Leben in Bayern

Eine von nur vier Gondeln: Maximal 11 Personen passen in die Kabinen der alten Laber Bergbahn. (Foto: Jädicke)

11.08.2017

Oberammergau fährt auf Nostalgie ab

Die 60 Jahre alte Laber Bergbahn in Oberammergau ist weltweit die letzte ihrer Art. Ein Besuch bei Seilbahnchef Andreas Weber und seiner „alten Tante“

Sie passt wunderbar in den Zeitgeist. Retro ist schick. Auch am Berg. Die altertümliche Bergbahn am Rande von Oberammergau ist beliebt. „Bitte klingeln“, steht auf einem Zettel. Die Kasse an der Talstation der Laber Bergbahn ist verwaist. Wer hinauf will, wartet geduldig. Irgendwann kommt jemand und verkauft das Billett. Es geht nostalgisch zu und gemütlich.

Dabei sollte die putzige Bergbahn einst die Massen auf den 1684 Meter hohen Hausberg der Oberammergauer bringen. Direkt von den Passionsspielen im Tal auf den Laberjoch-Gipfel. Voll automatisch und am besten rund um die Uhr. „Die hatten damals wirklich Dollarzeichen in den Augen“, sagt Andreas Weber. Seit 18 Jahren wacht er als Betriebsleiter akribisch über jede Schraube, die hier verbaut wurde. Das Surren der Seile hat er seit Kindertagen in den Ohren. Der Vater war Maschinist in Garmisch-Partenkirchen an der Eckbauer Bahn. In München hat Weber später Elektrotechnik studiert. Anschließend entwickelte er zwei Jahre lang Messgeräte in der Systementwicklung am Fraunhofer Institut.

Aber sein Herz hängt am Duft der Schmierfette. Als er die Chance bekam, am Laberjoch Chef der Bergbahn zu werden, griff er zu. Seither prüft er die Standfestigkeit der Masten. Kümmert sich darum, dass Wartungsintervalle eingehalten werden. Zerlegt die Kabinen-Fahrkörbe in ihre Einzelteile und baut sie wieder zusammen. Gleichmütig verpasst er ihnen den blauweißen Anstrich und tauscht die Plexiglasscheiben aus. Vier Wochen dauert eine solche Revision. Einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Hin und wieder wird auch ein Bauteil ausgetauscht. All das ist Chefsache. „Bis ein neues Schräubchen eingesetzt werden kann“, sagt er, „geht es hin und her zwischen Hersteller, TÜV und Technischer Aufsichtsbehörde in München. Sogar das Wirtschaftsministerium redet mit.“

"Für den Job muss man ein bisserl bekloppt sein"

In den vergangenen sechs Jahrzehnten wurde viel investiert. Eine halbe Million kosteten alleine zwei neue Stützen. Je 200 000 Euro die neuen Trag- und Zugseile. Neue Anschlüsse, die Steuerung oder auch mal die Terrasse für das Laber Haus. Alleine in seiner Dienstzeit hat Weber der „alten Tante“, wie er die kleine Bahn liebevoll nennt, rund zwei Millionen Euro spendiert. Nach der Katastrophe in Kaprun, im November 2000, bekam auch die Laber Bergbahn ein neues Brandschutzkonzept – für 300 000 Euro. Einmal wurden die Stützen erneuert, zweimal die Steuerung. Zweimal wurden die Seile ausgetauscht.

Für den technikverliebten Ingenieur ist die antiquierte Mechanik das Paradies. „Wir fahren jetzt ganz auf Nostalgie“, sagt er. „Auf geht’s!“ Eine niedliche, blauweiß lackierte Gondel kommt gerade um die Kurve. Vier sind es insgesamt. Jede 330 Kilogramm schwer. Je zwei fahren in einer Spur, bergan und talwärts. Am Bahnsteig machen sie kurz halt. Dann schweben sie fünf Meter pro Sekunde über dem Nordhang das Laberjoch hinauf.

Über den Seilen breitet sich schönster weiß-blauer Bayernhimmel aus. Unter der Gondel verläuft eine der steilsten Skiabfahrten Deutschlands. „Das ist nichts für Anfänger“, warnt Weber, der auch Vorsitzender der Lawinenkommission ist. Nicht einmal für einigermaßen-Könner. „Die Piste ist tief schwarz“, sagt er.

