Politik

Fernsehgeräte mit HbbTV-Funktion teilen den Sendern offenbar kontinuierlich mit, welche Programme der Zuschauer sieht. (Foto: dpa)

27.03.2015

Achtung, der Flimmerkasten schaut mit

Smart-TVs werten Zuschauerverhalten aus – sie beschränken sich dabei nicht aufs Fernsehprogramm

Brisante Nachricht von den bayerischen Datenschützern: Internetfähige Fernseher spähen ihre Nutzer aus. Abstellen lassen sich diese Datenflüsse nur sehr schwer. Um mit dem rasant wachsenden technischen Fortschritt mithalten zu können, wünscht sich Thomas Kranig, Präsident des Landesamts für Datenschutzaufsicht, mehr Personal. Und bekommt dafür Unterstützung von den Grünen. Der Datenschutz in Bayern ruht auf zwei Säulen. Zum einen auf dem Landesdatenschutzbeauftragten, der im Freistaat die öffentliche Verwaltung überwacht. Zum anderen auf dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht, zuständig für die Privatwirtschaft. Und dieses Landesamt in Ansbach, mit einem Präsidenten und 16 Mitarbeitern eines der kleinsten in Bayern, hat Anfang dieser Woche eine Pressekonferenz gegeben, die es in sich hatte.
Ein Smart-TV ist ein Fernsehgerät mit Internetanschluss und App-Funktion. Wer so etwas nutzt, ist nach Erkenntnissen der mittelfränkischen Datenschützer nicht davor sicher, dass ihn sowohl Gerätehersteller als auch Fernsehsender konsequent ausforschen. Dies passiert über einen sogenannten Rückkanal, über den das Sehverhalten des Zuschauers je nach Gerätetyp teils sehr genau mitprotokolliert und an Dritte übertragen wird.
„Wir haben festgestellt, wie gesprächig und kommunikativ diese Geräte einerseits und wie beschränkt die technischen Möglichkeiten der Fernsehnutzer andererseits sind, diese Datenflüsse zu erkennen oder gar abzustellen“, sagt Thomas Kranig, Präsident des Landesamts für Datenschutzaufsicht. Seine Behörde hat im vergangenen Jahr Smart-TVs von 13 Herstellern überprüft, die 90 Prozent des deutschen Markts abdecken.

Rückschlüsse auf politische Ansichten, Interessen, Alter

Fernsehgeräte mit HbbTV-Funktion und Geräte-ID teilen den Fernsehsendern offenbar kontinuierlich mit, welche Programme der Zuschauer ansieht. Dabei ließen sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit Fernsehquoten bestimmen, ohne dass die Geräteeigentümer dazu eingewilligt haben“, sagt Kranig. Ganz ähnlich verhalte es sich mit den auf dem Gerät angebotenen Apps –  der Betreiber könne überwachen, „wann welche App geöffnet wurde“. Die rechtliche Prüfung, die diese Erkenntnisse erforderlich gemacht hätten, dauert laut Kranig noch an.
Problematisch sei auch, wenn das Fernsehgerät basierend auf individuellem Sehverhalten dem Zuschauer Vorschläge mache, welche Sendungen ihm wahrscheinlich gefallen würden. Denn dabei erstelle das Gerät nichts anderes als ein „Nutzerprofil, aus dem sich Aussagen über Interessen, Alter, politische oder religiöse Ansichten oder den Gesundheitszustand ableiten lassen“, warnt Kranig.
Wer sich indes zum Beispiel bei Apples Downloaddienst iTunes Musik oder Filme ansieht, muss auch damit rechnen, dass Apple das Kaufverhalten aufzeichnet. Und auch wer sich bei YouTube einloggt, erhält Vorschläge, welche anderen Videos zum eigenen Sehverhalten passen. Dies lässt Kranig aber nicht als Gegenargument gelten: „Sie wissen bei Apple und bei YouTube, wer Ihr Gegenüber ist und wer Ihr Verhalten aufzeichnet. Bei den Smart-TVs ist bislang noch nicht geklärt, an wie viele Empfänger der Rückkanal Ihre Daten überträgt.“ Ebenfalls noch nicht geklärt ist, für was sich der Rückkanal sonst noch alles interessiert. Wer einen USB-Stick in seinen Fernseher steckt und sich darüber einen vielleicht privat gedrehten Film ansieht, muss zumindest bei einem Teil der Geräte damit rechnen, dass der Rückkanal weit offenen Auges mitschaut.
Die mittelfränkische Behörde hat diese Untersuchung im Auftrag aller anderen Datenschutzbeauftragten in Deutschland durchgeführt, denn solche Aufgaben sind in der Bundesrepublik föderal geregelt. Kranig wünscht sich zusätzliches Personal, um mit dem rasant wachsenden technischen Fortschritt mithalten zu können. Unterstützung erhielt er diese Woche prompt von den Landtags-Grünen. Die Staatsregierung sei „dringend angehalten, die Personalausstattung des Landesamts für Datenschutzaufsicht vor allem in den Bereichen Informatik/Technik und Förderung der Medienkompetenz aufzustocken“, verlangte die netzpolitische Sprecherin Verena Osgyan.
Dass das Landesamt gute Arbeit leiste, findet auch Florian Ritter, Datenschutzexperte der SPD-Landtagsfraktion: „Denn es behält im Blick, ob private Unternehmen sorgfältig mit den ihnen anvertrauten Informationen umgehen.“ Wer zum Beispiel online ein Hotelzimmer buche, erklärt Ritter, „muss sich darauf verlassen können, dass seine persönlichen Informationen sicher sind“. Um diese Sicherheit zu festigen, fordert Ritter ein gemeinsames Datenschutzrecht für ganz Europa. „Jedes Land hat im Augenblick seine eigenen Standards. Wenn es hier zu einer Einigung kommt, kann im Sinne der Verbraucher viel mehr durchgesetzt werden.“
In dieser Frage ist Thomas Kranig weniger optimistisch. Sobald die Datenschutz-Grundverordnung, über die in Brüssel diskutiert wird, in Kraft trete, werde deutsches Datenschutzrecht „annähernd vollständig unwirksam“. Dass ein europäischer Kompromiss ähnlich streng wie deutsche Vorschriften ausfallen könne,  daran glaubt er nicht. „Wer durch die Straßen in London spaziert, ist so gut wie ständig im Fokus einer Überwachungskamera. Andere Länder, auch in Europa, haben da schlicht ein geringeres Problembewusstsein als wir.“ (Jan Dermietzel)

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