Leben in Bayern

Das qLearning-Team: Erfolg macht offensichtlich auch jede Menge Spaß. (Foto: BSZ)

13.03.2015

App in die Selbstständigkeit

Die Unis im Freistaat sind eine Brutstätte für kreative Gründerideen – die Staatszeitung stellt einige der Start-ups vor

Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Start-ups von Hochschulabsolventen wie in München. Ob mit Luxus-Dessous, gebrauchten Büchern, Reiseplänen oder dem ultimativen Lernprogramm – in Bayern haben besonders viele Jung-Unternehmer Erfolg. Die BSZ stellt Neu-Gründer vor, die es mit ihren Ideen am Markt geschafft haben und entlockt ihnen ihre Erfolgsgeheimnisse. Das „Gründerland Bayern“ bringt sich in Stellung. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hofft auf eine „Goldgräberstimmung für Gründer“. Mit der neuen Initiative sollen junge Unternehmen im Freistaat und Investoren unterstützt werden. Aigners großes Ziel: „Bayern soll Gründerland Nummer eins werden.“
Und die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht, hat doch der Freistaat jede Menge kreative Köpfe, die sich mit ihren Ideen erfolgreich auf den Markt wagen. Nirgendwo gibt es so viele Gründer mit Hochschulabschluss wie in München, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Außerdem überleben in der Landeshauptstadt mit 62 Prozent deutlich mehr Start-ups die ersten fünf Jahre als in Berlin, Hamburg oder anderen deutschen Städten.
Einer, der nicht nur überlebt hat, sondern so erfolgreich seinen ersten E-Commerce-Shop aufgebaut hat, dass er bis heute fünf weitere gründen konnte, ist Stefan Jelinek. Alles begann mit einem Online-Shop für Dessous. „Dessous Deluxe habe ich gegründet, um das Ladengeschäft meiner Mutter ins digitale Zeitalter zu hieven“, erklärt Jelinek. Die Idee dazu kam ihm bereits während seines BWL-Studiums an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Inzwischen vertreibt der Münchner auch Trachtenhüte und Shapewear – figurformende Wäsche.
Und Jelinek ist nur einer von vielen bayerischen Hochschulabsolventen, die den Schritt in die Selbstständigkeit erfolgreich gemeistert haben. Ob Firmen wie beispielsweise AktienPrognose.com, NoteEins-Nachhilfe, der Blog-Anbieter BlogBox, die App Friending, der E-Commerce-Shop Fashion Locals, die Testsoftware Testbirds für mobile Apps, der Übersetzungsservice für Hörgeschädigte Verbavoice oder die Firma The Dox mit dem Angebot einer medizinischen Beratung für Film- und Fernsehproduktionen – Gründungen aus der Uni heraus haben jede Menge Erfolg.
Ulrich Bareth zum Beispiel wollte sich schon immer selbstständig machen. Und tatsächlich: Seinen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter hängte er an den Nagel und entwickelte die kostenlose App Polary mithilfe des Gründer-stipendiums. Damit können User gebrauchte Bücher, Videos oder Spiele an Freunde und Nachbarn verleihen und verkaufen.
Felix Klühr dagegen kam durch Zufall auf seine Geschäftsidee. Um sich besser auf seine Klausuren vorzubereiten, hatte er als Student ein Lernprogramm entwickelt – für sich selbst. „Das hat sich dann ziemlich schnell herumgesprochen“, erklärt er und lacht. Als er dann auch noch ein Finanzierungsangebot bekam, hat er sich  mit seinem ersten Kunden und jetzigen Unternehmenspartner entschieden, in Vollzeit in der eigenen Firma einzusteigen. Werbung für seine Firma machen sogenannte Campusbotschafter, die die Lerninhalte für die qLearning App aufbereiten.
