Landtag

Beratungsgespräche müssen dokumentiert werden. Der Sparkassenverband wünscht sich jetzt eine Reduzierung der Protokollpflicht. (Foto: dpa)

04.04.2014

„Sparkassen nicht von Europa aus kontrollieren“

Europaausschuss: Bericht über Folgen der Finanzmarktregulierung und Auswirkungen auf die Finanzierung des Mittelstands

Der bayerische Sparkassenchef Theo Zellner sorgt sich halb scherzhaft um den Wald im Freistaat. Grund: „Manche Beratungsprotokolle für Privatanleger sind 35 Seiten lang“, berichtet er. Die Anlageberatung ist 2010 zum Schutz der Anleger und zur Verbesserung der Beratungsqualität eingeführt worden. „Die Länge ist ökologischer Wahnsinn und auch von den Kunden nicht gewollt“, erklärt er jetzt ganz ernst. Der ehemalige CSU-Landrat von Cham fordert daher im Europaaussschuss des Landtags die Möglichkeit zu einem qualifizierten Verzicht.

Doch Zellner hat kurz vor der Europawahl noch andere Wünsche beim Thema Finanzmarktregulierung, weil sie Auswirkungen auf die Sparkassen, Genossenschaftsbanken und die Finanzierung des Mittelstands hat. „112 der 142 Milliarden fließen in Kundenkredite“, erklärt er. Dies könnte zukünftig weniger werden, da die Europäische Kommission seit einigen Tagen auch regionale Banken dazu zwingen will, in den Einlagensicherungsfonds einzuzahlen. Der Sparkassenpräsident ist darüber empört, da seine Bank nach eigenen Angaben bundesweit eine Eigenkapitalquote von 15 Prozent hat. „Durch die Vergemeinschaftung haftet jetzt der kleine Mann für marode Banken“, warnt er.

Zellner sieht gar die, wie er es nennt, „Langfrist-Kultur“ bei der Finanzierung in Gefahr. Er hält die Einführung des Korrekturfaktors bei Eigenkapital nach dem Reformpaket Basel III für regionale Finanzinstitute für einen großen Erfolg. Jetzt wolle die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) den Prüfungsvorbehalt aber bis 2016 überdenken und langfristig sogar streichen. „Die wird zu einer Verteuerung und Verknappung der Mittelstandsversorgung führen“, ist Zellner überzeugt. Er plädiert stattdessen für einen „bayerischen Weg“.

Ein weiterer Dorn im Auge ist Zellner der geplante einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus. Bisher wurden nur systemrelevante Banken unter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) gestellt und Sparkassen von der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beaufsichtigt. Dies soll sich jetzt ebenso ändern wie der Kontoausgleich. Nach dem Willen der EZB sollen kleinere Geldinstitute von mit den internationalen Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) bilanziert werden. Zellner warnt in diesem Zusammenhang vor der schleichenden Abkehr von nationaler Aufsicht. „Außerdem ist das ein Kostentreiber erster Güte“, schimpft er.

Nicht zuletzt verlangt Zellner die Abkehr von der Niedrigzinsphase: „Die Geldflutung hat nicht den Effekt gebracht, den man wollte.“ Die wirke sich nur negativ auf die Alters- und Kreditversorgung aus. Seiner Meinung nach muss sich die EZB schnell entscheiden, ob sie für Geldwertstabilität oder Finanzpolitik in den Staaten steht.

Bei der anschließenden Aussprache erhält Zellner viel Zuspruch von den Fraktionen für seine Forderungen. Walter Taubeneder (CSU) bemängelt die Unzureichende Differenzierung in Europa zwischen Groß- und Regionalbanken. Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) vermisst Unterstützung aus Berlin für regionale Banken und deren Vielfalt. Bernhard Pohl (Freie Wähler) kritisiert die derzeitige Anlageberatung als nicht zielführend. „Statt eines 35-seitigen Beratungsprotokolls sollten die wichtigsten Themen wie Rendite, Risiko und Totalverlust in knackigen Punkten zusammengefasst werden.“ Ausschusschef Franz Rieger (CSU) verspricht, einen entsprechenden Antrag im Europaausschuss einzubringen.

Lediglich Christine Kamm (Grüne) sieht vor allem große Banken mit spekulativen Geschäften bei einem Konkurs noch zu wenig in der Verantwortung. „Letztendlich“, moniert sie, „haftet doch immer der Steuerzahler.“ (David Lohmann) INFO: Finanzmarktregulierungsinstrumente Anlageberatung: Banken und Sparkassen sind seit 2010 verpflichtet, jedes Gespräch zu protokollieren. Damit sollen Privatkunden besser vor falscher Anlageberatung geschützt werden.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Die BaFin beaufsichtigt und kontrolliert deutsche Banken, Versicherungen und den Handel mit Wertpapieren.
Basel III: Mit dem Reformpaket versuchte der Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) nach der Finanzkrise die Bankenregulierung neu zu regeln. Kernpunkte sind mehr Transparenz beim Eigenkapital, eine verbesserte Risikoabdeckung und die Einführung einer Verschuldungsgrenze.
Bankenaufsichtsmechanismus: Ein erster Schritt zur europäischen Bankenunion. Dabei übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) die Aufsicht über Großbanken in der Eurozone, deren Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes ausmacht.
European Banking Authority (EBA): Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) soll die Finanzstabilität in der Europäischen Union (EU) gewährleisten.
Einlagensicherungsfonds: Sie werden von den Banken unterhalten und dienen dem Schutz der Kundengelder im Fall einer Insolvenz. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind sogar die Schuldverschreibungen und Zertifikate voll abgesichert.
Korrekturfaktor: Dieser begrenzt den Anstieg der Kreditkosten für Kredite bis zu 1,5 Millionen Euro an kleine und mittlere Unternehmen. (LOH)

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