Politik

Krawalle in Frankfurt: Ein Vorgeschmack auf den G7-Gipfel in Elmau? Die bayerische Polizei wird das verhindern, glaubt Hermann Benker. (Foto: dpa)

17.04.2015

„Auch Sitzblockaden sind eine Form von Gewalt“

Hermann Benker, Gewerkschaftschef der bayerischen Polizei, über die Herausforderungen des G7-Gipfels und den schwierigen Dialog mit Protest-Veranstaltern

Über 17 000 Polizisten kommen im Juni beim G7-Gipfel in Elmau zum Einsatz. Hermann Benker ist überzeugt: Eine Eskalation der Gewalt wie in Frankfurt wird es nicht geben. Mehr Sorgen macht er sich um die unterbesetzten Dienststellen. Und wenn dann auch noch der FC Bayern das zeitgleich stattfindende Champions-League-Finale gewinnt, könnte es in München richtig hoch hergehen.
BSZ: Herr Benker, bereitet Ihnen der bevorstehende G7-Gipfel auf Elmau schon schlaflose Nächte?
Hermann Benker: Nein, ich bin mir sicher, dass die bayerische Polizei diesen Einsatz hervorragend bewältigen wird.

BSZ: Hat Sie die Eskalation der Gewalt bei der Eröffnung des EZB-Neubaus in Frankfurt nicht erschreckt?
Benker: Positiv ist doch, dass die Einsatzleitung jetzt noch mal Gelegenheit hat, die Erfahrungen aus Frankfurt auszuwerten. Klar ist aber auch, Frankfurt und das Werdenfelser Land sind nicht vergleichbar. In Frankfurt konnten Störergruppen durch das verschachtelte Straßennetz, die U-Bahn und andere Verkehrsmittel schnell irgendwo auftauchen und sich genauso schnell wieder entfernen. Solche Freiräume haben die Chaoten in Garmisch nicht. Außerdem bin ich mir sicher, dass die bayerische Polizei eine vergleichbare Eskalation verhindern kann. Durch Vor- und Grenzkontrollen, Erkenntnisse von befreundeten Polizeiverbänden und auch Einsatzkonzepte, die weit vor dem eigentlichen Einsatzraum ansetzen.

BSZ: Besonders harte Gegenreaktionen der Polizei standen in der Vergangenheit in der Kritik. Werden Einsatzkräfte entsprechend geschult, damit sie auch in brenzligen Situationen nicht überreagieren?
Benker: Natürlich sind psychologische Schulungen Teil der Aus- und Fortbildung. Aber wenn Wurfgeschosse oder Waffen gegen unsere Kräfte eingesetzt werden, es also um das nackte Überleben geht, ist es auch verständlich, wenn mal etwas kräftiger vorgegangen wird. Leider gibt es das Phänomen, dass Chaoten oft aus der Deckung über die Köpfe von friedlichen Demonstranten hinweg Einsatzkräfte mit Wurfgeschossen attackieren. Und dann kann es echt schwierig werden. Allerdings kommt uns auch hier wieder die Einsatzörtlichkeit zugute. Im Gegensatz zu Heiligendamm wird der Zaun in Elmau die Demonstranten nicht daran hindern, sich zu entfernen. Ein Kessel kann so kaum entstehen. Und der Sperrgürtel um das Plateau wird ohnehin für niemanden zugänglich sein.

BSZ: Aber Zwischenfälle sind doch nicht auszuschließen.
Benker: Nein, ich kann mir durchaus vorstellen, dass es einzelne spektakuläre Aktionen geben wird. Vielleicht mit einem Lenkdrachen oder etwas ähnlichem.

BSZ: Bringen Sie jetzt nicht vielleicht jemanden noch auf Ideen?
Benker: Das muss ich nicht, ich bin mir sicher, dass es Überlegungen, das Überflugverbot zu ignorieren, gibt. Aber irgendwo muss man auch wieder landen. Und dort wird man dann von der Polizei in Empfang genommen – mit allen Konsequenzen. Ein Massenproblem sehe ich nicht.

"Das Problem ist doch, dass es gar keinen wirklichen Ansprechpartner gibt"

BSZ: Massive Polizeipräsenz ist das eine, aber wie sieht es mit Deeskalationsstrategien aus?
Benker: Es gibt Soziologen, die eine Deeskalation für ein Zeichen von Schwäche halten. Das Problem aber ist doch, dass es gar keinen wirklichen Ansprechpartner gibt. Die Landtags-Grünen zum Beispiel treten zwar als Gegenveranstalter auf, aber es geht ja nicht um die friedlichen Demonstranten, die ein berechtigtes Anliegen auf die Straße bringen wollen. In den Gruppierungen, die solche Anlässe missbrauchen, um ihr Chaotentum auszuleben, gibt es dagegen wenige konkrete Personen, auf die man zugehen könnte. Dialog muss es geben. Und alle, die Veranstaltungen anmelden, werden angesprochen. Dabei wird auch klargemacht, was in keinem Fall akzeptiert wird und welche Konsequenzen drohen. Ob die Veranstalter aber tatsächlich einen Einfluss auf alle Teilnehmer haben, bezweifle ich.

