Politik

Im Funkhaus soll es ab 2023 Publikumsveranstaltungen geben. Die Redaktionen ziehen nach Freimann. (Foto: dpa)

19.10.2012

Aufbruch in die digitale Zukunft

Der Bayerische Rundfunk verliert immer mehr junge Zuschauer: Intendant Ulrich Wilhelm krempelt ihn nun komplett um

Die Schreckensmeldung kam Anfang Oktober via BR-Brennpunkt. „Das rätselhafte Zuschauersterben geht um“, klagte der Moderator. Dann der grausige TV-Einspieler: Erna T., Nürnbergs letzte Zuschauerin des Bayerischen Fernsehens, starb „unerwartet“ im Alter von 103 Jahren.
Der Beitrag stammt von den Volontären des Bayerischen Rundfunks und lässt sich auf der Internet-Videoplattform Youtube abrufen. Und so überspitzt der satirische Abschlussfilm der jungen Journalisten auch ist, er benennt eines der größten Probleme der öffentlich-rechtlichen Anstalt: Der BR hat die ältesten Zuschauer aller TV-Sender in Deutschland – im Schnitt sind sie 64 Jahre alt.
Schalten immer mehr Jüngere ab, steigt der Legitimationsdruck für den BR. Denn als öffentlich-rechtliche Anstalt muss er für alle Altersgruppen Programm bieten. Schließlich zahlen auch alle Rundfunkgebühren. Doch mit den klassischen Verbreitungswegen Radio und Fernsehen ist das im Internet-Zeitalter kaum noch möglich. „Das Internet verändert die Mediennutzung in unverkennbarem Ausmaß“, erklärt BR-Intendant Ulrich Wilhelm. Deshalb müsse das Angebot an Internetformaten ausgebaut werden. Wilhelms Dilemma: Der Bayerische Rundfunk muss sparen. Neben der Hörfunk- und Fernsehschiene eine unabhängige Online-Säule aufzubauen, ist deshalb nicht drin.


Der Bayerische Rundfunk hat die ältesten Zuschauer


Also wird der BR nun komplett umgekrempelt. Bislang sind die Bereiche Fernsehen, Radio und Internet organisatorisch und räumlich getrennt. Das Radio hat also beispielsweise eigene Politikredakteure, ebenso das Fernsehen und die Onlineredaktion. Skurriler Nebeneffekt: Bei manchen Presseterminen trifft man gleich zwei oder drei BR-Teams an.
Diese Trennung will Wilhelm nun aufheben und die Fachredaktionen schrittweise zusammenlegen. Trimedialität ist hier das Zauberwort – es bezeichnet die journalistische Vernetzung von Fernsehen, Radio und Internet. Themen sollen künftig gemeinsam geplant und recherchiert werden. Kein reiner Hörfunk- oder Fernsehsender will der Bayerische Rundfunk künftig sein, sondern als „ein Qualitätsanbieter von Audio- und Videoinhalten“. Was die Reform kosten soll, darüber schweigt sich der BR allerdings aus.
Am Dienstagnachmittag informierte der Intendant die Mitarbeiter der Anstalt über Einzelheiten und den konkreten Zeitplan. Für viele der 3350 festangestellten und 1500 festen freien Mitarbeiter, die an insgesamt drei verschiedenen Standorten in München arbeiten, steht ein Umzug ab.
Am jetzigen Fernseh-Standort Freimann wird das trimediale Aktualiätenzentrum entstehen, in dem alle Fachredaktionen gebündelt werden. Bis zum Jahr 2020 soll die Mehrzahl der dazu erforderlichen neuen Gebäude stehen. Spätestens dann werden auch die Hörfunkprogramme des BR aus Freimann senden. Und auch am Standort Funkhaus in der Nähe des Hauptbahnhofs wird neu gebaut. Ab 2023 sollen dort künftig  Veranstaltungen stattfinden und Publikumssendungen aufgezeichnet werden. Der Standort Unterföhring, wo derzeit die TV-Unterhaltung angesiedelt ist, wird aufgegeben. „Ein hochmoderner Medienstandort schöpft seine Kraft aus der Fähigkeit der Unternehmen, sich an neue Entwicklungen anzupassen“, erklärte Wilhelm.
Aber auch die regionale Ausrichtung des Senders soll gestärkt werden – unter anderem mit dem bereits bezogenen Aktualiätenzentrum in Nürnberg und einem Studio Schwaben in Augsburg.
Rund 500 Mitarbeiter hätten ein Jahr lang Vorschläge entwickelt, wie der BR im digitalen Zeitalter relevant bleiben könne, erklärte Wilhelm. Im Laufe des nächsten Jahres soll nun in einem ersten Schritt der Flächenbedarf der neuen Redaktionseinheiten ermittelt werden, danach der Architektenwettbewerb für die Neubauten starten. Ab 2016 wird dann in mehreren Schritten gebaut.
Zusammenlegung von Redaktionen nach inhaltlichen Aspekten,  – das klingt nach Personalabbau. Doch betriebsbedingte Kündigungen werde es aufgrund der Reform nicht geben, verspricht Wilhelm. Auch für das Stammpublikum des Bayerischen Rundfunks hat Wilhelm eine gute Nachricht parat: „Der BR hält seinem Publikum die Treue!“, sagte er. „Wir wissen, wie stark nicht nur die Bürger in Bayern an vielen Sendungen hängen und werden an unseren erfolgreichen Formaten natürlich festhalten.“
Mit seinen 63 Jahren liegt Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) altersmäßig knapp unter dem Schnitt der BR-Zuschauer – und ihm gefällt das Programm des Senders auch ausgesprochen gut. „Ich bin stolz auf unseren Bayerischen Rundfunk und seine Kultsendungen“, sagt er anlässlich des Podiumsgesprächs mit BR-Intendant Wilhelm und ZDF-Intendant Thomas Bellut am gestrigen Donnerstag. Die Evangelische Akademie Tutzing lud zu dem Thema „Digitale Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“.


Horst Seehofer lobt die „sehr kreative Idee“


Seehofer betonte aber auch: „Freiheit bedeutet Vielfalt.“ Und da er nun einer neuen Leidenschaft fröne – „für mich ist das ipad, das meine Kinder mir geschenkt haben, fast schon ein Suchtmittel“ – freut er sich, dass der BR sich im Internet besser aufstellen will. „Mit gefällt das mit der Trimedialität – diese Idee von Herrn Wilhelm halte ich für eine sehr kreative“ , so sein Lob. Statt sich einzumauern und zu klagen, dass die Politik einem nicht mehr zugestehe, sorge man nun selbst für eine mögliche Effizienzerhöhung.
Und sogar der Satire-Beitrag  endet doch noch recht optimistisch. Die BR-Volontäre bieten sich mutig als Retter des Senders an und sind sich deshalb sicher: „Der BR wird leben! Und vielleicht damit auch der ein oder andere Zuschauer.“ (Angelika Kahl)

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