Leben in Bayern

Die höchste Baustelle Deutschlands ist bald keine Baustelle mehr. Am 21. Dezember wird die neue Seilbahn eingeweiht. (Foto: dpa)

15.12.2017

Am Berg der Superlative

Auf der Zugspitze legt jetzt eine Seilbahn mit gleich drei Weltrekorden los: Zum Beispiel bringt sie stündlich bis zu 580 Gäste auf Deutschlands höchsten Gipfel

Der Zugspitz, wie Deutschlands höchster Berg nach alten Urkunden eigentlich heißt, bekommt ein Weihnachtsgeschenk. Die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen lässt es sich mindestens 50 Millionen Euro kosten. Am 21. Dezember soll die neue Seilbahn feierlich in Betrieb gehen. Dann schweben die beiden Großgondeln auf der Trassenlinie der stillgelegten, veralteten Seilbahn vom Eibsee aus zur Gipfelregion in 2943,75 Meter Höhe. Jede Stunde befördern sie bis zu 580 Menschen zur Aussichtsterrasse, die nochmal vergrößert wurde und nun wie eine Kanzel weit hinausragt in die Bergwelt.

Neue Weltrekorde sind auch zu vermelden: Die „Seilbahn Zugspitze“ überwindet eine Höhe von genau 1945,25 Metern und eine Weite von 3219 Metern, sie ist somit die längste aller Seilbahnen. Die Zug- und Tragseile sind über einen einzigen Mast gespannt, der 127 Meter vor der Steilwand aufragt. Voll verglast wurden Bahnsteige und Treppenhaus. Das abgestürzte Gipfelkreuz hat man wiederhergestellt und mit Blattgold belegt. Seit vergangener Woche thront es wieder über der Bergwelt.

Rekorde sind nichts Neues auf der Zugspitze, sie haben den Massentourismus seit vielen Jahrzehnten befördert. Zwar rattert eine Zahnradbahn schon seit 1930 vier Kilometer bergauf und die ersten Skilifte schnurren seit 1956. Doch richtig losgegangen war die technische Erschließung im Jahr 1960. Es war ein Wettlauf mit den Tiroler Nachbarn. Denn die hatten im Sommer jenes Jahres ihre Seilbahn ab Ehrwald völlig umgebaut, sodass sie noch mehr Menschenmassen in noch kürzerer Zeit ins bayerische Skiparadies schleusen konnte. Das ließ die Aktionäre der Bayerischen Zugspitzbahn AG nicht ruhen.

An den Fels gekettete Mineure arbeiteten am größten Bergbahnprojekt, das bis dahin im deutschen Alpenraum ausgeführt wurde. Eine sogenannte Luftschwebebahn sollte vom idyllischen Eibsee her bis zum höchsten Punkt Deutschlands pendeln und die rund 2000 Höhenmeter in nur neun Minuten überwinden. Die Gondeln konnten stündlich etwa 300 Menschen auf den höchsten Berg Deutschlands bringen. Auch Die Bahn war schon eine technische Meisterleistung.

Im Dezember 1962 wurde feierlich eröffnet. Allerdings war zuvor die Premieren-Gondel mit Ministern, Weihbischof und weiteren Ehrengästen hängen geblieben. Ein Kameramann hatte ein Relais beschädigt, das Sicherheitsalarm auslöste. Außer den Bahnen und Gebäuden wurden nach und nach in die enge Gipfelplattform hineingestopft: ein Fernsehspiegel, eine UKW-Anlage, eine meteorologische Station, eine Anlage des Max-Planck-Instituts und eine Forschungsstelle der Fraunhofer-Gesellschaft. Daneben wirkt das schindelgedeckte „Münchner Haus“, das der Alpenverein 1897 gegen den Widerstand der Natur-schützer errichtet hatte, wie eine alte Bretterhütte.

Am 15. Mai schlug weiter unten der Weiße Tod zu. Krachend löste sich 250 Meter über dem Schneefernerhaus ein riesiges Schneebrett. Die Walze glitt über das flache Dach des verwinkelten Hotels, verstopfte den Eingang zur Gipfelseilbahn, riss den Lawinenschutz und die Holzbarrieren in Fetzen, wälzte sich über die Terasse vor dem Wintergarten. Dort lagen etwa zehn Menschen in zwei Reihen auf den Liegestühlen. Die Todeswalze überschüttete auch noch Teile der unteren Terrasse, wo sich weitere Besucher sonnten.

