Politik

Frauenchiemsee: Nicht schützenswert? Foto: dpa

18.02.2011

Bedrohtes Paradies

Frauenchiemsee könnte seinen besonderen Denkmalschutz verlieren – Experten warnen nun vor möglichen Gefahren für den Schlösser-Weltkulturerbeantrag des Freistaats.

Das Landesamt für Denkmalpflege erwägt nach Informationen der der Staatszeitung, Frauenchiemsee den Ensembleschutz zu entziehen. Der Charakter der Insel habe sich zu stark verändert. Weil das Eiland unweit von Herrenchiemsee liegt, sehen Heimatpfleger sogar den Schlösser-Weltkulturerbeantrag in Gefahr. Sie ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Oberbayerns: die Insel Frauenchiemsee. Mit dem bereits im Jahr 782 gegründeten Kloster Frauenwörth, einem malerischen Ausblick auf den See und anderen Sehenswürdigkeiten lockt das bezaubernde Eiland jedes Jahr viele Tausend Besucher an. Um diesen architektonisch und landschaftlich einmaligen Anblick zu erhalten, steht die Insel unter Ensembleschutz. Das bedeutet: Die darauf gebauten Gebäude stehen unter besonderem Denkmalschutz.
Der Ensembleschutz gilt als besondere Auszeichnung für die Schönheit einer Gebäudeansammlung, meist eines Stadt- oder Ortskerns. Doch damit könnte es auf dem Eiland schon bald vorbei sein. Nach Informationen der Staatszeitung denkt das bayerische Landesamt für Denkmalpflege ernsthaft darüber nach, Frauenchiemsee diesen Status abzuerkennen. „Derzeit ist eine Aberkennung nicht unwahrscheinlich“, sagt ein mit dem Verfahren vertrauter hoher Regierungsbeamter.
Wie die BSZ erfuhr, monieren die Denkmalschützer, dass sich der Charakter der Insel in den vergangenen Jahren zu stark verändert habe. Ursache sind die zahlreichen Um- und Ausbauten von Privathäusern sowie einem Hotel in den vergangenen Jahren. „Es sind nicht einzelne Ausbauten – wie etwa ein Wintergarten – weshalb das Landesdenkmalamt erwägt, Frauenchiemsee den Ensemblestatus zu entziehen“, erläutert Knut Stolte, Kreisheimatpfleger für Baudenkmalpflege im Landkreis Rosenheim.
Das Landesamt für Denkmalpflege selbst bestätigt auf BSZ-Anfrage, dass der Ensemble-Status bereits in einigen Wochen gründlich hinterfragt werde. Eine Mitarbeiterin verweist zwar darauf, dass auch die anderen mehr als 900 Ensembles im Rahmen des Projekts „bayerische Denkmalpflege“ geprüft würden. Auch erfolge die Untersuchung „ergebnissoffen“. Doch klar ist der Mitarbeiterin zufolge: Frauenchiemsee steht auf der „Prioritätenliste“ der Behörde. Grund: Der örtliche Gebietsreferent hat laut Denkmalpflegeamt Zweifel, ob der Ensembleschutz der Insel noch zu Recht besteht.
Beim Landratsamt Rosenheim kennt man die Überlegungen bereits: „Das Infragestellen des Ensembleschutzes auf der Fraueninsel ist aus unserer Sicht keine Folge einer kurzfristigen Entwicklung“, sagt Behördensprecher Michael Fischer. Es sei „ein Dilemma, wenn Inselbewohner auf dem Festland sehen, wie Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten wie energetische Sanierungen von Gebäuden, Wintergärten, Balkone oder das Aufstocken von Gebäuden verwirklicht werden können, während sie selbst darauf verzichten sollen“, erläutert er die Ursachen für die zunehmenden Ausbauten auf der Insel. Rund 300 Menschen leben auf dem Eiland.
Fischer kritisiert, dass mangels Bebauungsplan Gestaltungsregeln für die dortigen Gebäude fehlten. So hätten über Jahre hinweg Kompromisse zwischen den Wünschen der Hauseigentümer und dem Erhalt des Ensembles Frauenchiemsee gefunden werden müssen, so der Sprecher. Deshalb sei das Landratsamt und die untere Bauaufsichtsbehörde in Absprache mit dem Denkmalschutz bereit gewesen, „unter Berücksichtigung des Ensembleschutzes kleine Veränderungen zuzulassen“, rechtfertigt er die nicht immer strenge Genehmigungspraxis der örtlichen Behörden.
Kreisheimatpfleger Stolte hofft, „dass sich bei der Überprüfung durch das Landesamt für Denkmalpflege der Ensemblestatus bestätigt“. Er verweist darauf, dass laut Denkmalschutzgesetz auch der Landesdenkmalrat bei einer Entscheidung eingebunden werden muss. Ob das Gremium, in dem Politiker neben den Bauexperten sitzen, tatsächlich dem Denkmalamt widersprechen würde, ist aber ungewiss.
Sicher ist dagegen: Für den Landkreis wäre der Verlust der Ensembleschutzes ärgerlich: Schließlich ist mit ihm der Zugang zu den Töpfen der staatlichen Denkmalförderung für sanierungswillige Hausbesitzer verbunden. Zudem könnte das Image bei den Touristen leiden.
Doch es geht nicht nur um die Attraktivität Frauenchiemsees: Denn glaubt man Denkmalschützern, droht bei einer Aberkennung des Ensembleprädikats von Frauenchiemsee auch einem Vorzeigeprojekt des Freistaats Gefahr: dem Unesco-Schlösserantrag. Geht es nach dem Willen der Staatsregierung, sollen die drei bayerischen Königsschlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee schon bald zum Unesco-Kulturerbe gehören.
Gerade erst hat die Gemeinde Schwangau der Bewerbung zugestimmt. Doch jetzt könnte es den ersten Ärger geben: Denn Frauenchiemsee liegt in Sichtweite der Insel Herrenchiemsee. „Wenn Frauenchiemsee tatsächlich den Ensemblestatus verlieren sollte, wäre das das falsche Signal für den Schlösserantrag“, sagt Mathias Pfeil, Leiter der Bauabteilung der Schlösserverwaltung.
Unbarmherzige Unesco
Andere Experten halten als Folge gar ein mögliches Scheitern des Schlösser-Antrags für denkbar. Schließlich würde die Unesco-Jury ja nicht nur die Bewerber selbst genau überprüfen, sondern auch deren Umgebung genau unter die Lupe nehmen. Deshalb dürfe Herrenchiemsee keinesfalls losgelöst von Frauenchiemsee betrachtet werden. Kreisheimatpfleger Stolte ist sicher: „Eine Aberkennung des Ensemble-Status könnte die Chancen des Antrags verschlechtern.“
Wie genau die Offiziellen bei der Unesco die Bewerberobjekte unter die Lupe nehmen, zeigt das Beispiel Waldschlösschenbrücke. Das malerische Dresdner Elbtal verlor 2009 seinen bereits verliehenen Status als Weltkurerbe – wegen des Brückenneubaus.
Das in Sachen Unesco-Antrag federführende bayerische Wissenschaftsministerium sieht derzeit allerdings keinen akuten Handlungsbedarf. „Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch Kaffeesatzleserei“, sagt eine Sprecherin. Sie verweist auf die Einspruchsmöglichkeit des Denkmalrats. „Es ist viel zu früh, um hier irgendwelche Bedenken zu haben“, erklärt die Sprecherin. (Tobias Lill)

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