Politik

10.09.2010

Anachronismus Wehrpflicht

Kommentar von Roswin Finkenzeller

Seehofer wollte nicht vor Guttenberg strammstehen, dieser aber auch nicht vor jenem. Schließlich bedachte der Parteivorsitzende, dass in der CSU wie überhaupt in Deutschland der Bundesverteidigungsminister beliebter sei als er. Deshalb darf jetzt Guttenberg die Wehrpflicht, eine bisher heilige CSU-Kuh, entweder abschaffen oder aussetzen oder einschränken oder sonstwie nach schwarz-gelbem Ermessen ummodeln.
Allmählich wird es Zeit, der Wehrpflicht die Grabrede zu halten. Eine solche müsste das Eingeständnis enthalten, dass Staatsmänner es lieben, wenn Bürger Pflichten haben, weil dann leichter über sie zu disponieren ist. Auch wäre jenen CSU-Politikern auf die Schulter zu klopfen, die sich die historische Wahrheit angelesen hatten, dass im 19. Jahrhundert die allgemeine Wehrpflicht ein Gebot der Demokratisierung war. Den neuen Bürgerrechten sollte halt ein Pflichtenkatalog entsprechen. Davon aber wollten nach dem Zweiten Weltkrieg als gebrannte Kinder viele Deutsche nichts mehr wissen. Daher die typisch deutsche Vereidigungspolitik mit spitzen Fingern. Daher die Kunstfigur des „Bürgers in Uniform“. Daher die Duldung aller wie auch immer motivierten Wehrdienstverweigerungen.
Eine Pflicht aber, der sich mit etwas Geschick so gut wie jeder entziehen kann, ist keine. Ein Pflichtbewusstsein im Hinblick auf die Streitkräfte wurde der Bevölkerung mit deutscher Gründlichkeit ausgetrieben. Dem entsprach die regierungsamtliche Vernachlässigung der Rekrutenausbildung. Wer beispielsweise zur Poststelle abkommandiert wurde, wo er monatelang Pakete aufzuschlitzen hatte, erfuhr über Landesverteidigung verhältnismäßig wenig. Als es einem sozialdemokratischen Bundeskanzler einfiel, ein Tabu zu brechen und deutsche Soldaten ins Ausland zu schicken, bedeutete das noch lange nicht das Ende aller Schlamperei. Die Folgen sind in Afghanistan zu besichtigen. Die Ausbildung der in einen Guerillakrieg geführten Soldaten ist mangelhaft, deren Ausrüstung ungenügend.
Die Wehrpflicht – ein Anachronismus. Eine Freiwilligenarmee hätte schon den Vorteil, dass sich zu ihr die richtigen Leute melden. Die Politiker sollten für einen auch technisch zeitgemäßen Wehrdienst sorgen und die alte Geschichte, die Wehrpflicht sei die Klammer zwischen Volk und Armee, den Märchentanten überlassen.

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