BSZ: Was wird denn außer der Gewalt gegen Personen auf keinen Fall akzeptiert?
Benker: Die Aussage von Organisatoren der Demonstrationen in Frankfurt, dass Gewalt gegen Sachen schon okay sei, fand ich sehr unglücklich. Gewalt bleibt Gewalt. Auch Sitzblockaden übrigens sind eine Form von Gewalt, weil sie womöglich verhindern, dass der Ersatz für Einsatzkräfte durchkommt. Und wenn diese deshalb länger im Einsatz bleiben müssen, ist das eine Form von Gewalt gegen sie. Das sollte sich jeder bewusst machen, der sagt: „Ich mach’ doch nichts.“

BSZ: Wie ist denn die Stimmung bei den Einsatzkräften selbst?
Benker: Sehr gut – bei denen, die sich freiwillig für den Gipfel gemeldet haben, aber auch bei denen, die zurückbleiben und letztendlich die Arbeit in den Dienststellen dann alleine machen müssen. Allerdings ist bei Letzteren, glaube ich, noch nicht richtig ins Bewusstsein gerückt, was auf sie zukommen kann.

BSZ: Einbrecherbanden haben dann in Bayern ein leichtes Spiel?
Benker: Nein, so einfach machen wir es ihnen nicht. Aber wir haben vom Innenministerium die Unterstützung, polizeiliche Aufgaben in diesem Zeitraum möglichst auf den Kernbereich einzufrieren. Tätigkeiten wie Vorführungen bei Gericht oder die Begleitung von Schwertransporten werden auf ein absolut nicht zu vermeidendes Maß zurückgefahren. Hier sind wir auf Behörden angewiesen, die zum Beispiel Schwertransporte in der Kernphase nicht genehmigen. Aber wir stoßen auf großes Verständnis. Ob das auch beim Fußball klappen wird, bin ich mir nicht sicher. Ich hoffe, dass Bayern das Endspiel der Champions League gewinnt. Es ist an dem Samstag, an dem auch der Gipfel stattfindet. Aber auf der Münchner Leopoldstraße könnte es dann natürlich zu einem Großereignis kommen.

"Bei einigen Dienststellen werden nahezu die Hälfte der Kollegen für den Gipfel im Einsatz sein"


BSZ: Was sind konkrete Auswirkungen auf einzelne Dienststellen?
Benker: Bei einigen Dienststellen werden nahezu die Hälfte der Kollegen für den Gipfel im Einsatz sein. Mit Urlaubssperren und der Einstellung des Lehrgangs- und Fortbildungsbetriebs soll das aufgefangen werden. Dienststellen werden sich auch gegenseitig aushelfen. Hoffen wir aber, dass es nicht zu viele Einsatzorte gleichzeitig gibt. Und bislang ist auch nicht geklärt, wer die Schäden an Einsatzmitteln übernimmt. In Frankfurt wurden Fahrzeuge ja quasi atomisiert. Und wer zahlt die Benzinkosten? Die Staatsregierung macht es sich hier ein bisschen einfach. Die Polizei hat im Zuge des Gipfels zwar zusätzliche Finanzmittel bekommen, die aber reichen bei Weitem nicht, müssten die Dienststellen dafür selbst aufkommen.

BSZ:
War es eigentlich schwer, Freiwillige für Elmau zu gewinnen?
Benker: Es ist faszinierend, wie viele mit Leib und Seele Polizist sind und sagen: Da möchte ich dabei sein. Denn ähnlich wie einen Papstbesuch oder eine Fußball-WM werden das viele nur einmal in ihrer ganzen Dienstzeit erleben.
(Interview: Angelika Kahl) Bild: Hermann Benker (58), bayerischer Landesvorsitzender und Vize-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG); Foto: Windmüller

Kommentare (2)

  1. Dieter am 19.04.2015
    Die Überschrift zu diesem Artikel ist schlicht falsch und irreführend. Es wird übersehen, dass es zwei konkurrierende Gewerkschaften für die Polizei gibt. Da ist die DPolG und dann die Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
    Herr Benker kann deshalb nicht Gewerkschaftschef der bayerischen Polizei sein.
    Die DPolG möchte zwar gerne einen Alleinvertretungsanspruch geltend machen sollte dabei aber nicht durch die Presse unterstützt werden.
  2. Rainer am 18.04.2015
    Stimmt, die Gewalt geht ja vom Volke aus
    und nicht von der Politik!
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