Leben in Bayern

Blumen und der Ehrenpreis der Wiesn-Wirte: Gabriele Weishäupl bei ihrer letzten Wiesn 2011. Im Dienst sei sie aber immer noch, sagt sie. (Foto: dpa)

15.09.2017

"Die Wiesn wird immer weiblicher"

27 Jahre lang war Gabriele Weishäupl die Wiesn-Chefin. Heute leitet sie den Verein des Oktoberfestmuseums und erzählt, wie sich das Feiern wandelt

Vor 33 Jahren setzte sich Gabriele Weishäupl gegen 40 männliche Mitbewerber durch und wurde Tourismus-Chefin von München. Mit einer Frau an der Spitze hat sich auch das Oktoberfest verändert. Was früher ein derbes Männerfest mit jeder Menge Schlägereien war, sei heute viel schöner und eleganter, sagt sie im Gespräch mit der Staatszeitung. Eines gefällt der 70-Jährigen aber gar nicht: der Sicherheitszaun rund um die Wiesn.

Es gibt nicht wenige, die behaupten, sie sei es gewesen, die den Trend losgetreten hat: Kaum einer besucht heute das Oktoberfest, ohne sich in Tracht zu schmeißen. „Anfang der 1980er und 90er-Jahre war das noch völlig anders“, erzählt Gabriele Weishäupl, 27 Jahre lang Wiesn-Chefin. Ihr Markenzeichen, ohne das kein Interview und kein Festbesuch auskommt: das Dirndl. „Eine Art Uniform“, sagt Weishäupl, die privat die manchmal unbequeme Tracht lieber im Schrank hängen lässt. „In dem Moment, in dem ich sie anlege, fühle ich mich anders. Dann bin ich im Dienst.“

Und im Dienst ist die 70-Jährige immer noch. Obwohl sie bereits 2012 das Amt der Münchner Tourismuschefin aufgab. „Das Wiesn-Fieber packt mich jedes Jahr im September“, sagt sie. Zehn Mal wird Weishäupl, seit 2014 Vorsitzende des Vereins des Oktoberfestmuseums, heuer auf dem Oktoberfest sein, und alles sind offizielle Termine. Ob beim Anstich am morgigen Samstag, bei der Damen-Wiesn von Gabriele Sixt oder dem Senioren-Stammtisch der Schausteller. Und dann wird sie wieder mit dem Blick der Festleiterin über die Theresienwiese gehen, gesteht Weishäupl. Schauen, ob die Festordnung eingehalten wird: Hunde und Kinderwägen etwa sind auf der Wiesn nicht erlaubt. „Und ich überprüfe die Besucherzahlen, dafür habe ich mittlerweile einen Blick.“

Vor 33 Jahren setzte sich Weishäupl gegen 40 männliche Bewerber durch – und unter ihr hat sich die Wiesn gewandelt. „Die Wiesn hat schon immer den Zeitgeist widergespiegelt“, erklärt sie. Dass die „Oide Wiesn“, 2010 zum Jubiläum 200 Jahre Oktoberfest zum ersten Mal organisiert, bei den Besuchern so gut ankommt, dass sie jetzt Dauereinrichtung ist, sei zum Beispiel kein Zufall. Nostalgie und Heimatbewusstsein lägen im Trend.

Als Weishäupl 1985 anfing, war die Wiesn noch ein „derbes Männerfest mit jeder Menge Schlägereien“, erinnert sie sich. Nur 30 Prozent der Besucher waren weiblich. Heute sind es 50 Prozent. „Schöner und eleganter“ sei die Wiesn geworden. „Und nachhaltiger und ökologischer“, erklärt Weishäupl, die sich immer für eine „sanfte Wiesn“ eingesetzt hat. Ob mit der Einführung von Familientagen, Milch und alkoholfreiem Bier oder der Dezibelgrenze, damit es in den Zelten zumindest vor 18 Uhr etwas ruhiger zugeht.

Der Zaun soll zeigen: Die Politiker haben alles getan

Auch wenn heute noch mit steigendem Alkoholpegel die Rauffreudigkeit mancher Burschen zunimmt. Disziplinierter als früher sei das Oktoberfest ebenfalls, erklärt die ehemalige Chefin. „Bist du früher nachts über die Wiesn gelaufen, hat es unter den Füßen nur so geklirrt von all den zerbrochenen Scherben“, erzählt Weishäupl. „Dabei hat man sich fast die Schuhe aufgeschnitten.“ Heute aber sorgen Wachen dafür, dass keine Krüge mehr aus Zelt und Biergarten mitgenommen werden. Und passiert doch einmal etwas, stehen Ärzte und Sanitäter der vier Rot-Kreuz-Stationen bereit.

Allerdings: Auch wenn die Sicherheit auf der Festwiese gestiegen ist, seit 2009 prägt auch die latente Terrorgefahr das Bild der Wiesn mit. Seit 2010 schützen Poller das Festgelände, nachdem 2009 im Internet ein Video kursierte. „Da hockte ein islamistischer Krieger mit einer Kalaschnikow und einer Eierhandgranate und sagte, Sicherheit in Deutschland sei nur eine Illusion. Hinter ihm erschienen das Brandenburger Tor, der Kölner Dom und der Haupteingang der Wiesn“, erinnert sich Weishäupl und sagt: „Jetzt noch bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke.“ Die Sicherheitsvorkehrungen wurden seither immer weiter verstärkt. Höhepunkt im vergangenen Jahr: ein 350 Meter langer Zaun und drei Sicherheitszonen rund um die Wiesn. Ein Zaun, gegen den Weishäupl immer war. „Denn ich glaube, dass einen Selbstmordattentäter nichts abhalten kann“, erklärt sie. Sie glaubt, dass die Politiker mit dem Zaun vor allem zeigen wollen: Wir haben alles für die Sicherheit der Besucher getan.

Sicherheit ist auch für die Bundestagswahl am 24. September ein wichtiges Wahlkampfthema. Dass die Wahl ausgerechnet am mittleren Wiesn-Wochenende stattfindet, ist für Weishäupl kein Problem. „Das war doch schon immer so“, sagt sie. „Aber auf der Wiesn selbst darf das nicht sichtbar sein. Wahlkampf und politische Werbung haben dort nichts verloren.“

Apropos Werbung. Auch für das Oktoberfest wird keine gemacht. Das ist ebenfalls eine Neuerung von Weishäupl, da die Wiesn mit sieben Millionen Besuchern ihre Kapazitätsgrenzen erreicht hatte. „Ich habe in den 27 Jahren nie das Oktoberfest beworben, sondern immer die Kultur. Ich bin mit Opernsängern gereist, habe Museen, Schlösser und Konzerte promotet. Und dennoch: Im öffentlichen Bild war ich immer die Frau, die die Blasmusik vor der Bavaria dirigiert“, sagt Weishäupl und lacht. Wurde sie im Ausland als „director of the tourist office of the city of Munich“ vorgestellt, gab es höchstens verhaltenen Applaus. „Wurde ich aber als ,president of the Oktoberfest’ angekündigt, gab es schon mal staunende Jubel-Schreie.“

Dass das Oktoberfest eine weltweite Marke ist und auch Imageträger für ganz Deutschland, ist kein Geheimnis. Das Ergebnis einer weltweiten Studie im Auftrag der deutschen Zentrale für Tourismus erstaunt dann aber doch. Sie ermittelte den bekanntesten deutschen Begriff. „Er lautete Oktoberfest“, sagt Weishäupl. „Und lag deutlich vor Bratwurst, Goethe Kindergarten und Autobahn.“
(Angelika Kahl)

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