Politik

Der 66-jährige Chemieprofessor Wolfgang A. Herrmann ist seit 1995 Präsident der TU München. (Foto: dpa)

07.11.2014

"Bairisch red ich auf der Hüttn"

Wolfgang A. Herrmann über die Übernahme der Hochschule für Politik, Studiengebühren und Englisch als Uni-Sprache

Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TU München, ist immer für unkonven-
tionelle Vorschläge gut. Nicht jeder hat den 66-Jährigen deshalb ins Herz geschlossen. Seine jüngste Idee: Studiengebühren für Ausländer.
BSZ: Herr Herrmann, ein Politikinstitut an einer technischen Universität – wie passt das zusammen?
Wolfgang A. Herrmann: Gut! Die Verbindung von Politik und Gesellschaft mit Wirtschaft und Technik wurde bislang stark vernachlässigt. Der Ingenieur ist heute noch viel zu wenig ein Akteur im politischen Dialog. Mit der Neuausrichtung der HfP wollen wir hier einen Impuls geben.

BSZ: Sie wollen Politik und Technik an der HfP verknüpfen?
Herrmann: Die TUM hat bereits gut 30 Professuren mit gesellschafts- und politikwissenschaftlichem Ansatz. Agrar- und Umweltpolitik sind Beispiele, auch Themen wie Verkehr und Wasser. Als Techniker brauchst du die Politik, und umgekehrt, denn wir leben in einer technischen Welt.

BSZ: Wie sehen die Lehrinhalte an der HfP künftig aus?
Herrmann: Selbstverständlich bleiben Kernfächer wie Politische Theorie. Der TU-Ansatz ist aber immer auch praxisbezogen. In das Pflichtprogramm kommen deshalb Fallbeispiele aus der Technik – zum Beispiel: Was ist „Big Data“, und was bedeutet das für das Politik – und Regierungshandeln? Auch Praxismodule werden Pflicht, etwa Aufenthalte in den bayerischen Vertretungen in Berlin oder Brüssel. Die fünf neuen Schlüsselprofessuren werden jetzt ausgeschrieben. Mit dem Bachelor-Studiengang wird es  im Wintersemester 2016 losgehen.

BSZ: Die HfP soll künftig Bavarian School of Public Politics heißen. Werden dort Lehrveranstaltungen ausschließlich auf Englisch stattfinden? Sie hatten ja schon angekündigt, die TUM bis 2020 komplett auf Englisch umstellen zu wollen.
Herrmann: Das hängt auch davon ab, welche Professoren wir bekommen. Wir suchen unter jungen Überfliegern bis hin zu arrivierten Persönlichkeiten. Umstellen wollen wir nur die Master-Studiengänge – und nur die, bei denen es Sinn hat. In den Lehramtsfächern zum Beispiel nicht.

"Politik muss sich Gretchenfrage stellen: Wie halten wir es mit den Ausländern?"

BSZ: Der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer wirft Ihnen vor, Deutsch zur reinen Freizeitsprache abzuwerten.
Herrmann: Der Vorwurf geht völlig daneben. In unseren Auswahlverfahren bewerten wir die Noten in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik. Wilhelm von Humboldt hatte recht: Die Sprache ist die Seele eines Volkes. Aber Englisch ist die Lingua franca der Wissenschaft und Wirtschaft – ob man das gut findet oder nicht. Und ein Studentenleben besteht auch nicht nur aus Masterkursen. Keiner will eine Englischpflicht für die ersten drei Jahre bis zum Bachelor. Und in Praktika, in der Mensa und in Cafés wird natürlich deutsch gesprochen. Ich selbst spreche am liebsten bairisch – aber nicht im Masterkurs, sondern auf der Berghüttn. Dort sind dann auch die Chinesen eingeladen, Bairisch zu lernen. Die ganze Diskussion ist albern und geht längst an den gelebten Realitäten vorbei.

