Die Kiste, die im Landeskriminalamt (LKA) in München aufgebaut ist, fasst 600 Kilogramm. Sie ist voll mit Schrott. Obenauf liegt eine Pistole – nur noch das nackte Metall ist übrig. Beim LKA landen alle Waffen, die in Bayern aus dem Verkehr gezogen oder freiwillig abgegeben wurden. Alle zwei bis drei Tage ist eine Kiste gefüllt. Das Metall, das einmal zu einer gefährlichen Waffe gehörte, wird eingeschmolzen.
Von August 2010 bis Ende 2012 wurden beim LKA fast 70 000 erlaubnispflichtige Schusswaffen und 28 000 Tonnen Munition vernichtet, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) diese Woche stolz. Freudig verkündete er noch eine weitere Zahl: Knapp 290 000 Waffenbesitzer gibt es im Freistaat. Und rund 1,15 Millionen Schusswaffen. Das sind etwa 7000 Besitzer und 50 000 Schusswaffen weniger als noch vor zwei Jahren. Und er rechne damit, dass die Zahl der Waffenbesitzer weiter sinken werde, so Herrmann.
Fest steht aber auch: Im bundesweiten Vergleich ist die Waffendichte in Bayern hoch. Jede fünfte in Deutschland registrierte Schusswaffe findet sich im Freistaat. Einzig im Saarland und in Rheinland-Pfalz gibt es mehr Waffen pro Einwohner. Jagd- und Schützenvereine hätten eben in Bayern eine größere gesellschaftliche Bedeutung als in anderen Bundesländern, so die Erklärung Herrmanns.
Allerdings ist es auch weniger die Anzahl der Waffen, die Kritikern der bestehenden Waffengesetze Sorge bereitet. Ohnehin werden nur die Waffen von rechtmäßigen Besitzern erfasst. Offizielle Angaben zur geschätzten Anzahl illegaler Schusswaffen im Freistaat gibt es nicht. „Meine persönliche Schätzung ist, dass die Zahl der illegalen Waffen nicht wesentlich geringer ist als die der offiziellen“, sagt Hermann Benker, Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft, der Staatszeitung. Er sieht vor allem bei der Kontrolle der legalen Waffenbesitzer große Defizite. Nach dem Amoklauf in Winnenden wurden die Aufbewahrungsregelungen zwar noch einmal verschärft. Ob diese eingehalten werden, wird jedoch nur stichprobenartig überprüft – und das meist mit Vorankündigung.
In Bayern gibt es nur 150 Waffen-Kontrolleure
Das Problem: In Bayern gibt es lediglich 150 Kontrolleure. Auf jeden Kontrolleur kommen im Schnitt also 2000 Waffenbesitzer. Als „Orientierungswert“ für die bayerischen Waffenbehörden gibt das Innenministerium fünf bis zehn Kontrollen pro Mitarbeiter im Monat an. Das heißt, im besten Fall können gerade mal 18 000 Waffenbesitzer pro Jahr kontrolliert werden. „Und diese Zahl ist reine Theorie“, betont Benker. „Ich möchte sie stark in Zweifel ziehen.“ Innenminister Herrmann kündigte nun an, in diesem Jahr eine Umfrage über die Anzahl der Kontrollen zu starten. Er glaubt aber: „Allein die Kenntnis, dass es solche Kontrollen gibt, hat schon Auswirkungen.“
Harald Schneider, sicherheitspolitischer Sprecher der Landtags-SPD fordert dagegen, die Waffenbehörden personell besser auszustatten – entsprechende Anträge hat seine Fraktion in der Vergangenheit bereits gestellt. Und er betont: „Insbesondere sind hier unangekündigte Kontrollen wichtig und nicht wie in den Vollzugshinweisen vorgegeben erst nach Terminabsprache.“ Findet eine Kontrolle heute tatsächlich unangemeldet statt, ist kein Waffenbesitzer verpflichtet, den Kontrolleur in die Wohnung zu lassen. „Auch Kaminkehrer und Stromableser müssen sich schließlich anmelden“, sagt Alexander Heidel, Vorsitzender des bayerischen Sportschützenverbandes der BSZ. Im Namen seiner 470 000 Mitglieder wehre er sich dagegen, unter Generalverdacht gestellt zu werden.
Die überwiegende Mehrzahl der Straftaten wird in der Tat mit illegalen Waffen verübt. Allerdings kommen bei Amokläufen meist legale Waffen zum Einsatz. So auch in Memmingen im vergangenen Mai. Der Fall des 14-Jährigen, der damals an seiner Schule mit den Waffen seines Vaters um sich schoss, wird gerade vor dem Landgericht in Memmingen verhandelt.
Die Landtags-Grünen drängen nicht nur auf strengere Kontrollen, sondern auch auf restriktivere Regelungen durch das bayerische Waffengesetz. Die innenpolitische Sprecherin, Susanna Tausendfreund, fordert ein Verbot großkalibriger Waffen für Sportschützen, die Aufbewahrung der Waffen außerhalb des privaten Haushalts und die getrennte Aufbewahrung von Munition und Waffe.
Davon hält Herrmann allerdings nichts. Der Amoklauf 2009 in Ansbach sei beispielsweise mit selbst gebastelten Molotowcocktails und einer Axt verübt worden. „Sollen wir deshalb die Äxte in Bayerns Gartenhäuschen verbieten“, fragte er provokant.
Sportschütze Heidel hat große Sicherheitsbedenken, müssten Schusswaffen zentral aufbewahrt werden. Schützenvereine sind oft außerhalb der Ortschaften angesiedelt. Diebe hätten es so leichter. Unterstützung bekommt er von der Polizeigewerkschaft. „Solche Forderungen sind absoluter Schwachsinn“, sagt auch Benker. „Hier entstünde ein nicht kontrollierbares Sicherheitsrisiko.“
Einig sind sich indes alle bei der Bewertung der Einführung des Nationalen elektronischen Waffenregisters. Es könne zwar keine Straftaten verhindern, helfe aber bei der Aufklärung. „Während europaweit der Werdegang jedes Fundfahrrades anhand der Individualnummer schon lange nachvollzogen werden konnte, erstreckten sich bei Waffenfunden die Recherchen auf fast 600 unterschiedliche Behörden in ganz Deutschland“, so Benker. Seit dem 1. Januar können nun Waffen und Waffenbesitzer zu jeder Tages- und Nachtzeit in der zentralen Datenbank überprüft werden. „Dieses Wissen kann beispielsweise bei kurzfristigen Durchsuchungen oder Festnahmen lebensrettend sein, so Herrmann. Denn Einsatzkräfte könnten sich besser darauf einstellen, ob Schusswaffen vorhanden seien. Voraussetzung allerdings: Es handelt sich um eine legale Waffe. (Angelika Kahl)
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