Leben in Bayern

Ein kleiner Igel bekommt mit einer Spritze etwas zu essen. Mehr als 140 Igel tummeln sich in der privaten Igel-Hilfsstation von Rentnerin Monika Lüdtke. (Foto: Armin Weigel/dpa)

09.12.2019

Mit 140 Igeln unter einem Dach

Igel, Igel, Igel, - mehr als 140 stachelige Vierbeiner tummeln sich in einer privaten Auffangstation in Niederbayern. Sie sind krank, verletzt oder zu mager, um den Winter ohne Hilfe zu überstehen. Ihre Pflegerin braucht dringend Unterstützung

Der kleine Igel schluckt gierig. Er liegt auf dem Rücken in der Hand von Monika Lüdtke, die ihm eine Spritze in sein Mäulchen hält. Keine 150 Gramm bringt der kleine Kerl auf die Waage. Ob er überlebt? Die Tierpflegerin ist sich da nicht sicher. Ein Kilogramm Gewicht bräuchte er für den Winterschlaf, sagt sie. In ihrem Haus in Bad Griesbach (Kreis Passau) hält die 65-Jährige mehr als 140 hilfsbedürftige Igel. Damit ist ihre private Auffangstation völlig am Limit. Lüdtke ist fast rund um die Uhr im Einsatz.

Die Igel sind jeweils in einer eigenen Plastikbox eingequartiert, in jeder steht eine Pappschachtel als Hütte. Die ist randvoll gestopft mit Fetzen aus Zeitungspapier, in die sich der Igel eingraben kann. Im Erdgeschoss des früheren Bauernhauses stapeln sich die Igel-Boxen bis fast unter die Decke. Aus manchen hört man leichtes Schnaufen oder kräftiges Husten. Einige Tiere sind krank.

Umdrehen kann man sich hier kaum noch. Im Flur sind meterhoch alte Zeitungen aufgeschichtet, in der Küche und auf der Anrichte stehen unzählige Schachteln und Schächtelchen mit Futter, Medikamenten und Spritzen. Alles ist auf die stacheligen Vierbeiner ausgerichtet. Ein strenger Geruch liegt in der Luft. Monika Lüdtke lebt mit ihrem Mann und der 24-jährigen Tochter in der Wohnung im ersten Stock.

Um 6.15 Uhr beginnt ihr Tag. Nach und nach mistet sie jede Box aus. Dann werden die Igel gewogen. Jedes Tier hat eine eigene Karteikarte, auf der Lüdtke notiert, wie sein Gesundheitszustand bei der Ankunft war und wie sich sein Gewicht entwickelt. Wer ein Kilo erreicht habe, sei reif für den Winterschlaf, erklärt sie. Die Tiere werden von Menschen aus der ganzen Region in die Station gebracht. Platz für mehr Igel hat sie nicht.

Viele Tiere sind unterernährt

Viele Tiere sind unterernährt. Als Insektenfresser finden sie einfach nicht mehr genug Futter. Aus Hunger verspeisen sie umso mehr Schnecken, was wiederum den Lungenwurm und somit Husten verursache. Übermäßiger Regenwurm-Genuss führe zu Darmproblemen. Beim Tierarzt kauft Lüdtke Arznei. Dafür gibt sie gut 500 Euro im Jahr aus. Hinzu kämen rund 1000 Euro im Monat allein für das Futter. Aber auch der Warmwasserverbrauch für das Reinigen der Boxen sei enorm.

Lüdtke bezahlt das meiste aus der eigenen Tasche, einen Teil bekommt sie durch Spenden ersetzt. "Ich kann nicht Nein sagen", bekennt sie. Die putzigen Tierchen täten ihr einfach leid. Der Mensch zerstöre ihren Lebensraum. Ihre größten Feinde neben dem Auto? "Hunde, Rasenmähroboter, Kellerschächte, engmaschige Zäune.", zählt sie auf. Als ehemalige OP-Schwester hat sie medizinische Kenntnisse.

Manche Igel seien in einem elenden Zustand. Einer sei in eine Drahtschlinge geraten, aus der er sich nicht habe befreien können. "Der Draht war schon im Bauch eingewachsen." Ein anderer habe in einem Zaun festgesteckt und sei dann von Hühnern angegriffen worden. Ein anderer habe beim verzweifelten Versuch, sich aus einem Zaun zu befreien, "sein eigenes Fußerl abgeknabbert".

Fit für den Winterschlaf

Den Mini-Igel setzt Lüdtke nach dem Füttern vorsichtig in seine Box zurück. Nun ist ein älterer Kandidat an der Reihe: Lüdtke legt den Igel in die Schale auf der Küchenwaage. Knapp ein Kilo zeigt das Gerät an. Das Kerlchen ist fit für den Winterschlaf. Als sie das Tier für den Fotografen in die Kamera hält, fängt der Igel an zu grunzen. "Das passt ihm gar nicht", sagt sie und lächelt. Sie streicht dem Igel über seinen stacheligen Kopf und setzt in ihn seinen Karton.

Zum Auswintern der Tiere bekommt Lüdtke Unterstützung von einem Landwirt. Der stellt seinen leerstehenden Stall bereit. Dorthin bringt Lüdtkes Mann die Boxen mit den nun wohlgenährten Igeln. Bis März oder April blieben sie im Winterquartier, ehe sie ausgewildert werden können, berichtet die Igel-Freundin. Für die nächsten Jahre hofft sie auf staatliche Hilfe oder auf eine Kooperation mit einem Verein, um die Arbeit und die Kosten stemmen zu können.

Sie verweist - wie auch der Bund Naturschutz (BN) und Organisationen - darauf, dass nur hilfsbedürftige Igel eingefangen werden dürften. Der BN empfiehlt Gartenbesitzern, große und mit Plastikplanen abgedeckte Laubhaufen zu errichten, im Frühling und Herbst zuzufüttern und auf Laubsauger und Rasenroboter zu verzichten.

Bis zum Nachmittag ist sie mit Ausmisten und Wiegen der Tiere beschäftigt. Anschließend bereitet sie das Essen zu. Täglich sechs Kilo Rinderhack, verrührt mit 50 Eiern. Das verputzen die Igel liebend gerne. Dazu gibt es ein paar Haferflocken oder Fertigfutter. Irgendwann im Laufe des Abends ist sie mit ihren Igeln fertig.
(Ute Wessels, dpa)

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