Landtag

Im Freistaat fehlen aktuell bis zu 6000 Fachkräfte – darunter leiden in den Kitas Kinder und Angestellte. (Foto: dpa)

22.07.2016

Streit um die Henne-Ei-Frage

Plenum: Die Opposition fordert geschlossen mehr Personal für Krippen und Kindergärten – die CSU blockt ab: Es fehle schließlich jetzt schon an geeigneten Fachkräften

Bei der Kinderbetreuung in Krippen und Kindergärten schneidet Bayern nach Meinung der Grünen schlecht ab. Christine Kamm zitierte im Plenum die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung für ein kindgerechtes Betreuungsverhältnis. Danach soll eine Erzieherin in Kitas für höchstens drei, in Kindergärten höchstens für im Schnitt 7,5 Kinder verantwortlich sein. Doch aktuell liegt der Betreuungsschlüssel laut der Abgeordneten in Krippen bei eins zu 3,9 und in Kitas bei eins zu 9,1. „Damit liegt Bayern weit hinter dem Durchschnitt der Bundesländer“, unterstrich Kamm. Gleiches gelte bei den Ausgaben in Kindereinrichtungen pro Kind: Während es im Bundesdurchschnitt 7227 Euro seien, läge der Wert in Bayern nur bei 6943 Euro pro Jahr.

Im Antragspaket „Mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung“ forderten die Grünen neben einer Verbesserung des Anstellungsschlüssels eine Erhöhung des Gewichtungsfaktors für Kinder unter drei Jahren, den Anstellungsschlüssel am Jahresmittelwert der Zahl der betreuten Kinder zu orientieren, die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen durch feste Verfügungszeiten zu verbessern und eine Freistellung für Leitungsaufgaben zu ermöglichen.

Die CSU lehnte all das ab. Sie legte den Berechnungen zur Betreuungssituation ganz eigene Zahlen zugrunde und kam auf ein entsprechend positiveres Ergebnis. „Bayern ist besser als Bundesdurchschnitt“, betonte Steffen Vogel (CSU). Jährlich lasse die Staatsregierung den Kitas gemeinsam mit den Kommunen 126 Millionen Euro zukommen. Außerdem sei die Zahl der Krippen seit 2005 um das Fünffache und die Zahl der pädagogischen Fachkräfte in den letzten fünf Jahren sogar um 40 Prozent gestiegen. Und durch das Landeserziehungs- und Landesbetreuungsgeld sei Bayern damit das „Familienland Nummer eins“.

Die größte Herausforderung ist laut Vogel der Fachkräftemangel: „Schon jetzt fehlen 5000 bis 6000 Fachkräfte“, erklärte er. Wenn das Parlament nun noch den Wünschen der Grünen entspräche, bräuchten die Einrichtungen 20 Prozent mehr Personal. „Wo bekommen wir die her?“, fragte Vogel. Es könne kein Mindestanstellungschlüssel vorgegeben werden, der nicht erfüllt werden könne. Andernfalls, so befürchtet er, könne das zu reduzierten Öffnungszeiten führen.

Freie Wähler: "Sie wollen Geld für die dritte Startbahn ausgeben, dabei haben unsere Kinder einen guten Start ins Leben verdient"

Doris Rauscher (SPD) erinnerte diese Argumentation an das Henne-Ei-Problem: Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sei mit dem Fachkräftemangel nicht machbar. „Der Fachkräftemangel ist aber ohne eine Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht zu beheben“, resümierte die Abgeordnete. Sie schloss sich den Forderungen der Grünen in den meisten Punkten an. „Bayern hat weit unten angefangen, daher scheinen die Zahlen beeindruckend“, sagte Rauscher in Richtung Vogel. Sie verstehe nicht, warum die Ideen der Opposition zu diesem Thema seit Jahren permanent von der CSU abgelehnt würden. „Sie produzieren nichts als Worthülsen“, schimpfte die Abgeordnete. Die Staatsregierung wisse noch nicht einmal, wie viele Erzieherinnen und Erzieher in Bayern benötigt würden. „Wie sollen wir den Fachkräftemangel beheben, wenn keine Zahlen zugrundeliegen, wie viele wir eigentlich bräuchten?“ Dies sei eine „abenteuerliche Herangehensweise“, die zum Scheitern verurteilt sei.

Gabi Schmidt (Freie Wähler) unterstützte den Antrag der Grünen ebenfalls weitgehend und wunderte sich auch über die ablehnende Haltung der CSU: „Bayern hat doch sonst immer den Anspruch, das beste Bundesland zu sein.“ Sie konstatierte einen großen gesellschaftlichen Druck nach einer guten Kinderbetreuung. „Trotzdem kommt außer Ablehnungen von der CSU eigentlich nichts“, kritisierte Schmidt. Dies sei sehr „erschreckend“ – vor allem, da viele CSU-Abgeordnete selber Kinder hätten. Sie verlangte, dass Erziehung und Prägung keine Frage von Geld sein dürfe. „Sie wollen Geld für die dritte Startbahn ausgeben, dabei haben unsere Kinder einen guten Start ins Leben verdient“, sagte sie. Außerdem wunderte sie sich, was das Landeserziehungs- und Landesbetreungsgeld mit dem Geld für Krippen und Kindergärten zu tun habe. „Das ist, wie wenn ich meinen Kindern sage, ihr bekommt Frühstück, aber kein Mittagessen und kein Abendessen.“

CSU-Abgeordneter und Staatssekretär Johannes Hintersberger aus dem Sozialministerium lehnte den Antrag der Grünen ab. „Ich halte nichts von staatlichen Vorgaben und bürokratischem Verwaltungsaufwand“, begründete er seine Entscheidung. Diese Zeit solle doch in den Kitas lieber gemeinsam mit den Kindern genutzt werden. Außerdem sollten erst die Ergebnisse der Kommission des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) abgewartet werden. „Die tagen schon seit zwei Jahren“, protestierte Kamm von den Grünen. „Was den Personalschlüssel verbessert, ist kein Bürokratiemonster, sondern eine Methode, die Qualität in den Einrichtungen zu verbessern.“ (David Lohmann)

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