Leben in Bayern

Ralph Schäfer in seiner Glückskeksfabrik in Bad Abbach. (Fotos: Armin Weigel/dpa)

29.12.2017

"Ich produziere Glück am laufenden Band"

Nicht nur zu Silvester gefragt: In einer Fabrik in Niederbayern gehen Tag für Tag bis zu 4000 Glückskekse vom Band.

Glückskeksbäcker zu sein macht offensichtlich glücklich: Jedenfalls ist Ralph Schäfer durch und durch froh gelaunt, als er durch seine Firma im niederbayerischen Bad Abbach führt. Bis zu 4000 Glückskekse werden dort täglich gebacken, sagt er und fügt an: "Ich produziere Glück am laufenden Band". Gerade zum Jahreswechsel sind die süßen Knabbereien mit dem prophetischen Spruch auf einem Zettel im Inneren beliebt. Dem Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder zufolge erleben Glücksspiele zu Silvester in den vergangenen Jahren ein Revival.

"Erfolg hat drei Buchstaben: T-U-N! Happy New Year!", steht auf einem der schmalen weißen Zettel, die die Backmaschine stakkatoartig in die türkisfarbenen Kekse drückt. Die Produkte, die in Schäfers Fabrik hergestellt werden, sind vor allem für Marketingzwecke gedacht. Große Konzerne bestellen hier ebenso wie Altenheime oder Schulen. Die Aufträge kommen aus ganz Europa, wie der 61-Jährige berichtet. "Wir können teilweise gar nicht lesen, was auf den Zetteln steht."

Glücksschweine, Glückskekse, Bleigießen, Knallbonbons: Orakel und Glücksbotschaften sind zum Jahreswechsel im Trend - sowohl aus Sicht des Handelsverbandes wie auch aus Sicht des Kulturwissenschaftlers. "Sowas können Sie vor Silvester wirklich überall kaufen, in jeder Tankstelle und in jedem Baumarkt", sagt ein Sprecher des Handelsverbandes in München. Wie sich der Verkauf von Glücksprodukten auf den Umsatz zum Jahresende auswirkt, lasse sich jedoch nicht sagen. Da gebe es keine gesonderten Zahlen.

Im 20. Jahrhundert hätten Bräuche wie Glücksspiele zunächst einen "drastischen Niedergang" erfahren, stellt Wissenschaftler Hirschfelder fest. In den vergangenen Jahren seien sie jedoch wieder beliebter geworden. Das erklärt er unter anderem mit der politischen Situation. Bis in die 1990er Jahre hinein habe Stabilität geherrscht. "Der Ost-West-Konflikt war weitgehend gelöst, alles schien sicher." Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York sei dieses Gefühl geschwunden. Es folgten: Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel. "Die Menschen suchen sich kulturelle Strategien, um mit der wahnsinnigen Unsicherheit zurechtzukommen."

Sogar Pechkekse hat Schäfer im Sortiment

Der Mensch sei säkular geworden, sagt Hirschfelder. Er verlasse sich nicht mehr auf die göttliche Macht und habe auch keine Angst vor satanischen Mächten. "Die Menschen machen also keine überirdische Macht mehr für ihr Leben verantwortlich, sondern sich selbst." So komme es, dass sie gute Vorsätze fassen. Und auch, dass sie Bräuche wie Glücksspiele aufleben lassen und andererseits religiöse Traditionen verulken. "Die Angst vor der Zukunft ist bei vielen groß, sei es vor dem Untergang der Welt und oder Angst vor der eigenen Biografie. Dieser Angst begegnet man auf scherzhafter Ebene."

Als Glückskeksbäcker trägt Schäfer seit 15 Jahren zur guten Laune vieler Menschen bei. Inzwischen hat er sogar Pechkekse im Sortiment. Die sind pechschwarz und haben fiese Botschaften in sich - die aber auch zum Lachen sind. Der Niederbayer hat 1986 seine Süßwarenfirma gegründet, seit 2002 stellt er die Kekse her.

Der Betriebswirt hatte beruflich eigentlich andere Pläne. Nach dem Studium war er sieben Jahre lang als Bauleiter in Kuwait, dem Irak und Jordanien tätig. Jedoch: "Ich wollte immer mit 29 Jahren selbstständig sein." Er entschied sich für den Trüffel-Export aus arabischen Ländern nach Europa. "Das ist nach drei Monaten in die Hosen gegangen." Stattdessen stellte er fortan in seiner Heimatstadt Bad Abbach Süßwaren her. Nach eigener Aussage verfügt er über die größte Glückskeks-Backanlage Europas. In Deutschland gebe es neben ihm lediglich einen weiteren Hersteller von Glückskeksen.

Sein jüngerer Sohn Raphael hat inzwischen die Firma übernommen und auch sein älterer Sohn werde wohl eines Tages einsteigen, sagt Schäfer. Er sei ein sehr glücklicher Vater: "Es ist schön, wenn man eine Idee hat, diese über Jahrzehnte durchzieht und dann ein Sohn das mit dem gleichen Feuer in den Augen übernimmt. Ein Glücksfall." Und wenn ihn Leute nach seinem Beruf fragen? "Dann lachen immer alle." (dpa)

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