Politik

Schlaglöcher nehmen zu. (Foto DDP)

06.08.2010

Aufbau West

FDP will Solidaritätszuschlag sofort abschaffen – die CSU erst später

Wer mit dem Zug nach Leipzig fährt, darf staunen. Der säulenartige, lichtdurchflutete Bahnhof der sächsischen Großstadt ist einer der schönsten der Republik. Aufwändig wurde das Gebäude in den 1990er Jahren für 250 Millionen Euro saniert. „So etwas würde manch bayerischem Bahnhof auch gut zu Gesicht stehen“, findet Sebastian Körber, baupolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Doch, während viele Stadtkerne in Ostdeutschland mittlerweile über eine „hervorragende Infrastruktur“ verfügten, fehle im Westen oft das Geld.
Der Forchheimer Abgeordnete fordert deshalb die umgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags, mit dessen Mitteln der Staat seit 1991 die wirtschaftliche Angleichung in Ost und West vorantreibt. „Der Soli sollte Ende 2010 auslaufen“, fordert Körber im Gespräch mit der Staatszeitung.
Durch den Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer nahm der Bund bislang 200 Milliarden Euro ein. 12 Milliarden Euro waren es allein im Jahr 2009.
Eine Zweckbindung des Solis für den Aufbau Ost im Gesetzestext gibt es zwar nicht – Ökonomen gehen aber davon aus, dass ein großer Teil des Geldes tatsächlich in den neuen Ländern investiert wurde.
Während es in Westdeutschland immer mehr Landkreise gibt, deren Straßen angesichts ihrer hohen Schlaglochdichte einer Kraterlandschaft gleichen, wurde in Ostdeutschland in jüngster Vergangenheit gerne auch geklotzt. „Mancherorts wurden in den neuen Ländern Strukturen geschaffen, die die demografische Entwicklung komplett ausklammern“, kritisiert Körber. So verfüge manche ostdeutsche Kommune über Abwasserkanäle für doppelt so viele Einwohner wie dort tatsächlich leben.
Schon länger stoßen Wirtschaftsexperten in das gleiche Horn – jüngst etwa das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft. Doch so geballt wie jetzt war der Widerstand noch nie. So wetterte in den vergangenen Tagen neben dem Bund der Steuerzahler auch der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, gegen den Obolus. „Der Solidaritätszuschlag gehört nach fast 20 Jahren auf den Prüfstand“, sagte er dem Handelsblatt. Für eine Änderung reicht eine einfache Mehrheit im Bundestag.
Fahrenschon denkt an mittelfristiges Soli-Aus
Doch die Abschaffung der Abgabe steht in weiter Ferne. Denn für den Aufbau Ost muss der Bund so oder so zahlen: Die Leistungen sind im so genannten Solidarpakt II festgeschrieben. Auch dieser könnte zwar per Gesetz geändert werden, doch die Mehrheiten dafür sind nicht in Sicht. Der Solidarpakt II sieht im Jahr 2010 insgesamt 17 Milliarden Euro an Hilfen für den Osten vor. Die Mittel werden jährlich abgestuft und sollen erst 2020 auslaufen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass sie den Solidaritätszuschlag nicht kurzfristig abschaffen will – dies hatte etwa die mächtige baden-württembergische CDU 2009 gefordert. Aus dem christdemokratisch geführten Bundesfinanzministerium verlautet: „Es gibt keinerlei Bestrebungen, an der Abgabe etwas zu ändern.“
Die CSU wiederum will den Soli zwar abschaffen – aber nicht gleich: „Der Solidaritätszuschlag ist keine Dauereinrichtung. 20 Jahre nach der Deutschen Einheit muss angefangen werden, über sein Ende nachzudenken“, sagte Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) der BSZ. Er könne sich „mittelfristig“ ein Absinken bis auf Null vorstellen.
Bereits Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte sich kurz nach seiner Amtsübernahme im Oktober 2009 für die Kürzung der Osthilfen ausgesprochen – die Resonanz in seiner Partei war damals sehr überschaubar. Der frühere CSU-Chef Erwin Huber, Wirtschaftsexperte der Landtagsfraktion, moniert, dass nicht klar sei, wie man den Aufbau Ost finanzieren soll, wenn die Einnahmen aus dem Soli wegfielen. Zudem begünstige eine Abschaffung höhere Einkommen überproportional. Ziel der CSU im Steuerrecht war es bislang, eher den Mittelstand zu entlasten.
Tatsächlich würde nur jeder zweite deutsche Haushalt von einer Soli-Abschaffung profitieren, da Niedrigverdiener von der Abgabe befreit sind. Auch SPD, Grüne, FW und Linke lehnen eine Streichung des Solidaritätszuschlags als unsozial ab.
Ungemach droht dem Soli allerdings aus Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht will wegen anhängender Klagen schon bald über dessen Rechtmäßigkeit entscheiden.(Tobias Lill, Waltraud Taschner)

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