Landtag

Bayerns größtes Sorgenkind: Die Landesbank.(Foto DDP)

11.06.2010

„Verwaltungsräte müssen sich sachkundig machen“

Rechtsgutachter zeigt schwere Versäumnisse beim Landesbank-Debakel auf

Der auf Vorschlag von CSU und FDP benannte Rechtsgutachter Reiner Schmidt betont es gleich zu Beginn seiner Anhörung im Landesbank-Untersuchungsausschuss: Es sei nicht sein Auftrag gewesen, das Verhalten von Vorständen und Aufsichtsräten der BayernLB beim Kauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria (HGAA) zu prüfen oder zu bewerten, sondern den allgemeinem Rechtsrahmen darzustellen, in dem sich Banker und Kontrolleure zu bewegen haben. Klare Leitlinien habe er herausgearbeitet und keine extremen Meinungen vertreten. Es handle sich vielmehr um den „allgemeinen Erkenntnisstand“, erklärt der emeritierte Professor aus Augsburg. Der Abgleich der vermeintlich abstrakten Darlegungen Schmidts mit den bisher vorliegenden Erkenntnissen über die Abläufe im Jahr 2007 lassen die Ausführungen des Professors dennoch wie eine einzige Mängelliste klingen. Wegen ihres öffentlichen Auftrags müsse die Landesbank ihre Geschäfte „risikobewusster“ ausüben als andere Kreditinstitute, stellt er klar; an anderer Stelle spricht er von der Notwendigkeit einer „restriktiven Risikopolitik“ auch beim Kauf anderer Banken. Ob er die beim Erwerb der HGAA gewahrt sieht, lässt er ebenso offen wie eine Bewertung zur Feststellung, dass es eine „Kardinalpflicht des Vorstandes“ sei, sich gesetzestreu zu verhalten und den Verwaltungsrat als Kontrollorgan umfassend zu informieren. Politisch brisanter ist allerdings, was Schmidt über die Arbeit des seinerzeit mit Politikern und Sparkassenvertretern besetzten Verwaltungsrates zu sagen hat, über den man aus den Sitzungsprotokollen weiß, dass die Aufseher eher wenig bis gar nicht nachgehakt haben, als es um den Milliarden-Deal mit der Kärntner Skandalbank ging. Schmidt führt aus, dass es Pflicht eines Verwaltungsrates sei, eine „präventive Kontrolltätigkeit“ auszuüben, dass es eine „Holschuld“ bei Informationen gebe, dass jedes einzelne Ratsmitglied zur Kontrolle verpflichtet sei. Ohne auf sie konkret einzugehen, zerpflückt Schmidt Ausreden der früheren Minister Beckstein und Huber, die sie in Interviews zu ihrer Verteidigung vorgebracht hatten. Sie beriefen sich darauf, dass die Vorgänge komplex und für Bankenlaien kaum durchschaubar gewesen seien, dass man auf die Richtigkeit der Vorstandsvorlagen vertraut habe und man gelegentlich bei Terminproblemen auch Vertreter in die Sitzungen habe schicken müssen. „Fehlende Sachkunde ist kein Hinderungsgrund. Verwaltungsräte haben die Pflicht, sich sachkundig zu machen“, doziert Schmidt. „Jede Überwachungsverantwortung muss mit Misstrauen verbunden sein.“ Und die Frage des Grünen Sepp Dürr, ob der Satz „Was mein Stellvertreter getan hat, habe ich selbst getan“ zutreffend sei, beantwortet Schmidt knapp und präzise mit „Ja!“. Auch der von Verkäuferseite behauptete Zeitdruck und der mögliche Einstieg anderer Bieter schmälere die Sorgfaltspflichten nicht und dürfe nicht zu „leichtsinnigen Entscheidungen“ führen. Zwar findet sich in Schmidts Äußerungen auch Entlastendes, aber schwerer wiegt seine klare Feststellung, dass die Überwachungsarbeit zum HGAA-Kauf nicht mit der Vertragsunterzeichnung im Mai 2007 endete, sondern mindestens bis zum so genannten „Closing“ im folgenden Herbst angezeigt gewesen wäre. Bis dahin hätte man bei gravierenden Änderungen der Geschäftsgrundlage den Kauf noch rückabwickeln können. Schmidt betont, dass dazu besondere Verdachtsmomente wie seriöse Presseberichte oder Hinweise Dritter ausgereicht hätten. Solche gab es seinerzeit genügend: Österreichische Medien berichteten über Milliardenrisiken der HGAA auf dem Balkan, die Bankenaufsicht in Wien veröffentlichte einen vernichtenden Bericht zum Zustand der Bank, und der Ex-Chef der HGAA stand wegen Bilanzfälschung vor Gericht. „Wenn man Ungereimtheiten nicht nachgeht, könnte grobe Fahrlässigkeit vorliegen“, sagt Schmidt. Sollte die ein Richter in einem Schadenersatzprozess feststellen, könnte es für die damaligen Verwaltungsräte um die Ex-Minister Huber und Faltlhauser und den einstigen Sparkassen-Präsidenten Siegfried Naser teuer werden. Der SPD-Obmann im Ausschuss, Harald Güller, bekundet dass neben der Klärung der politischen Verantwortung für das 3,7 Milliarden Euro teure Debakel beim Kauf der HGAA nun „noch viel stärker als bisher die Frage nach einer zivilrechtlichen Haftung der Verwaltungsräte in den Mittelpunkt rückt“. Die Freien Wähler wollen ohnehin Dampf machen mit den Schadenersatzklagen. „Wir können damit nicht länger warten, weil mit jedem Monat das Risiko steigt, dass Betroffene Vermögensdispositionen treffen, die später eine Vollstreckung berechtigter Ansprüche schwierig machen könnten“, meint FW-Ausschussmitglied Bernhard Pohl. Er befürchtet, dass frühere Vorstände oder Verwaltungsräte der BayernLB privates Vermögen vor dem Zugriff der Justiz verschieben könnten. Vor diesem Hintergrund bekommen auch die Fragen des CSU-Abgeordneten Winfried Bausback an Schmidt bezüglich Haftungsobergrenzen für Verwaltungsräte und der Fürsorgepflicht des Freistaats für seine Vertreter in Kontrollgremien einen tieferen Sinn. Die Mandate dort, zieht Bausback eine gewagte Parallele, seien wegen der drohenden Mithaftung für die Milliardenverluste mit einer gefahrgeneigten Tätigkeit vergleichbar, für die Arbeitgeber auch besondere Vorkehrungen treffen müssten. Schmidt mag ihm da nicht gänzlich widersprechen, betont aber etwas amüsiert, sich mit dieser Thematik noch nicht eingehender beschäftigt zu haben. Doch selbst wenn Gerichte Schadenersatzansprüche gegen Vorstände und Verwaltungsräte bestätigen würden, mehr als einen im Vergleich zum Gesamtschaden symbolischen Beitrag werden die Herren nicht leisten müssen. Die BayernLB hat dem Vernehmen nach ihre Chefs und Kontrolleure bei angelsächsischen Assekuranzen gut gegen Schadenersatzzahlungen versichert. (Jürgen Umlauft)

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