Oben angekommen hat man einen atemberaubenden Rundblick über die bayerischen Alpen. Im Norden über die Seen im Voralpenland bis nach München. Estergebirge mit Wank, Fricken und Krottenkopf, das Wettersteingebirge und die Ammergauer Alpen bilden auf der anderen Seite von Osten über Süden nach Westen ein eindrucksvolles Panorama. Manche Gäste kommen aber nur wegen Marcus Urbans Kaiserschmarrn hier hoch“, sagt Weber. Urban ist seit Dezember 2016 der neue Pächter auf dem Laber Haus.

Mehr als 4,2 Millionen Gäste in 60 Jahren

Technisch war das Retro-Bähnchen der letzte Schrei, als es am 1957 seine Jungfernfahrt antrat. Zuvor fuhren nur Materialseilbahnen mit der Zweiseil-Umlauftechnik. Dank besserer Seile konnten jetzt auch geschlossene Kabinen über eine Umlenkscheibe in der Tal- und Bergstation fahren, und das mit gleichbleibender Geschwindigkeit.

Butterweich gleitet sie noch immer über das Tragseil: 2043 Meter lang, 25,5 Millimeter Durchmesser und 87 Tonnen Tragkraft. Angetrieben wird die Bahn von einem kleinen 110 PS-Motor. Ohne ein Rucken oder Zucken überwindet sie die 784 Höhenmeter von Oberammergau zum Gipfel. Das Zugseil ist 4070 Meter lang, aber nur 19 Millimeter stark. Trotzdem hat es 27 Tonnen Zugkraft. „Das untere Seil zieht das ganze Gspiel“, sagt Weber.

Allerdings: Der vollautomatische Traum von einst war schnell geplatzt. Schon bei Baubeginn 1955 passten Konzept und Baupläne nicht mehr in das neue Regelwerk der Bauordnung für Seilbahnen. Zwischen 1955 und 1957 hatten die Behörden alles verändert. So musste die Seilbahn der neuen Verordnung angepasst werden. Die Folge war das finanzielle Aus. Erst kam die Insolvenz. Dann die Rettung durch eine Auffanggesellschaft: der Laber Bergbahn GmbH und Co KG. 1960 kaufte das Kloster Ettal 40 Prozent der Anteile. 41 Prozent hält ein Berliner Bauunternehmer und 19 Prozent liegen bei privaten Oberammergauern. „Manch einer hat damals sogar den Diesel aus eigener Tasche bezahlt, damit die Bahn fahren kann“, erzählt Weber. Auch um den Tourismus voranzubringen.

Mehr als 4,2 Millionen Gäste hat die Großkabinen-Bahn seither auf den Gipfel gebracht. Und wieder hinunter. „Unfallfrei“, betont Weber und muss schmunzeln „Großkabinen. Na ja. In den 1950er-Jahren ganz sicher.“ Maximal elf Fahrgäste schaffen die Kabinen. Acht sind es sogar nur, wenn sie mit Skiern einsteigen. Dafür aber verbreiten die Kabinen, in denen sich die Fenster noch öffnen lassen und in denen stets ein Hocker steht, den Charme alter Seilbahntechnik. „Alt darf sie ja ruhig sein“, sagt Weber. „Nur gepflegt muss sie sein.“ Bestrebungen, neue Gondeln mit mehr Kapazität einzusetzen, haben nie echte Fürsprecher gefunden.

In Andreas Webers Werkstatt verströmen historische Blechdosen mit Schmierfetten Technikromantik. „Als Betriebsleiter einer alten Bahn wie der Laber Bergbahn muss man ja ein bisserl bekloppt sein“, sagt er. Und muss ein Team haben, auf das man sich verlassen kann. „Es gibt ja kein Regelwerk oder eine Betriebsanleitung“, sagt Weber. Wenn ein Problem auftaucht, setzt man sich zusammen und bespricht es. In neuen Bahnen dagegen seien so viele zertifizierte Bauteile verbaut, „die werden einfach durch ein Prüfprogramm gejagt und ausgetauscht.“ Mit der technischen Tüftelei, wie Weber sie mag, hat das wenig zu tun. Auch deshalb ist ihm die nostalgische Bergbahn so ans Herz gewachsen. „Da kommt auch der TÜV von der TU Stuttgart gerne zur Revisionsabnahme“, sagt er. Weil man bei der Laber Bergbahn noch Herz braucht und Sachverstand.
(Flora Jädicke) Fotos (Jädicke):
Bergbahn-Chef seit 18 Jahren: Andreas Weber.
Das historische Umlaufrad: alt, aber gut gepflegt.

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