Bereits jetzt kommen jedes Jahr 550 000 Besucher

Was folgte, war die größte Bergrettungsaktion aller Zeiten. Systematisch wurden 2,50 Meter breite Gräben durch die Schneewüste gezogen. Von dort stieß man die Lawinensonden drei Meter tiefer. Der Schnee lag bis zwölf Meter hoch. „Er ist hart wie Zement“, fluchten die Helfer. Schließlich wurden zehn Tote und 23 Verletzte geborgen. 1966 organisierte der bayerische Staat einen Lawinenwarndienst. Auf der Zugspitze wurden über kritischen Punkten Sprengladungen angebracht, die bei Gefahr gezündet werden und künstliche Lawinen auslösen sollen.

Im Sommer 1981 entstand dann auf der Zugspitze Deutschlands höchstes, von einem Privatmann gestiftetes Gotteshaus. Kardinal Ratzinger weihte es auf den Namen „Mariae Heimsuchung“. Ein Ort der Besinnung am Rand höchster Skigaudi. Rundum kurvten inzwischen elf Lifte und Bahnen.

Und schon war die nächste Baustelle aufgemacht. Mitten im Skizirkus enstand ein Restaurant mit 170 Plätzen, weil die bisherigen Speiseräume im Hotel oben und die Würstchenbude unten im Kessel längst nicht mehr genügten. Außerdem versenkte man einen kleinen Bohrturm im Eis, für eine aufwändige biologische Kläranlage, die bei der Massen-Heimsuchung längst dringlich geworden war.

Im Januar 1988 eröffnete Wirtschaftsminister Anton Jaumann einen 975 Meter langen Seitentunnel der Zugspitzbahn – von Rosi Mittermaier-Neureuther mit Sekt auf ihren schönen Vornamen getauft. Seither muss das Skivolk, um zur höchsten deutschen Sport-arena mit dem fast ganzjährig befahrbaren Schnee zu gelangen, nicht mehr das Nadelöhr des Schneefernerhauses passieren und sich in eine kleine Zubringerbahn quetschen. Diese wurde denn auch 1992 durch ein Supermodell ersetzt.

Bei der neuen Seilbahn ist Transparenz angesagt, Glas dominiert als Baustoff. Die beiden Kabinen sind bis zum Boden verglast. Auch in der Tal- und Bergstation wurde viel Glas verwendet. So bietet sich dem Gast beim Speisen im Gipfelrestaurant – Eröffnung dafür ist erst im Sommer 2018 – ein gigantischer Blick durch die vollverglaste Fassade.

550 000 Gäste besuchen schon jetzt jedes Jahr die Zugspitze. An schönen Tagen und in der Ferienzeit schieben sich die Gäste im Gedränge über die Aussichtsplattform, statt in Ruhe die Aussicht genießen zu können. Nach dem Neubau der Seilbahn hoffen die Gemeindewerke Garmisch-Partenkirchen auf bis zu 600 000 Gäste pro Jahr.

Und es gibt seit einiger Zeit bereits neue Pläne: Die bayerische Zugspitzarena soll durch eine sechs Millionen Euro teure Seilbahn mit der bei Skifahrern ebenfalls beliebten Ehrwalder Alm in Tirol verbunden werden. Dorthin kommen bisher vom Platt aus nur Tourengeher, mühsam über das Gatterl-Grat stapfend. The Games must go on – die Spiele rund um die Zugspitze müssen weitergehen. Immer weiter, höher, schöner, schneller. Und das möglichst sicher und bequem.
(Karl Stankiewitz) Fotos (dpa):
Seit letzter Woche strahlt es wieder über der Zugspitze: das Gipfelkreuz.
Die neue Großgondel an der Zugspitze ist komplett verglast. Bis zu 120 Personen passen hinein.

Kommentare (1)

  1. Alexander P. am 18.12.2017
    Aha. Es gibt also schon Pläne für eine Seilbahn von Ehrwald rüber aufs Platt. Wie irrsinnig sind wir überhaupt? Immer mehr, höher, weiter, schneller. Hauptsach der Rubel rollt. Dann sieht man vom Seebensee aus eine riesige Seilbahn rüber übers Wetterwandeck fahren. Dann spiegeln sich ein Liftmast und ne Gondel im Wasser des Sees. Pfui deifi sag i da nur. Schamts eich denn gar ned?
    Es langt schon des riesige neue Hotel unterhalb der Bergstation der Ehrwalder Alm. So eine Verschandelung der Gegend. Aber mei. Jeder will alles oben am Berg. Und wehe es gibt koan Handyempfang auf da Hüttn. Dann wird in de sozalien Medien aber gedisst.......
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.