Politik

Islamunterricht in Bayern ist längst noch nicht auf einer Stufe mit dem evangelischen, katholischen oder jüdischen Religionsunterricht. (Foto: dpa)

11.07.2014

"Bayern verstößt gegen das Grundgesetz"

Religionsprofessor Harry Harun Behr über Islamunterricht an bayerischen Schulen, rassistische Vorurteile und den Umgang mit extremistischen Schülern

Das Kultusministerium will den Modellversuch „Islamunterricht“ um 150 auf rund 400 Schulen im Freistaat erweitern. Harry Harun Behr, Professor für islamische Religionslehre, sieht darin nur einen statistischen Trick auf Kosten der Lehrer. Er fordert die vollständige Anerkennung des Islamunterrichts, mehr Vollzeitstellen und eine bessere Kooperation mit Sicherheitsbehörden. BSZ: Herr Behr, nach langer Diskussion will Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) den Modellversuch „Islamunterricht“ im Freistaat jetzt ausweiten...
Behr: Das ist eine Ankündigung unter Haushaltsvorbehalt! Und das Problematische an der Formulierung ist, dass hier von Schulen und nicht von Lehrerstellen gesprochen wird. Unsere gut 80 islamischen Religionslehrer in Bayern bedienen rund 250 bis 300 Schulen. De facto sieht es so aus, dass eine Lehrkraft in Neumarkt in der Oberpfalz an bis zu acht Schulen pro Woche unterrichten muss. Das heißt, der wandert dann von Schule zu Schule, was in dem irrwitzigen Arrangement mündete, dass man nun zum Ende dieses Schuljahres das Anspruchsvolumen von zwei auf eine Stunde gekürzt hat, damit der gute Mann überhaupt zu Potte kommt. Das geht natürlich an die fachliche Substanz. BSZ: Was erwarten Sie jetzt von der Staatsregierung?
Behr: Was dringend erforderlich wäre, ist das Stellendeputat in Bayern auf mindestens 25 Vollzeitstellen zu erhöhen, um die Lehrkräfte zu entlasten. Wenn man das geschafft hat, kann man sagen, man geht an eine noch höhere Anzahl von Schulen. Deswegen ist die Ankündigung weiterer Ausweitung immer eine Frage, zu wessen Lasten das eigentlich geht. BSZ: Sollte islamischer Religionsunterricht neben evangelisch und katholisch zum Regelfach werden?
Behr: Das ist die Zielvorgabe des bayerischen Ministeriums schon seit den Zeiten Monika Hohlmeiers (Kultusministerin von 1998 bis 2005, Anm. d. Red.). Unter ihrer Ägide wurde der erste Lehrplan für den Islam-unterricht angeleiert. Das Nadelöhr ist aber nicht das Kultusministerium, sondern der Ministerrat mit Blick auf die Haushaltslage. Ich verstehe, dass da dem Kultusminister die Hände gebunden sind, aber langfristig ist der Weg der, dass man sagt, man möchte einen Religionsunterricht, der genauso funktioniert wie der evangelische, katholische oder jüdische Religionsunterricht. Das entspräche auch Artikel 7.3 des Grundgesetzes. Was wir jetzt in Bayern haben, entspricht nicht dem Grundgesetz. BSZ: Ist man in anderen Ländern in puncto Religionsunterricht bereits weiter?
Behr: Die Hessen haben zum Beispiel das, was Bayern fehlt: die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft. Wir haben zu viele migrantisch geprägte muslimische Ansprechpartner, als dass wir immer mit einer Stimme sprechen. Aber dafür hat Bayern das, was Hessen fehlt: einen funktionierenden Islamunterricht. Man müsste die beiden Projekte in einen Topf werfen, dann hätte man eine Pfundslösung. BSZ: Sie unterrichten seit 2006 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als bayernweit einziger Professor „Islamische Religionslehre“. Was lehren Sie Studenten dabei konkret?
Behr: Das ist eine interessante Frage. Religion im Rahmen der Lehrerbildung steht immer auf zwei Beinen: Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Zu Ersteren gehören die theologischen Grundlagen wie zum Beispiel die Genese und Exegese des Korans. Zu Letzterem gehören Fragen, wie die Lebenssituation muslimischer Schüler ist und welche Zukunftswünsche sie haben. Lehrer sollen durch die Verknüpfung der beiden Themen lernen, wie sie attraktiven Religionsunterricht gestalten. BSZ: Ihre Vorfahren waren jüdischen Glaubens. Wie kam es, dass sie 1980 Ihre Konfession gewechselt haben und vom Katholizismus zum Islam konvertiert sind?
Behr: Ich hatte das Glück, ab 1978 mit einem amerikanischen Ful-bright-Stipendium zwei Jahre in Indonesien auf die Schule gehen zu dürfen. Dort bin ich mit gelebter muslimischer Alltagskultur in Berührung gekommen – das hat mich sehr angesprochen. So bin ich auf die Spur gekommen, mich auch philosophisch-theologisch damit zu beschäftigen. BSZ: Haben Sie durch ihren Glaubenswechsel oder ihre Professorenstelle auch mit Vorurteilen zu kämpfen?
Behr: Mit Vorurteilen zu kämpfen hatte ich schon mein ganzes Leben. Als konvertierter Muslim musste ich mich dann zusätzlich mit Unkenntnis und Alltagsrassismus rumschlagen. Das ist aber normal und gehört zur Auseinandersetzung dazu. Als ich meine Professur antrat, bekam ich von irgendwelchen rechtsvölkisch gesinnten pensionierten Studienräten aus Niederbayern und von Vorläufern der heutigen Salafisten aufgrund meiner liberalen Ausrichtung Hasspost. Das hat sich aber beruhigt, weil unser Institut durch Qualität im wissenschaftlichen Output überzeugt hat. Es ist ruhig geworden – auch im Kollegium und Fakultätsrat. BSZ: Sie haben auch preisgekrönte Schulbücher für islamischen Religionsunterricht verfasst. Was raten Sie angehenden Lehrern, wenn einer Ihrer Schüler doch einmal extremistische Tendenzen aufweisen sollte?
Behr: Es gibt tatsächlich eine zunehmende Tendenz zur Radikalisierung – allerdings nicht nur unter Muslimen. Die Politik hat ein Interesse, dass Religionsunterricht präventiv arbeitet. Das ist ein berechtigtes Anliegen, allerdings kann man den Unterricht damit auch überfordern. Wir sensibilisieren unsere Lehrkräfte für die Thematik: Sie sollen hinschauen, wenn sie erste Anzeichen sehen.