Ein weiterer Gründer ist Veit Blumschein. Die Idee zu dem Unternehmen fromAtoB kam ihm, weil er als Student oft öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn nutzte und merkte, die Preise der unterschiedlichen Anbieter zu vergleichen, war gar nicht so einfach. „Wir wollten daher ein Portal schaffen, das ganz automatisch die besten Angebote findet und sie ganz nach unseren Wünschen neu kombiniert“, erklärt er. Und so zog Blumschein 2011 wegen der „rundum optimalen Bedingungen“ für Start-ups mit seiner Firma von Aachen nach München. Mittlerweile ist das Portal durch viele Fans und eine gute Suchmaschinenoptimierung Europas führende Reisesuchmaschine mit Fahrplänen und Angeboten von 750 Verkehrsmittelbetreibern. Blumscheins Rat an alle kreativen Neu-Gründer: Geduld haben und nicht erwarten, dass man sich von heute auf morgen am Markt etabliert.  „Ein bisschen Sturheit schadet dabei aber übrigens nicht“, sagt er. „Es geht schließlich vor allem darum, den eigenen Zielen immer treu zu bleiben.“
Dass gute Ideen auch aus den Geisteswissenschaften kommen können, beweist die Firma Neumann & Kamp. Begonnen hat alles im Jahr 2000 im Universitätsarchiv der LMU, als Michael Kamp dort die biografische und genealogische Erfassung des Civil-Verdienstordens der bayerischen Krone als einen Auftrag in Sachen historische Dienstleistungen von außerhalb der Universität übernahm. „Während meiner Promotionszeit kam ich auf die Idee, dass man mit mehr Leuten solche Projekte bearbeiten könnte“, erinnert sich Kamp. Ein Jahr später sprach er seinen Historiker-Kollegen Florian Neumann an, ob er nicht mit ihm ein Unternehmen für historische Dienstleistungen gründen wolle – „der Name Neumann & Kamp klingt doch prima“, versuchte er den Kollegen damals zu locken. Und tatsächlich: Noch an Ort und Stelle gründeten die beiden ihr Unternehmen. Anschließend besuchten sie Seminare in Buchhaltung, Marketing und Personalführung. „Diese waren essenziell, denn als Historiker hatten wir wenig Ahnung von all diesen Dingen.“ Elf Jahre später gehört Neumann & Kamp zu den führenden Unternehmen für Recherche, Systematisierung und Präsentation von historischen Inhalten. Geholfen hat ihnen dabei auch ein Förderprogramm zum leichteren Übergang in eine Gründerexistenz: Flügge.
Mit dem Programm will das bayerische Wirtschaftsministerium jungen Hochschulabsolventen und wissenschaftlichen Mitarbeitern beim Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit helfen. Die Geförderten bekommen für die Dauer von bis zu zwei Jahren eine Beschäftigung im Umfang einer halben Stelle an einer bayerischen Universität. „Inzwischen spielt auch das Förderprogramm Exist vom Bundeswirtschaftsministerium eine große Rolle“, ergänzt Christoph Zinser, Spin-off-Service-Leiter der LMU. Mit dem „Gründerstipendium“ werden Studierende und Absolventen bei aufwendigen oder risikoreichen Entwicklungsarbeiten unterstützt.
Ein Patentrezept für eine erfolgreiche Etablierung am Markt aber gibt es natürlich nicht. Unternehmer Klühr rät: „Viel darüber reden und so schnell wie möglich versuchen, etwas umzusetzen, was man in der Hand hat.“ Jelinek ergänzt: „Nicht aufgeben, ein Ideenkonzept schreiben und, sobald das ‚entrepreneurial Design’ ausgereift ist, mit vollem Einsatz durchstarten.“ Beratungsangebote anzunehmen, hartnäckig zu sein und Förderprogramme zu nutzen, empfiehlt Kamp. Außerdem: „Sich von vornherein bewusst machen, dass eine Firmengründung beziehungsweise die Firma dann omnipräsent ist.“ Und Blumschein rät: „Die Unsicherheit ganz tief vergraben oder am besten gleich ganz ad acta legen.“ Zudem müssten die Gründer von ihrer eigenen Idee überzeugt sein, Kritik ernst nehmen, aber die eigene Linie nicht verlieren. „Aber der wichtigste Rat ist wirklich: Versucht es doch einfach!“ (David Lohmann)

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