Stimmung unter den Anwesenden, es kursierten wahre Horror-Geschichten von Senioren, die angeblich selbst mittels des Verkaufserlöses ihrer Immobilie nicht den von der Kommune geforderten Betrag aufbringen konnten.
Vertreter der Kommunen konziliant bei Härtefällen
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände – der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) und die geschäftsführenden Präsidialmitglieder von Städtetag und Gemeindetag, Bernd Buckenhofer und Jürgen Busse – hatten also von vornherein einen schweren Stand. Sie warben, logisch, für eine Beibehaltung der Gebühr, zeigten sich aber grundsätzlich konziliant bei sozialen Härtefällen. Auch könnte man statt einmaliger Summen alljährlich wiederkehrende Beiträge in Höhe von 100 bis 200 Euro einführen.
Das ehrt die Verbände, rechtfertigt aus Sicht der Betroffenen aber noch nicht ihre rechtliche Uneinheitlichkeit bei der praktischen Ausgestaltung der Straßenausbaubeiträge. Die entsprechende Satzung wird nämlich nur in zwei Dritteln der bayerischen Kommunen angewendet. Möglich macht dies die so genannte „Soll“-Bestimmung in Artikel 5 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG). Im Klartext: Eigentlich soll die Gemeinde bei ihren Bürgern abkassieren, sie darf aber auch darauf verzichten, wenn sie es sich wirtschaftlich leisten kann.
Logisch, dass da arme Orte gebeutelt sind. Das mag unter anderem der stellvertretende Ausschussvorsitzende Joachim Hanisch (FW) nicht akzeptieren: „In Oberfranken gibt es in 97 Prozent der Gemeinden eine solche Satzung, in Niederbayern nur in 39 Prozent“, kritisierte der Freie Wähler und fragte in Richtung der Vertreterin des Innenministeriums: „Kommen Sie da überhaupt Ihrer Rechtsaufsichtspflicht nach?“
Die Lobby der Hausbesitzer – vertreten waren die Organisationen Haus & Grund, Verband Wohneigentum und Eigenheimerverband – störte sich vor allem an angeblich unnötigen „Luxussanierungen“ beziehungsweise dem jahrelangen Abwarten, bis die Sanierung richtig teuer wird. Sie warben dafür, die Kosten künftig komplett auf die Allgemeinheit umzulegen, wie das bei Bundesstraßen ja auch der Fall ist. Dem hielten Freistaat und Kommunen entgegen, dass nur zahlen solle, wer auch einen Vorteil von der Ertüchtigung der Straße vor seiner Haustür habe.
Freilich gibt es Alternativen, etwa über eine Erhöhung der Grundsteuer. Doch daran stört die Gemeinden, dass Vermieter diese auf die Miete umlegen können. Man könnte natürlich auch die „Soll“-Bestimmung ändern in eine so genannte „Muss“-Bestimmung – was die Vertreter der Städte und Gemeinden ebenfalls ablehnen, denn das wäre ein unzulässiger Eingriff in ihre kommunale Selbstverwaltung. Aber auch eine reine „Kann“-Bestimmung im Gesetz passt ihnen nicht, denn das würde zu einem „schädlichen Wettbewerb“ zwischen den einzelnen Gemeinden führen. Bei diesen Ausführungen schallte den Verbandsvertretern aus dem Publikum lautstark entgegen: „Ihr wollt es doch nur so, wie es für euch am bequemsten ist!“ Florian Herrmann schüttelte nur noch resigniert den Kopf. (André Paul)
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