BSZ: Auf was für Signale müssen Lehrer achten, um Radikalisierung frühzeitig zu erkennen?
Behr: Zum Beispiel, wenn ein Schüler plötzlich herumposaunt, das sei alles falsche Lehre und er kenne Leute aus dem richtigen Islam. Oder wenn männliche Jugendliche plötzlich einen Patronismus entwickeln und sagen, Mädchen sollten nicht studieren und lieber zu Hause bleiben. Wenn dann die Eltern sagen, sie wissen auch nicht, wo das herkommt, hat man ein Indiz, dass er sich in seiner Freizeit irgendwo herumtreibt, wo er von Rattenfängern aufgelesen wird. Viel machen kann man da als Lehrkraft nicht. Eine Deeskalationsstufe wäre eine direkte Kooperation mit Sicherheitsbehörden – das gibt es aber im schulischen und akademischen Sektor wegen rechtlichen und strukturellen Hindernissen bisher nicht. (Interview: David Lohmann)

Kommentare (2)

  1. corvinus am 15.07.2014
    Grundsätzlich sollten sich die Politiker fragen, ob im umgekehrten Fall der Islam auch solchen Aufwand und solche Freiheiten bieten würde, wen wir, der Europäer sich in seinem Land integrieren würde.
    Die dort lebenden Gläubigen anderer Religionen, sind ständig irgentwelchen Qeurelen und Spizfindigkeiten ausgesetzt und müssen höflich kuschen. Übegriffe in der Art wie in den Aufnahme-ländern geschen, würde sofotrt schwerste Strafen nach sich ziehen. In Deutschland, dagegen fallen die Strafen meistens sehr gering aus, weil die Justiz Racheakte fürcheten muss. Auch eine Abschiebung geschieht in den seltesten Fällen, eher werden sie in Unseren Vollzug noch mit durchgefüttert. " Deutsche Haftanstalt gute Haftanstallt!" Außer enormen Kosten die im dem Zusammenhang vom Steuerzahler getragen werden, haben wir als Gegeleistung nicht viel zu erwarten.
  2. Super Horsti am 12.07.2014
    Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Koranschulen auf Staatskosten? Islamischer Religionsunterricht ist das letzte was wir in Bayern brauchen. Wir kämpfen nicht nicht seit über 10 Jahren gegen den Terror um ihn dann staatlich gefördert ins Haus zu holen. Machen Sie doch eine Volksbefragung im Freistaat zu diesem Thema! Wir lassen uns das nicht länger gefallen. In der Schweiz ist man mutig vorangegangen und hat dem Islam eine Absage erteilt. Wir wollen ihn auch nicht!
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