Politik

Der Passauer Oberbürgermeister Jürgen Dupper (r.) im Gespräch mit einem Helfer am Hauptbahnhof. (Foto: Francois Weinert/ mediendenk)

13.10.2015

Angst vor einem "riesengroßen Flüchtlingslager"

Was passiert, wenn man in Grenznähe Transitzonen einrichtet - Passaus Oberbürgermeister befürchtet ein "zweites Jordanien"

Das Thema brennt Passau auf den Nägeln: die CSU/CDU-Ankündigung nach dem Vorbild von Flughäfen Transitzonen für Flüchtlinge in Grenznähe einzurichten. Wird die Passauer Grenzregion, wie es der Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) überspitzt formuliert, ein zweites Jordanien? Die Passauer Stadträte diskutieren über das Projekt Transitzonen und sind sich - bis auf die CSU-Vertreter - darüber einig: Nicht mit uns! CSU-Stadtrat Andreas Scheuer, der am Vorabend in seiner Funktion als CSU-Generalsekretär im ARD-Talk von Günther Jauch die Transitzonen als wirksame Notbremse gegen den Flüchtlingszulauf verteidigt hatte, kommt zur Stadtratssitzung am gestrigen Montag 40 Minuten zu spät. Er entschuldigt sich, der städtische Verkehr sei etwas dichter gewesen als erwartet. Zur Belustigung der Zuhörer erlaubt er sich einen kleinen Seitenhieb gen Oberbürgermeister und mahnt das fehlende Verkehrskonzept an. Das eigene Konzept zu den Transitzonen allerdings bleibt er an diesem Abend schuldig.  Die Innenminister der Länder, Vertreter aller Parteien würden daran arbeiten, lamentiert er. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Flisek, ebenfalls Passauer Stadtrat, wird dagegen konkret. Es gebe bis dato nur die Vorlage von Transitzonen, wie wir sie von Flughäfen kennen. Dort sei die Personenzahl überschaubar, unter Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten würden die Verfahren im Schnitt drei bis vier Wochen dauern, betont er. Wer glaube, er könne solche Verfahren für eine Masse von Menschen an der Grenze einführen, betreibe Augenwischerei. „Mir fehlt jede Vorstellung, wie das aussehen sollte“, sagt er. Die Flüchtlinge müssten in "gigantisch riesigen Lager" untergebracht und dort für mehrere Wochen versorgt werden. „Alle Kollegen, die es mit der Heimat ernst meinen, müssen sich massiv dem Konzept einer Transitzone entgegenstellen“, appelliert Flisek.

OB Dupper zeichnet ein düsteres Szenario

Was eine Transitzone für eine Grenzstadt wie Passau bedeuten könnte, schildert zuvor Oberbürgermeister Jürgen Dupper drastisch. Scheuer selbst verpasst diesen Vortrag. Selbst das Dreiflüssestadion würde als "Zwischenlager" nicht ausreichen, sagt  Dupper. Medien von Berlin bis London hätten bei ihm heute angerufen. Die Reporter wollten wissen, wie so eine Transitzone an der Grenze aussehen würde. Er habe es keinem erklären können, weil sich keiner der Befürworter darüber konkret geäußert hat. Dupper versucht sich an einem Szenario, die Transitzone eines Flughafens auf den Passauer Bahnhof zu übertragen. Dort kommen jede Woche 20.000 Flüchtlinge an. Selbst wenn man es schaffen würde, die 20 Prozent abzuscheiden, die nicht aus Syrien, Afghanistan oder Irak kommen, verblieben 4000 zu klärende Asylanträge pro Woche, erklärt er.  Ein Beamter des Bundesamtes für Migration schaffe vielleicht zehn Leute am Tag. Wo wollte man die viele Mitarbeiter hernehmen, wohin sie setzen? „Für die Stadt Passau kann es bedeuten, dass wir schlimmstenfalls auf Dauer ein riesengroßes Flüchtlingslager sind“, warnt Dupper.

