Landtag

Im Gespräch: Marthe Glonner, Angelique Renkhoff-Mücke, Moderatorin Jutta Prediger (BR), Alexander Hahn (Podiumsgast), Jutta Rupp (v.l.). (Foto: JH)

24.10.2014

Wir brauchen Papa-Tage

Gespräch im Landtag: Sind Familien in der Arbeitswelt willkommen?

In den Niederlanden gibt es einen Papa-Tag. Da haben die Väter einen Tag pro Woche frei – und sind stolz darauf! Bei uns dürfen sich die jungen Papas nur blöde Witze anhören“, beschwert sich Kabarettistin Maria Peschek. Sie leitet das Thema ein für das „Gespräch im Landtag“. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion debattierten dort Frauen und Männer, Berufstätige in Voll- und Teilzeit, Experten und Laien darüber, ob Familien in der Arbeitswelt willkommen sind.

Die Arbeitswelt ist im Wandel: Frauen wollen in die Vorstände großer Unternehmen, Väter möchten gerne mehr Zeit mit ihren Familien verbringen, und Unternehmen möchten qualifizierte Fachkräfte an sich binden – nichts davon funktioniert richtig. „Aber Familie und Karriere ist heute keine Modeerscheinung mehr“, sagt Professorin Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability. „Für viele Unternehmen ist und wird das zum strategischen Erfolgsfaktor!“ Was sie meint, ist: Unternehmen leiden unter einem Fachkräftemangel, der in den kommenden Jahren mangels Nachwuchs stärker wird. Gleichzeitig gehen immer mehr Mitarbeiter in Rente. Das heißt, die Unternehmen müssen es schaffen, die jungen Menschen zu halten.

Vorurteile sitzen tief

Das funktioniert zum Beispiel bei dem IT-Sicherheitsunternehmen Genua. Dort arbeitet die 36-jährige Marthe Glonner, Mutter zweier Kinder. Als ihr erstes Kind zwei Jahre alt war, bewarb sie sich bei verschiedenen Arbeitgebern. Sie kam zu Genua, weil sie im Vorstellungsgespräch nicht auf ihr Kind reduziert wurde. „In vielen Gesprächen ging es überhaupt nicht um meine Qualifikation, sondern nur darum, wer mein Kind betreut, wenn es krank wird.“ Bei Genua war das nicht so. „Seitdem habe ich flexible Arbeitszeiten, eine Chefin, die mich versteht, und ich kann die betriebseigene Kindertagesstätte nutzen“, erzählt Marthe Glonner.

Für Professorin Rupp lohnt sich dieses Unternehmensmodell – nicht nur menschlich, sondern auch ökonomisch: „Sie binden die Fachkräfte an sich, der Mitarbeiter ist produktiver, sie müssen nicht ständig neue Mitarbeiter suchen, die sich erst einarbeiten müssen – das spart einem Unternehmen enorme Kosten.“

Doch auch Rupp, die sich in ihrem Berufsalltag ständig mit den Themen Familie und Beruf beschäftigt, ist nicht frei von Vorurteilen. Sie erzählt: „Als eine Mitarbeiterin zu mir kam und mir sagte, sie sei schwanger, habe ich sofort begonnen zu überlegen, wie wir das managen, wenn sie lange in Elternzeit geht. Wenig später kam ein Kollege, der berichtete, seine Frau bekäme ein Kind – und ich habe keinen Gedanken daran verschwendet, dass er Zeit zuhause verbringen möchte.“ Die Frau kam nach zwei Monaten Elternzeit Vollzeit zurück. Der Mann blieb ein Jahr daheim bei seinem Kind und fing dann in Teilzeit wieder an.

Sich die Erziehungsarbeit mit der Frau teilen, das wollen immer mehr Männer. Doch Männer, die zuhause beim Kind bleiben, werden noch wenig akzeptiert. „Oft tun sie sich beim Wiedereinstieg in den Job schwerer als Frauen“, meint eine Frau aus dem Publikum. Auf der Karriereleiter kämen sie seltener hoch – ein Problem, das auch Frauen kennen, die nach der Kinderbetreuung Führungspositionen anstreben.

Auch die Präsidentin des Bayerischen Landtages, Barbara Stamm, setzt sich dafür ein, dass ihre Mitarbeiter Zeit mit ihrer Familie verbringen. Sie hat im Landtag eine eigene Kita eröffnet und kann ihren Mitarbeitern flexible Teilzeitmodelle anbieten. „Ich habe fast den Eindruck, es gibt mehr Kinder bei unseren Mitarbeitern, seitdem wir das bieten können“, meint Stamm. Die Präsidentin stellt klar: „Die Arbeitswelt hat sich der Familie anzupassen – nicht anders herum!“

Frauen und Männer brauchen jedoch nicht nur flexible Arbeitszeiten, wenn sie kleine Kinder haben – sondern auch, wenn sie andere Menschen pflegen. Zumindest zeitweise müssen und wollen viele Kinder später ihre Eltern pflegen. Auch dafür brauchen sie flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung vom Arbeitgeber und von Pflegediensten mit gut ausgebildetem und gut bezahltem Pflegepersonal. Aktuell mangelt es an allem.

Ohne Mut geht’s nicht

Barbara Stamm rät jeder Mutter und jedem Vater deshalb, dass sie ihren Arbeitgeber mutig auf ihre Verantwortung als Eltern hinweisen sollen. Dass Mut einiges verändern kann, weiß auch Angelique Renkhoff-Mücke, Vorstandsvorsitzende des Metall- und Elektrokonzerns WAREMA Renkhoff SE. Sie hat den Betrieb von ihrem Vater übernommen. „Als ich in den Vorstand einstieg, wollte ich einen Nachmittag pro Woche frei, um Zeit mit meinen Kindern zu verbringen“, erinnert sie sich. Für die Kollegen war das zunächst undenkbar. „Doch sie haben sich daran gewöhnt.“ Heute bietet WAREMA neben Krippenplätzen auch Betreuung in den Ferien.

Eine gängige Meinung lautet: Ein Kind braucht die Mutter. Barbara Stamm ist sich aber sicher: „Ein Kind freut sich genauso, wenn der Vater da ist!“ Es braucht also nicht nur Mama- sondern auch Papa-Tage. Damit das in Zukunft funktioniert, wäre es am besten, wenn so viele Männer wie möglich ihre Elternzeit nutzen und sich ebenfalls Zeit nehmen würden, um für pflegebedürftige Familienmitglieder da zu sein. Dann müssten alle Chefs endlich einsehen, dass Familienzeit nicht die Karriere bremsen darf – egal ob Mann oder Frau zuhause bleibt. (Jennifer Hertlein)

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