Landtag

Hausärztin ist für viele Medizinstudentinnen ein attraktiver Beruf, aber die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirkt abschreckend. (Foto: dpa)

10.11.2017

Zu viele Spezialisten, zu wenig Ärztinnen

Vor allem Frauen könnten den Hausärztemangel in Bayern lindern – doch sie werden im Job noch immer benachteiligt

In Bayern haben mittlerweile fast alle Medizinfakultäten einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Die Anzahl der Hausärzte ist trotzdem immer noch viel zu niedrig, vor allem auf dem Land. Zwei Experten erklärten den Abgeordneten, warum – und wie’s besser geht. Es klingt paradox: Während vor allem der Nordwesten Bayerns verzweifelt Hausärzte sucht, existiert gleichzeitig ein Überangebot an Fachärzten. „Im Raum Starnberg sind fünf Mal mehr Gastroenterologen niedergelassen als nötig“, erzählte Antonius Schneider, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Technischen Universität München (TUM), im Gesundheitsausschuss. Immerhin hätten die Universitäten das Problem inzwischen erkannt und versuchten, gegenzusteuern.

Bundesweit haben von 37 medizinischen Fakultäten bereits 30 einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. An der TUM gibt es den Lehrstuhl von Schneider seit 2009, Erlangen hat vor drei Jahren, die Ludwig-Maximilians-Universität München letztes Jahr nachgezogen. In Würzburg fehlt nur noch die Unterschrift zum Dienstantritt. Augsburg will an seiner neuen Medizinischen Fakultät ebenfalls einen Lehrstuhl gründen – wenn auch erst in vier Jahren. Nur Regensburg fehlt auf der Liste. „Bayern hat zwar als Letztes angefangen, aber jetzt fast alle überholt“, resümiert Schneider.

In Zukunft soll der Freistaat vor allem auf das Konzept der Weiterbildungsverbünde setzen. Hausärzte müssen nach dem Studium immer wieder die Sparten wechseln – das verursacht oft Probleme. Durch die 81 Weiterbildungsverbünde gibt es jetzt ein strukturiertes Konzept mit einem festen Rotationsprinzip. Das ist laut Schneider einer der Gründe, warum die Zahl der Facharztprüfungen wieder leicht gestiegen ist. „Das reicht aber bei Weitem nicht aus“, warnte er. Allein in den nächsten Jahren gingen 2000 Ärzte in Pension.

Um mehr Studierende aufs Land zu locken, sollten laut Schneider wie im Modellprojekt Dillingen mehr Kreiskliniken zu akademischen Lehrkrankenhäusern werden. Medizinstudierende erhalten dort Wohnung, Aufwandsentschädigung und eine gute fachliche Betreuung. Dadurch würden nach dem Praktischen Jahr viel mehr im Ausbildungskrankenhaus bleiben als „in freier Wildbahn“. Außerdem fand Schneider in einer Studie heraus, dass sich vor allem Frauen für Allgemeinmedizin interessieren.

„Wenn eine Ärztin schwanger wird, gibt es oft keinen Plan“

Für Ärztinnen gibt es allerdings noch große Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie Meike Lauchart vom Ärztlichen Kreis- und Bezirksverband München dem Ausschuss schilderte. 55 Prozent der Ärztinnen gaben in ihrer Studie an, dass sie die Karriere wegen Kindern zurückstellen mussten. „Das beeinflusst das berufliche Fortkommen von Frauen“, klagte die zweifache Mutter. Tatsächlich sind zu Beginn der Ärzteausbildung Männer in der Minderheit. Nach Promotion, Weiterbildung und Facharzt hält sich das Männer-Frauen-Verhältnis die Waage. „Dann geht die Schere auf“, verdeutlichte die Fachärztin. Bei den Oberärzten, Habilitationen und Chefärzten sind Männer deutlich in der Mehrheit.

Als Konsequenz fordert Lauchart Klinikleiter auf, Frauen häufiger eine Chance zu geben. Aber auch die Ärztinnen selber müssten mehr für ihre Rechte einstehen: „Warum beantragen sie oft keine Teilzeit?“, fragte sie. Außerdem müsste es klarere Arbeitszeitregelungen mit weniger Überstunden geben. „Ärztinnen haben nicht nur eine Verantwortung den Patienten, sondern auch ihren Familien gegenüber“, unterstrich sie. Da die Arbeit trotzdem gemacht werden muss, brauche es natürlich auch mehr Ärztinnen und Ärzte. Nicht zuletzt müssen laut Lauchart Mütter bei den Ausbildungszeiten stärker berücksichtigt werden. „Wenn eine Ärztin schwanger wird, gibt es oft keinen Plan.“

In der Aussprache lobten CSU und Opposition die Stärkung der Allgemeinmedizin an den Universitäten, um den Beruf wieder „sexy“ zu machen. Das Modellprojekt in Dillingen soll im Nachtragshaushalt mit 2,5 Millionen Euro unterstützt werden. Carolina Trautner (CSU) wollte wissen, ob sich zwei Frauen auch eine Chefarztposition teilen könnten. „Das ist selbst in der Chirurgie möglich“, antwortete Michael Schoenberg, Fellow des Royal College of Surgeons of England (FRCS) und bis 2015 Chefarzt der Chirurgischen Klinik und Ärztlicher Direktor im Münchner Rotkreuzklinikum. „Man muss es nur gut organisieren.“

Kerstin Celina (Grüne) wunderte sich über die Frage der CSU-Kollegin. Teilzeit sei in jeder Branche möglich. „Schade, das wir überhaupt noch darüber diskutieren müssen.“ Sie verlangte außerdem, sich für eine frühere Kinderbetreuung ab 7 Uhr einzusetzen. Bessere Rahmenbedingungen forderte auch Peter Bauer (Freie Wähler). Zudem müsse überlegt werden, wie mehr Medizinstudierende zu Ärztinnen und Ärzten ausgebildet werden könnten. „Bisher gehen 40 Prozent in die Wissenschaft, Pharmaindustrie oder ins Ausland“, mahnte er.

Ruth Waldmann (SPD) nannte insbesondere die Schere bei den Karriereverläufen „erschütternd“. „Das ist bei der jungen Ärzteschaft besonders dramatisch, weil dort die Frauen im Kommen sind“, sagte die Abgeordnete. Sie forderte, die Verantwortung öfter aufzuteilen, mehr Mitsprache zu ermöglichen und moderner zu denken. Denn: „In Krankenhäusern sind Hierarchiefragen oft noch stärker ausgeprägt sind als in anderen Branchen.“ (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Sowerbruch am 14.11.2017

    Von wann stammt dieser Beitrag?
    Hier wird zitiert: "Michael Schoenberg, Chefarzt der Chirurgischen Klinik und Ärztlicher Direktor im Münchner Rotkreuzklinikum." Da Herr Professor Schoenberg diese Positionen nicht mehr innehat, müsste der Artikel aus dem Jahr 2015 stammen!

    Antwort der Bayerischen Staatszeitung: Danke für den Hinweis, Sowerbruch. Wir haben Professor Schoenbergs Tätigkeit aktualisiert.

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