Selbst von rechts wird der Vorschlag kritisiert

Dazu kommt: Weder die bayerische noch die Bundespolizei seien logistisch oder personell in der Lage, eine solche neue Aufgabe zu bewältigen, sagte FWG-Stadtrat und Kripobeamter Siegfried Kapfer. Die Kollegen seinem Ende, manche hätten seit zehn Wochen kein freies Wochenende mehr gehabt. Und selbst der Rechtsaußen im Stadtrat, Oskar Ratzinger von "Pro Passau", hält Transitzonen für einen "sehr problematischen, polemischen Versuch" des bayerischen Ministerpräsidenten. Dem aber folgte ein markiger Spruch: Das Abendland müsse an den EU-Außengrenzen verteidigt werden, so Ratzinger. Aber Lob von ungewöhnlicher Seite gibt es am Ende des Abends auch: Von SPD-Mann Jürgen Dupper über die Bayerische Staatsregierung. Beim Flüchtlingsgipfel sei ein großer Block zum Thema Integration vorgestellt worden. Duppner hält die Ansätze für „ausgefeilt“ und „sachgerecht“. „Man hat ein gutes Gefühl“, sagte er. (Hubert Denk) Foto: CSU-Stadtrat und Generalsekretär Andreas Scheuer verteidigt die geplanten Transitzonen; mediendenk

Kommentare (2)

  1. Ex CSU Wähler am 14.10.2015
    Zuständig für Beschwerden ist das Bundeskanzleramt!
  2. patriot_whiteblue am 13.10.2015
    Ein wenig mehr Ehrlichkeit würde der Debatte wirklich gut tun. Die Bundeskanzlerin, SPD und Grüne können bzw. wollen den Zuzug nicht begrenzen. Gut. Dann sollen sie aber auch ehrlich sagen, dass es sich nicht um 1 oder 2 oder 3 Millionen Menschen handelt, sie evtl noch nach Deutschland kommen in den nächsten fünf Jahren, sondern um 10, 20 oder 30. Das entspricht nämlich der reisefähigen Bevölkerung aus Syrien, Irak, Libanon, Afghanistan, Somalia, Eritrea usw. - alles Länder, wo 99,9 Prozent der Menschen deutlich schlechter leben als jeder Hartz-IV-Empfänger bei uns. Warum sollte ein einziger dort bleiben, wenn die Bundeskanzlerin verspricht, dass "wir" (wer ist eigentlich "wir"???) es schaffen, dass es hier Taschengeld gibt und Gesundheitskarten und bald auch Wohnungen gebaut werden. Warum sollte ein einziger reisefähiger potenzieller Migrant in diesen desolaten, korrupten, von Gewalt und Naturkatastrophen heimgesuchten Staaten bleiben wollen, wenn ihm hier ein besseres Leben versprochen wird? Glaubt das irgendjemand? Hält einer diese Menschen wirklich für so doof?Wenn diese Menschen dann aber kommen, im zweistelligen Millionenbereich, wenn davon auch die Armen aus Nigeria, dem Kongo, aus dem Sudan und Mauretanien hören - dann wird dieses neue Europa nichts mehr mit dem zu tun haben, wie wir es kennen. Das, was heute noch als Sozialstaat vorhanden ist, wird nicht mehr finanzierbar sein. Das kann man, wie es Politiker von SPD, Linken und Grünen im Bundestag tun, wie es die Herren Bischöfe Bedford-Strohm (evangelisch) und Reinhard Marx (katholisch) tun, als ein erstrebenswertes Ziel ansehen: eine radikale,endgültige und unumkehrbare Umverteilung des von den Deutschen erarbeiteten Wohlstands auf die Menschen der Entwicklungsländer. Aber dann soll man es ihnen auch gefälligst ehrlich ins Gesicht sagen!!! Alles andere ist, sorry, erbärmlich feige!!!
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