Politik

05.08.2011

Arme Alleinerziehende

Ein Kommentar von Waltraud Taschner

Einmal verheiratet, für immer versorgt – dass diese Gleichung im 21. Jahrhundert ihre Gültigkeit verloren hat, ist nicht zu bemängeln. Ganz im Gegenteil: Wird heute eine Ehe geschieden, darf das nicht dazu führen, dass der Besserverdienende dem Ex-Partner für immer und ewig unterhaltsverpflichtet ist und sich somit möglicherweise eine erneute Ehe und/oder Familie schlicht nicht mehr leisten kann.
Insofern ist es nur konsequent, dass der Bundesgerichtshof diese Woche die Rechte der Unterhaltszahler gestärkt hat und vom Ex-Partner verlangt, nach drei Jahren häuslicher Kinderbetreuung wieder Vollzeit zu arbeiten. Leider aber hat das Gericht dem Gesetzgeber nicht die Pflicht auferlegt, dafür auch die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Vor allem wären dies: Kinderbetreuungseinrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten, das Recht, von einer Teilzeitbefristung in Vollzeit zurückzukehren sowie eine verpflichtende Frauenquote für die Wirtschaft.

Die Scheu der Arbeitgeber


Alleinerziehende: Das sind heute zu 90 Prozent Frauen, die überdurchschnittlich häufig arbeitslos und deshalb auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Denn noch immer scheuen Arbeitgeber davor zurück, Frauen mit Kindern einzustellen – selbst dann, wenn sie mit dem Vater zusammenleben. Was bei männlichen Job-Aspiranten für Solidität steht – Familie und Kinder – gilt bei Müttern als Risikofaktor. Wird doch geargwöhnt, Mami schafft wegen des Nachwuchses nicht das gleiche Pensum, das man Papi automatisch zutraut. Für alleinerziehende Mütter gilt das noch in weit stärkerem Maße.
Genährt werden derlei Vorbehalte durch oft wenig flexible Kita-Öffnungszeiten. Selbst wer das Glück hat, einen Betreuungsplatz zu ergattern, muss die Zwergerl meist zu wenig Job-affinen Zeiten und unter kollektivem Naserümpfen von Kollegen und Chefs wieder abholen. Eine Frauenquote für Führungspositionen könnte da Wunder wirken. Würden es nämlich mehr Frauen, zumal solche mit Kindern, in die Chefetagen schaffen, steigerte dies das Verständnis für und die Förderung von Kolleginnen mit Nachwuchs. Nicht zuletzt bestünde so die Chance, einen weiteren Missstand zu beheben: die noch immer schlechtere Bezahlung von Frauen.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – mit einem Entgeltgleichheitsgesetz wäre vielen Müttern geholfen. Den Vätern wiederum, die sich häufig um eine Berufs-Auszeit zugunsten des Nachwuchses drücken, wäre das Argument genommen, Papa könne keinen Erziehungsurlaub nehmen, weil er mehr verdiene als Mama.
Dafür, dass sich der aktuelle Richterspruch in der Praxis bewährt, hat der Gesetzgeber also eine Fülle von Möglichkeiten. Er sollte sie nutzen.

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