Leben in Bayern

Im Berufsalltag steuert Martin Höchtl, der 2. Vorsitzende des Vereins Hallertauer Lokalbahn, als Zugführer einen ICE. Aber hinterm Lenkrad des von seinem Verein restaurierten Omnibusses (oben) sitzt er mindestens genauso gern. (Foto: Paul)

18.05.2018

"Der fährt, solange es noch Diesel gibt"

Bis in die 1990er-Jahre waren Omnibusse der Deutschen Bahn in ganz Bayern im Einsatz – ein Verein aus der Hallertau hat nun den mutmaßlich letzten aufwendig restauriert

In leuchtendem Rot steht der historische Bus an diesem Feiertagsmorgen auf dem Busbahnhof am Pfaffenhofener Bahnhof; ein Oldtimer – aber beeindruckend. Stolze 34 Jahre ist das Gefährt alt, ein Unikat in ganz Südbayern. Und es tut, weil es sorgfältig gepflegt wird, noch immer seinen Dienst – wenngleich ab sofort für Nostalgiefahrten.

Für die aufwendige Restaurierung verantwortlich zeichnet sich der Hallertauer Lokalbahnverein. Die Mitglieder bringen sonst eher historische Eisenbahnwaggons wieder auf Vordermann. Aber dieser alte Bus ist eben auch ein Stück Eisenbahngeschichte.

Andreas Zimmermann (31) und Martin Höchtl (29) führen ihn nun öffentlich vor. Sie sind der 1. und der 2. Vorstand des Vereins. Ihre Brotberufe sind Grafikdesigner und Lokführer. Aber wenn sie über ihren Bus – konkret handelt es sich um das Modell Kässbohrer Setra 215 UL – reden, dann leuchten ihre Augen und sie erinnern an zwei Buben, die über ihr liebstes Spielzeug berichten sollen. Ein 10,5 Tonnen schweres Spielzeug mit 240 PS, zwölf Litern Hubraum und sechs Zylindern, Schaltgetriebe. Platz ist für 49 Sitz- und 40 Stehplätze. Die Antworten auf die Fragen kommen abwechselnd und wie aus der Pistole geschossen. Wenn man einen der beiden jungen Männer etwas fragt, bekommt man den erweiterten Teil der Antwort immer vom jeweils anderen.

Bis vergangenes Jahr noch als Schulbus im Einsatz

Entdeckt haben sie das Modell durch Zufall im Internet, das war im vergangenen Jahr. Da tat der Bus immer noch treu seinen Dienst; in Neuötting brachte er jeden Tag die Kinder zur Schule, schaffte im innerstädtischen Verkehr noch solide seine 30 Kilometer am Tag. Allerdings war er damals noch weiß – was nicht die korrekte und vor allem nicht die Ursprungsfarbe ist. Denn die ist bei den Omnibussen der Deutschen Bahn – aus deren Bestand stammt der Setra 215 UL ursprünglich – tatsächlich himbeerrot. Die Farbe hat sogar einen offiziellen Namen: RAL 3027.

Das Umlackieren war aber nur ein Teil der Arbeiten, berichten Andreas Zimmermann und Martin Höchtl. Rund 25 000 Euro steckte der Verein insgesamt in den Bus. Kleinere Fehler in der Elektrik hätten sie festgestellt, die Hinterachse war nicht mehr im allerbesten Zustand, es gab diverse Roststellen und der Unterboden konnte eine ziemlich gründliche Wäsche gebrauchen. Statt der silbernen des Schulbusunternehmens sind jetzt auch wieder, wie es sich gehört, braune Felgen befestigt, die von den Vereinsmitgliedern von Hand abgeschliffen und lackiert wurden. Einige kleinere Arbeiten, etwa bei der Kupplung oder Ventildichtung, sind noch zu erledigen.

Aber ansonsten waren die Schulkinder nicht allzu rabiat mit ihrem Transportmittel umgegangen. An drei Stellen hatten Lausbuben ihre Namen eingeritzt, berichten die Vereinschefs, hier und da klebte noch ein alter Kaugummi, ein paar Flecken auf den Polstern. Aber davon abgesehen mag man es kaum glauben, dass dieser Bus sage und schreibe schon 1 063 000 Kilometer auf der Karosserie hat, das ist drei Mal von der Erde bis zum Mond. Wie lange kann ihr Liebling noch fahren? „Solange es Diesel gibt“, antworten die beiden Vereinschefs lachend.

Die Abkürzung UL steht übrigens für Universallinienbus. Deren große Zeit begann in den 1960er-Jahren. Damals startete parallel zum Wirtschaftswunder auch der Siegeszug des Autos als der Deutschen liebstes Fortbewegungsmittel. Die gesamte Verkehrsführung wurde darauf ausgerichtet. Mit der Folge, dass viele Bahnlinien im ländlichen Raum plötzlich unrentabel waren und stillgelegt wurden; auch im nördlichen Oberbayern.

In den 1990er-Jahren nach Osteuropa verkauft

Die damalige Deutsche Bundesbahn orderte diesen KässbohrerBustyp für Bayern in hohen Stückzahlen – in Norddeutschland war eher MAN beliebt –, denn neben dem traditionellen Zugverkehr betrieb das damals noch rein staatliche Unternehmen vor allem auf dem Land Hunderte Bahnbus-Linien. Kostengünstiger als der Schienenverkehr war das allemal, man brauchte nicht Lokführer und Zugbegleiter und Schrankenwärter, sondern nur einen Fahrer. Beim Einstieg vorn sieht man anhand der Original-Fahrzeugnummer, dass das Gefährt einst zur Flotte der Deutschen Bahn gehörte.

Vergleichsweise schnell war man als Fahrgast auch unterwegs, 100 Kilometer pro Stunde schafft das Kässbohrer-Modell locker, zur Not auch 115. Und mit 32 Litern auf 100 Kilometer ist dieser alte Bus auch relativ verbrauchsarm; neuere Modelle, versichern die Vereinschefs, würden im innerstädtischen Verkehr inzwischen fast das Doppelte schlucken. Aber gut, die haben auch solchen bequemen Schnickschnack wie Klimaanlagen. Im S 215 UL öffnet man bei großer Hitze stattdessen die Dachluken. In den 1990er-Jahren wurden die Bahn-Busse dann nach und nach außer Dienst genommen und verkauft. Heute sind sie vor allem in Ost- und Südosteuropa noch im Einsatz.

Die ersten Nostalgiefahrten sind auch schon fest terminiert. Am Samstag, 2. Juni (ab 8 Uhr vom Busbahnhof München-Giesing), und am Samstag, 8. September (ab 7.30 Uhr vom Marktplatz in Wolnzach), geht es jeweils zur Sauschwänzlebahn in den Schwarzwald. Der Fahrpreis beträgt für Erwachsene 79 Euro, Anmeldungen sind möglich bis zum 26. Mai beziehungsweise 31. August 2018 per E-Mail: buchung@wolnzach-express.de
(André Paul)

Foto (Paul):
Das Innere des 34 Jahre alten Fahrzeugs kann es in Sachen Komfort zwar nicht mit modernen Nachfolgern aufnehmen, verfügt aber über jede Menge nostalgisches Flair (unten).    

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