Leben in Bayern

Ein See in Permakultur. Das Prinzip: Möglichst wenig in die Natur eingreifen. (Fotos: Hippe)

19.05.2017

Aussteiger? Nein, Einsteiger!

Der Allgäuer Jochen Koller lebte in einem 330-Quadratmeter-Haus und spielte Golf – bis er sich der Permakultur verschrieben hat

Permakultur? Hat das etwas mit Permafrost zu tun? Jochen Koller wird oft mit dieser Frage konfrontiert. Der 55-jährige Allgäuer widmet sich seit Jahren dieser besonderen Form von Landwirtschaft.

Früher hat Koller in einem 330-Quadratmeter-Haus gewohnt. Aktuell lebt er in einer Wohngemeinschaft in Immenstadt. Früher hat er auch Golf gespielt. Heute geht er wandern – gerne auch mal mit Lamas. Ein typisches Aussteigerleben, möchte man denken.

Doch Koller sieht sich nicht als Aussteiger, sondern als Einsteiger in ein gutes und freies Leben. Sein Einkommen aus einer Firma für Kurzzeitpflege reicht für das „Lebenswichtige“: Essen, Trinken, Bücher und Miete. Dafür muss er gerade mal drei bis vier Tage im Monat als Dozent im Gesundheitswesen oder als Seminarleiter in der Permakultur arbeiten. „Dadurch habe ich viel Freiheit gewonnen“, sagt der gelernte Altenpfleger.

Den Rest seiner Zeit widmet er dem Glücklichsein, wie er sagt. Und eben der Permakultur. Den Begriff hat der 2016 verstorbene australische Biologe Bill Mollison geprägt: „permanent agriculture“, dauerhafte Landwirtschaft. Man könnte ihn aber auch als „permanent culture“, also als dauerhafte, zukunftsfähige und nachhaltige Kultur interpretieren.

Fleisch? Natürlich - wenn es Bio ist

Es geht um Nachhaltigkeit mit dem Ziel, die Erde zu schützen. Und zwar nicht, indem man möglichst oft im Bioladen einkauft. Sondern indem man Alternativen zur chemisch betriebenen Großflächenlandwirtschaft und Massentierhaltung schafft. Durch genaue Beobachtung will man den Kreislauf und die Wechselwirkungen in der Natur verstehen und unterstützen. Statt Pestizide zu versprühen, werden zum Beispiel Plätze geschaffen für Kröten und Frösche, die Insekten fressen. Das Prinzip dabei: so wenig wie nötig ins Natursystem eingreifen. „Doch es ist eine Illusion, dass man die Wiese einfach wachsen lassen kann“, erklärt Koller. „Denn wer nie mäht, hat in kurzer Zeit einen Wald.“

Anhänger der Permakultur sind oft Selbstversorger. Sie fahren Fahrrad statt Auto. Und sie reduzieren ihren Konsum auf das Nötigste. Koller trägt an diesem Tag zum Beispiel ein Cordhemd, das nicht mehr ganz neu aussieht. „Ein Geschenk eines Seminarteilnehmers, dem es nicht mehr passt“, erklärt er und lacht.

Während einige Permakultur-Fans Vegetarier sind, isst Koller auch Biofleisch. „Kühe sind gut für die Almwiesen und gehören zum natürlichen Kreislauf“, betont er. „Obendrein sind Pflanzen auch sinnenreiche Lebewesen, auch wenn sie keine Kulleraugen haben.“

Bis zu seinem elften Lebensjahr verbrachte Koller jedes Wochenende und die Ferien auf einem Einöd-Bergbauernhof. „Wir haben Beeren gesammelt und im Bach die Fische mit den Händen gefangen.“ So habe er noch die alte Landwirtschaft ohne Traktor erlebt. „Mit Schlachtungen auf dem Bauernhof.“

Mit kleinen Schritten beginnen, groß werden sie von selbst!

Die Rückbesinnung kam vor zwölf Jahren, ausgelöst durch ein Seminar von „Agrar-Rebell“ Sepp Holzer, einem der bekanntesten Permakulturisten im deutschsprachigen Raum. Koller hat dann selbst Permakulturdesign studiert. Ein Thema seiner Diplomarbeit: Arterhaltende Landwirtschaft am Beispiel einer eigenen Wollschweinzucht. Einige der Tiere sind anschließend bei Bauern im Allgäu untergekommen. „Wenn ich ein Wollschwein sehe, ist es oft schön zu wissen, dass es sich um eins meiner ‚Enkel’ handelt“, sagt Koller und lacht.

Heute hat Koller keine Schweine mehr. Die letzten Jahre waren für ihn Wanderjahre – von einem Projekt zum anderen. Er gibt oder organisiert Workshops zu Themen wie Wassermanagement, Bodenfruchtbarkeit, Teich- oder Lehmofenbau, und er schreibt Artikel und Bücher zum Thema Glück.

Ein Forschungsinstitut initiierte Koller auch. Und Denkwerkstätten zu den Themen Landwirtschaft, urbane Permakultur und Geld. 2012 entstand aus Letzterem die Lokalwährung Realo im Allgäu. Betriebswirtschaftliches und strategisches Denken gehören für Koller auch zur Permakultur. „Hier im Allgäu steckt noch viel zu wenig Strategie dahinter“, findet er.

Koller hat auch einen einen Rat an Interessierte der Permakultur, die noch nie etwas mit Landwirtschaft zu tun hatten: „Mit kleinen Schritten beginnen, groß werden sie von selbst!“
(Monika Hippe) Foto (Hippe/BSZ): Einsteiger „in ein gutes und freies Leben“: Jochen Koller.

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