Leben in Bayern

Illegaler Böller: Oft brennt die Zünschnur so schnell ab, dass er noch in der Hand explodiert. (Foto: dpa)

29.12.2017

"Lasst die Finger von den Dingern"

Sie sind farbenfroh und laut. Böller und Raketen haben zu Silvester Tradition. Einigen reichen die Kracher aus dem Supermarkt aber nicht. Sie kaufen in Tschechien und Polen ein - oder fangen an selber zu basteln. Das LKA warnt!

"Uns ist die Garage um die Ohren geflogen", sagt der 23-Jährige. An das, was vor einem Jahr in jener Garage in Weil (Landkreis Landsberg am Lech) passiert ist, erinnert er sich nur noch bruchhaft: "Ich weiß von dem Tag so gut wie nichts mehr." Fest steht: Der junge Mann, der anonym bleiben möchte, traf sich am 29. Dezember 2016 mit drei Freunden. Sie wollten selber Böller bauen.

Der Gefahr waren sie sich bewusst, wie der 23-Jährige sagt. "Wir konnten aber das Risiko nicht einschätzen." Als er gerade Chemikalien in einer Schale zwischen den Oberschekeln mischte, knallte es. Eine zweite Explosion folgte. Die Bank, auf der er saß, zerfetzte. Die Wucht der Detonation riss das Garagentor aus der Verankerung. Der Mann lag drei Wochen im Koma auf der Intensivstation: schwerste Hautverbrennungen und an beiden Oberschenkeln ragten Knochen hervor.

Sein Schicksal ist kein Einzelfall. Mehr als 70 Menschen sind laut Landeskriminalamt (LKA) in der vergangenen Silvesternacht in Bayern durch Böller und Raketen verletzt worden. Darunter waren mindestens fünf Schwerverletzte, die durch die Folgen nun auf einem Auge blind oder auf einem Ohr taub sind.

Über 70 Menschen wurden im vergangenen Jahr verletzt

Trotz seiner schweren Verletzungen kann der junge Mann aus Weil wieder Joggen und Skifahren. Aber seine Erfahrung macht ihn zum Mahner: "Lasst die Finger von den Dingern. Baut selber keine Böller und nutzt keine Böller aus Polen, Tschechien oder China."

Genau davor warnt auch das LKA wenige Tage vor dem Jahreswechsel. Die Böller aus den Nachbarstaaten bergen laut den Fachleuten viele Gefahren. "Oft brennt die Zündschnur so schnell ab, dass der Böller noch in der Hand explodiert", sagt Jürgen Gust, Sprengstoffexperte beim LKA. Ganze Gliedmaßen könnten dabei abgerissen werden.

Das zeigen am Donnerstag auch Versuche der Beamten auf einem entlegenen, abgesperrten Bereich in Garching bei München. Selbst in Deutschland zugelassene und handelsübliche Böller zerreißen einen Kohlkopf. "Die Hand kann schon beim kleinsten Kracher weg sein", sagt Gust. Das Problem: Fast alle Böller aus Polen und Tschechien seien an beiden Enden mit Gips verarbeitet - dazwischen das Schwarzpulver. "Je stärker die Verpackung, desto lauter der Knall", erklärt der Experte.

Extrem gefährlich: Illegale Böller aus Tschechien und Polen

Für Silvester mag das verlockend klingen, aber der Gips pulverisiere nicht. Dann fliegen Gips-Splitter durch die Luft und beschleunigen bis zu 300 Meter in der Sekunde. Das sei mit das Gefährlichste an den Krachern aus Osteuropa. "Die Explosion und die Splitter durchschlagen auch den Untersatz eines Autos", warnt Gust. Sein Fazit: "Diese Böller gehören nicht in die Hände von Normalbürgern."

Wie viele illegale Böller aus Tschechien und Polen über die Grenze nach Bayern gelangen, kann das LKA nicht sagen. Alleine am Mittwoch haben aber Beamte von Bundes- und Landespolizei im Landkreis Wunsiedel eine große Menge verbotene Pyrotechnik sichergestellt: Drei Männer im Alter von 23 bis 25 Jahren hatten in Tschechien mehr als sieben Kilogramm Feuerwerkskörper gekauft.

Abschrecken sollen auch die Strafen: Wer illegale Böller einführt oder selber bastelt, dem droht ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Das könne drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe bedeuten, so die Bundespolizei. Außerdem werde in bestimmten Fällen die Vernichtung der Böller in Rechnung gestellt.

Eine Gefahr unterschätzen laut LKA viele Menschen - egal ob sie Böller illegal gekauft, selber gebastelt haben oder in Deutschland legal erworben haben: Die Zündschnur brennt zwar manchmal ab, aber die Explosion bleibt erstmal aus. Viele Unfälle passieren, weil sich Menschen zu früh dem Böller nähern, wie die Experten des LKA erklären - und liefern gleich den Beweis: Bei ihren Versuchen explodieren zwei Böller aus Tschechien nicht - auch nach 30 Minuten nicht.
(Florian Reil, dpa) Foto (dpa) von einer komplett zerstörten Garage. Ein 23-Jähriger hantierte im vergangenen Jahr mit Chemikalien und hätte den Jahreswechsel beinahe nicht überlebt.

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