Die Verbraucher in den Industrienationen haben es in der Hand: Sie könnten menschenunwürdige Beschäftigungen und sklavenähnliche Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt abschaffen, ist Bundesentwicklungsminister Gerd Müller überzeugt. Unermüdlich wirbt der CSU-Politiker dafür, sich beim Einkauf für fair gehandelte Produkte zu entscheiden.
Vor allem den öffentlichen Auftraggebern könnte hier eine Schlüsselrolle zukommen. Schließlich haben sie nicht nur eine gewichtige Marktstellung – ihr Beschaffungsvolumen macht etwa 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus –, sondern auch Vorbildfunktion. „Gerade die öffentliche Hand sollte deshalb beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen ein deutliches Signal setzen gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen, Lohndumping, Kinderarbeit und Umweltverschmutzung“, fordert Armin Massing, politischer Referent des Forums Fairer Handel, ein Verband der deutschen Fairhandels-Akteure.
Fair-Trade-Lebensmittel kommen nicht einmal in der Hälfte
der bayerischen Ministerien regelmäßig zum Einsatz
Doch damit ist es nicht weit her. Beispiel bayerische Ministerien: In nicht einmal der Hälfte kommen Fair-Trade-Lebensmittel regelmäßig zum Einsatz. Das Innenministerium etwa verweist auf einen zehn Jahre alten Pachtvertrag mit dem Kantinenbetreiber, der keine Vereinbarungen dazu enthält. Außerdem gebe es Bedenken gegen Preiserhöhungen, die mit der Verwendung fair gehandelter Produkte einhergehen würden, so eine Sprecherin. Im Justiz-, Sozial-, Finanz- und Kultusministerium gibt es ebenfalls keine Fair-Trade-Produkte. Das Gesundheitsministerium, das keine eigene Kantine besitzt, wird bei hausinternen Events von einem Restaurant beliefert, das auch fair gehandelte Produkte im Sortiment hat.
Beliebtestes Argument der Fair-Trade-Verweigerer: Der Einsatz von fair gehandelten Produkten ist kein rechtlich geregeltes Vergabekriterium. Einzig Produkte, die mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden, sind Tabu. „Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt und nicht notwendigerweise auf das billigste“, erklärt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums, zuständig für die Vergaberichtlinien. Es sei also durchaus gestattet, auch Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. In der Kantine seines Ministeriums gebe es zum Beispiel Kaffee, Tee und Orangensaft aus fairem Handel.
Staatskanzlei, Landwirtschafts- und Umweltministerium achten nicht nur auf Fair-Trade-Produkte in den Kantinen, auch bei der Vergabe des Caterings für Veranstaltungen spielt das Kriterium eine entscheidende Rolle. Der Gastronomievertrag im Landtag hält ebenfalls explizit fest, dass Kakao, Kaffee und Tee nur aus fairem Handel kommen dürfen. Das Eine Welt Netzwerk Bayern erkennt das zwar lobend an. „Doch insgesamt ist noch sehr viel Luft nach oben“, betont Vorstand Alexander Fonari. Er fordert deshalb, in der bayerischen Kantinenverordnung das Angebot von fair gehandelten Produkten verpflichtend festzuschreiben.
Beim Einkauf von Textilien spielen für öffentliche Auftraggeber
soziale Kriterien eine noch geringere Rolle
Nahrungsmittel jedoch seien ohnehin nur ein kleiner Bereich, betont Fonari. Beim Einkauf von Textilien spielen soziale Kriterien bei öffentlichen Auftraggebern allerdings eine noch geringere Rolle. Aktuell wird zum Beispiel Bayerns Polizei mit neuen Uniformen ausgestattet – sich auf die Verwendung von fair gehandelten Stoffen verpflichten wollte das Innenministerium jedoch nicht. Fonari fordert ein Umdenken. Die Bundesministerien zum Beispiel haben sich selbst verpflichtet, bis 2020 mindestens 50 Prozent der Textilien aus sozialer und ökologischer Produktion zu beziehen. „So etwas müsste doch auch für bayerische Ministerien möglich sein“, so Fonari. Er fordert vom Landtag, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, beispielsweise im Rahmen einer Anhörung, und bayerische Behörden an ihre Vorbildfunktion zu erinnern.
Immerhin: Einige Städte im Freistaat sind bereits einen guten Schritt weiter. 60 bayerische Kommunen sind so genannte Fair-Trade-Towns. Die Organisation TransFair e.V., die auch für das blau-grün-schwarze Siegel zuständig ist, hat diesen Titel bislang an 343 Kommunen in Deutschland vergeben, die gezielt den fairen Handel fördern. Mit dabei: München, Nürnberg und Augsburg. Dort wird bei Sitzungen ausschließlich fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt. In der Landeshauptstadt wurden 320 Schulen mit je fünf Bällen für den Sportunterricht aus fairem Handel ausgestattet. In Nürnberg ist ähnliches geplant. Und dort hat man auch den Bereich Textilien im Blick: Ab Herbst soll es zumindest eine bio-faire Nürnberg-Tasche geben.
(Angelika Kahl)
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