Leben in Bayern

Stau bei Kiefersfelden kurz vor der Grenze. (Foto: dpa)

08.01.2018

Schwerlastverkehr am Brenner nervt Anwohner

Von der Brenner-Autobahn aus sehen die Dörfer nett aus. Kirchtürme, Bauernhöfe. Für die Anwohner ist das Leben oft weniger idyllisch. Millionen Lastwagen und Autos poltern hier jedes Jahr vorbei. Österreich und Italien wollen diesen Zustand beenden. Doch wie?

Wer schon mal mit dem Auto nach Italien gefahren ist, weiß: Am Brenner gibt es oft Stau. Die Autobahn von Österreich über den Alpenpass nach Italien gilt als eine der meistbefahrenen Alpentransitstrecken Europas, zum Leidwesen der Anwohner. Nicht nur Autos, auch mehr als 2,2 Millionen Lastwagen donnern hier jedes Jahr entlang. Sie sind laut und verpesten die Luft. Und sie verstopfen die Straßen in den Dörfern. Denn wer sich die Maut sparen oder einen Stau umfahren will, weicht auf vermeintliche Schleichwege aus. Probleme, die bis nach Brüssel gedrungen sind. Unter Leitung der EU-Kommission treffen sich deshalb am 5. Februar in München Vertreter aus Italien, Österreich und Deutschland zum Brenner-Gipfel. Gemeinsam wollen sie nach Lösungen suchen, denn zwischen den Ländern sorgt das Thema Transitverkehr für dicke Luft.

Wie notwendig ein Kompromiss ist, das war am Montag auf der Inntalautobahn A93 Richtung Süden zu sehen. Kilometerlang reihten sich die Lastwagen aneinander. Der Grund: Österreich hatte beschlossen, ab 5.00 Uhr früh mal wieder eine Blockabfertigung einzurichten. Damit sollten nach den Fahrverboten am Sonntag und am Feiertag Heilige-Drei-König Staus im Großraum Innsbruck und Richtung Brenner vermieden werden.

Pro Stunde durften nur etwa 250 Lkw die Grenze bei Kufstein passieren. Der Rest? Musste warten. Schon kurz nach 5.00 Uhr stauten sich die ersten Fahrzeuge, eine halbe Stunde später fuhr ein Laster auf einen anderen auf. Es blieb beim Sachschaden. 40 Beamten waren laut Polizeipräsidium Oberbayern Süd im Einsatz und versuchten, die Lastwagen auf den rechten Fahrstreifen zu lotsen. Die linke Fahrbahn sollte für den restlichen Verkehr frei bleiben, was meistens auch gelang. Dafür standen die Laster in Kolonne, zeitweise die gesamte A93 entlang über das Inntaldreieck bis auf die A8, Höhe Bad Aibling. Im Vergleich zu Anfang Dezember allerdings noch glimpflich. Da war der Rückstau rund 40 Kilometer lang und reichte über die A8 "bis zum Irschenberg", berichtete ein Polizeisprecher.

Streit mit Österreich

Entsprechend verärgert reagierten die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung in Berlin. "Österreich verstößt klar gegen den EU-Grundsatz des freien Warenverkehrs. Kilometerlange Staus schränken den Straßengüterverkehr ein und gefährden die Verkehrssicherheit. Die Lkw-Blockabfertigung muss ein Ende haben", forderte deshalb im Dezember Bundesminister Christian Schmidt (CSU).

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach dagegen von einer rechtlich zulässigen Notmaßnahme. "Die Belastungsgrenze für Mensch, Natur und Infrastruktur in Tirol ist erreicht", sagte er. Von Deutschland und der EU erwarte er keine Kritik, "sondern endlich klare Zugeständnisse zur Verlagerung des Güterschwerverkehrs auf die Schiene." Wichtig sei auch, die Maut im gesamten Brennerkorridor von München bis Verona anzugleichen. Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) versprach, Tirol "in seinem Kampf gegen die Transitbelastung und gegen den massiven Widerstand Bayerns zu unterstützen".

Auch Italien hat ähnliche Forderungen. "Es liegt auf der Hand, dass der Verkehr verlagert werden muss. Die Kapazitätsgrenze ist erreicht", sagte Südtirols Landeshauptmann Arnold Kompatscher der Deutschen Presse-Agentur in Rom. Allerdings sei der Transitverkehr stark mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. Kompatscher hofft, dass Österreich seinen Dieselpreis anhebt, der im Vergleich zur Schweiz niedriger sei. "Schnellstens" müsse auch der Verkehr auf die Schiene verlagert werden. Der Brennerbasistunnel sei mit seinen Zulaufstrecken eine gemeinsame Lösung, in die allerdings noch mehr Energie fließen müsse.

Künftig ganze Lastwagen auf Züge verladen?

Auch Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann will erreichen, dass der Güterverkehr stärker als bisher auf die Schiene verlagert wird. Er würde gerne den kombinierten Verkehr stärken, bei dem ganze Lastwagen auf Züge verladen werden, damit sie so durch den Brennerkorridor rollen können. Durch niedrigere Trassenpreise könne das wieder attraktiv werden. "Bei dem Gipfeltreffen werden wir ausloten, was beide Seiten dafür tun können", sagte der CSU-Politiker.

Ähnliche Hoffnungen hegt man im oberbayerischen Kiefersfelden. "Bei uns kumulieren die Verkehrsprobleme an der Grenze im Inntal", erklärt der Erste Bürgermeister Hajo Gruber (Unabhängige Wählergemeinschaft). Die 7000 Einwohner ärgern sich nicht nur über den Rückstau auf der Autobahn.
Viele Autofahrer, vor allem auf dem Weg in die Skigebiete, umgehen die Grenzkontrollen oder wollen sich kein Mautpickerl kaufen und fahren durch den Ort. "Die Tiroler Landesregierung versucht, das Thema Lebensqualität im Inntal auf oberste Ebene zu heben, das ist sehr im Interesse des gesamten Inntals", findet Gruber.  (Cordula Dieckmann, dpa)

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