BSZ: Studenten berichten, dass einige Professoren gar nicht ausreichend Englisch sprechen ...
Herrmann: Dozenten zu einer Unterrichtssprache zu zwingen, in der sie sich nicht komfortabel fühlen, ist nicht sinnvoll, stimmt. Wir investieren aber immer mehr Geld in das Sprachenzentrum der TU. An den Englischkursen nehmen zunehmend auch Dozenten teil. Und ausländische Studierende sollen in ihre Heimat mit einem ordentlichen Deutsch zurückkehren. Denn jemand, der unsere Sprache spricht, versteht auch Kultur und Lebensart besser.

BSZ: Der Anteil der Studierenden aus dem Ausland liegt an der TU bei über 20 Prozent. Wollen Sie ihn weiter erhöhen?
Herrmann: Nein, nicht gezielt. Heuer liegt die Quote bei den Studienanfängern bereits bei 25 Prozent. Das ist viel, aber in Ordnung – wir sind eben international attraktiv.

BSZ: Gibt es eine Grenze?
Herrmann: Als Weltbürger müsste es uns egal sein, woher die Studierenden kommen. Allerdings kommt dafür der Steuerzahler auf. Geht die Entwicklung so weiter, wird sich die Politik zwangsläufig die Gretchenfrage stellen müssen: Wie halten wir es mit den Ausländern? Aus Gerechtigkeitsgründen müsste der Bewerber mit der besten Bewerbung den Studienplatz bekommen. Was aber, wenn dann die junge Frau aus Shanghai den Studienplatz bekommt und nicht der junge Mann aus Erding? Politik: Bitte antworten! Soll man eine Quote einführen, damit der Erdinger berücksichtigt wird? Oder erweitert man die Kapazitäten der Uni, damit beide studieren können? Dazu braucht es aber viel Geld!

BSZ: Ihre Idee: Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer. Die Studiengebühren wurden abgeschafft, weil weite Teile der Gesellschaft sie für ungerecht halten. Warum sind sie für Ausländer weniger ungerecht?
Herrmann: Das Problem ist, dass der Deutsche in der einen Gehirnhälfte die Bereiche Bildung und Forschung hat, und in der anderen das Geld. Und zwischen den beiden Gehirnhälften funktionieren die Neuronen nicht. In Sachen Studiengebühren wird sich deshalb in nächster Zeit nichts tun, auch wenn ich nach wie vor ein Befürworter von Studienbeiträgen bin. Bildung ist kein Konsumgut, sondern eine Lebensinvestition. Mit einem Beitrag wird der Wert der Ausbildung sichtbar.

BSZ: Also sollen Ausländer zahlen?
Herrmann: Ja, denn wir brauchen noch bessere Studenten aus dem Ausland. Dazu müssen wir aber ein attraktives Angebot machen, das vergleichbar ist mit Stanford oder MIT. Wir müssen Studentenwohnungen vorhalten, die zur Serviceleistung der TUM ebenso gehören wie die besondere Sprachenschulung.

BSZ: Aber locken Sie damit nicht statt den besten Köpfen die mit den dicksten Geldbeuteln? Die angloamerikanischen Spitzen-Unis verfügen im Gegensatz zur TUM über ein gutes Stipendiensystem.
Herrmann: Das stimmt. Aber man darf die Unis auch nicht überfordern. Meine Aufgabe ist es, eine ordentliche Universitäts- und Forschungspolitik zu machen. Sozialpolitik steht nicht an erster Stelle. Aber ja: An der Fragestellung, wie eine finanzielle Unterstützung aussehen kann, wollen wir uns beteiligen, insbesondere an der Entwicklung eines Stipendien-Systems. Über unsere Universitätsstiftung finanzieren wir bereits mit der „TUM junge Akademie“ gemeinsame Projekte ausgewählter Studenten im Grundstudium. Für ein umfangreiches Leistungsangebot, das aus Studium, speziellen Sprachkursen und Wohnmöglichkeiten besteht, muss aber entsprechend bezahlt werden. Ich mache mir gerade stark Gedanken darüber, ob wir nicht selbst ein eigenes großes Studentenheim bauen.
(Interview: Angelika Kahl)

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