Beruf & Karriere

Ein Kicker im Foyer und ein paar Wellness-Angebote machen noch kein „New Work“. (Foto: dpa)

13.10.2017

Schöne neue Arbeitswelt

Manche macht der Job glücklich, andere krank: Woran liegt das, und was macht wirklich zufrieden?

Die Arbeitslosenquote ist in Bayern so niedrig wie lange nicht mehr. Gleichzeitig nehmen allerdings psychisch bedingte Erkrankungen weiter zu. Häufig leiden Betroffene unter Arbeitsbedingungen, denen sie sich nicht mehr gewachsen fühlen. Besserung versprechen die Ansätze und Modelle des „New Work“. Der Begriff klingt nach Zeitgeist und wie eine Erfindung von sogenannten Digital Natives, dabei hat ihn der amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann bereits vor rund 30 Jahren geprägt. Mit dem Konzept der „New Work“ reagierte er vorausschauend auf die Herausforderungen einer Arbeitswelt, die immer mehr von gefühlter Entfremdung, Orientierungslosigkeit und diffusen Anforderungen geprägt wird. Rückenleiden waren jahrzehntelang Symbol und Symptom für die Belastungen, die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Leben schwermachen.

Teilzeit in der Chefetage: in den Benelux-Staaten normal

Mittlerweile drücken die Herausforderungen des beruflichen Umfelds bei noch mehr Menschen direkt auf die Seele. Psychische Erkrankungen hatten nach einer Studie der Krankenkasse DAK in 2016 insgesamt 17 Prozent Anteil am Gesamtkrankenstand. Bei Frauen ist dieser noch höher und übertrifft bereits die Rückenerkrankungen. Wobei davon auszugehen ist, dass bei Männern die „Dunkelziffer“ überwiegt und Leiden wie Depressionen zwar ebenfalls häufig vorliegen, jedoch weniger umfänglich diagnostiziert werden.

Wer nun denkt, ein Kickerkasten im Foyer und ein paar Wellness-Angebote in der Mittagspause reichen, um dem zu begegnen, hat Ursachen und Wirkung nicht hinreichend im Blick. New Work ist ein Ansatz, der den Umgang mit Arbeit grundlegend verändern möchte.

Statt die Leistungsfähigkeit der Einzelnen immer weiter zu erhöhen und dafür zu sorgen, dass die gewünschten Funktionen möglichst umfänglich zur Verfügung stehen, geht es um eine Anpassung der Lebensführung und damit auch der Beschäftigung an die eigenen Bedürfnisse. Das hat nichts mit Laisser-faire oder einem fatalistischen Entwurf zu tun, der jedem das erlaubt, was er gerade für richtig hält. Vielmehr geht es darum, in einer zunehmend komplexen Landschaft von Tätigkeiten und Bedarfen persönliche Kompetenzen dort einzubringen, wo sie am besten wirken und zum Gesamtergebnis beitragen können.

Dies soll in Einklang stehen mit den Zielen und Erwartungen der Beteiligten. Viele Fach- und Führungskräfte wollen sich beispielsweise innerhalb eines Jobs engagieren, der sie fordert – gleichzeitig jedoch die laufende Lebensphase für private Entwicklungen und Vorhaben nutzen. In den Benelux-Staaten ist es etwa weitaus verbreiteter als in Deutschland, in Teilzeit zu arbeiten, mittlerweile auch in höher qualifizierten Jobs und in Führungspositionen.

Kaum nachvollziehbar ist es, weshalb Jobsharing hierzulande immer noch als ineffizient verpönt ist und deshalb äußerst selten praktiziert wird. Dabei könnte es helfen, nicht nur die Lebensplanung vieler qualifizierter Kräfte besser umzusetzen, sondern darüber hinaus dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Gerade der öffentliche Dienst könnte gegenüber der Wirtschaft punkten, wenn man sich hierbei stärker bewegen und Spielräume nutzen würde.

Eine Führungsposition ist kein Statussymbol mehr

Geradlinige Karrieren weisen üblicherweise hierarchisch nach oben und höher dotierte Fachpositionen ohne Personalverantwortung sind in den meisten Organisationen die Ausnahme, nicht die Regel. Dies folgt heute in vielen Fällen nicht mehr den persönlichen Bedürfnissen der Menschen, die diese Positionen ausfüllen sollen und müssen, sondern den Konventionen, die aus anderen Zeiten erhalten geblieben sind. Musste ein Chef in Phasen der Industrialisierung als Vordenker und Macher fungieren, der „alles im Griff“ und viele unter Kontrolle hatte, sind heute ganz andere Qualitäten gefragt.

Man braucht nicht so weit zu gehen, wie es ein aktuelles Beispiel aus dem reichlich bestückten Markt der Führungsliteratur vorschlägt: Gesundes Führen mit Erkenntnissen der Glücksforschung, so ein neuer Titel aus dem Haufe-Verlag. Doch es schadet sicher nicht, den Sinn von Führungsauffassungen zu hinterfragen, die Beschäftigte als Ausführende betrachten, denen wenig Verantwortung und kaum Vertrauen zu übertragen ist.

Dass in der Selbstverantwortung ein wichtiger Schlüssel liegt, um mit den Veränderungen in Märkten und Gesellschaft umzugehen, steht außer Frage. Spannend wird es, wenn konkrete Ansätze der Selbstorganisation in Unternehmen und Verwaltungen erprobt und umgesetzt werden. Wo agile Projektarbeit auf der Agenda steht, wird davon – praktisch automatisch – das Rollenverständnis der Führungskräfte berührt. Vielleicht braucht es keine weiteren 30 Jahre, bis „New Work“ über agile Methoden, quasi durch die Hintertür, Einzug in viele Büros findet. (Frank Beck)

Kommentare (1)

  1. Markus am 19.04.2018
    Ich hoff wirklich dass da in näherer Zukunft bei vielen konservativ geführten Unternehmen ein umdenken stattfindet. Flexibel und agil funktioniert meiner Meinung nach bisher nur in eine Richtung, nämlich zu Zugeständnissen durch die Arbeitnehmer durch den Ausbau von Überstunden. Ein Konzept wie Jobsharing kann dabei helfen, die Belastung der Arbeitnehmer zu reduzieren. Jobsharing in Form von Topsharing wie in den Benelux-Staaten (siehe: https://www.ubc-collection.com/blog/vor-und-nachteile-des-jobsharings/ ) ist ein guter Anfang. Für mich stellt sich dann nur die Frage wie lange es dauern könnte, bis flexible Arbeitslösungen auch für Personen in den niedrigen Hierarchieebenen verfügbar gemacht werden.
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